Online Dampf ablassen Online Dampf ablassen: Bei Chefbewertungen im Netz vorsichtig sein

„Ständig nur Druck und kein offenes Ohr“ und „die Atmosphäre ist total im Keller“: Das sind nur einige Äußerungen, mit denen sich Mitarbeiter derzeit auf dem Jobläster-Portal Kununu.com Luft machen. Ähnliches ist auf Portalen wie meinchef.de oder jobvote.de zu lesen. Was Beschäftigte ihrem Chef häufig nicht ins Gesicht sagen würden - im Netz kennt so mancher keine Hemmung. Doch wer dort zu sehr über seinen Arbeitgeber lästert, muss im schlimmsten Fall mit Konsequenzen rechnen.
Im Prinzip ist es eine feine Sache: Nicht nur Hotels oder Restaurants können Surfer im Netz Noten geben - auch den Arbeitgeber dürfen sie bewerten. Davon profitieren zwei Seiten. Die Feedback-Geber müssen sich nicht mehr im Stillen ärgern, sondern können ihre Kritik, aber auch ihr Lob mit der Öffentlichkeit teilen. Dritte gewinnen auf diese Weise Einblicke in eine für sie häufig unbekannte Firmenkultur. Das ist vor allem für jene interessant, die auf Jobsuche sind und mehr über potenzielle Arbeitgeber in Erfahrung bringen wollen.
Laut einer repräsentativen Umfrage unter Internetnutzern aus dem Jahr 2013 im Auftrag des Branchenverbands Bitkom hat sich jeder Vierte (25,8 Prozent) schon auf diesen Portalen über Arbeitgeber informiert. Von ihnen hat sich jeder Dritte (32,4) in seiner Entscheidung für oder gegen einen Jobwechsel beeinflussen lassen. Zurückhaltender sind die Nutzer, wenn es darum geht, selbst eine Bewertung zu schreiben. Das hat nur rund jeder Achte (13,9 Prozent) gemacht. Für die Befragung wurden 779 Internetnutzer ab 14 Jahren durch das Meinungsforschungsinstitut Aris interviewt.
Doch wie viel Wert haben Beurteilungen auf solchen Portalen? Karrierecoach Gerhard Winkler aus Berlin warnt Bewerber davor, sie zu ernst zu nehmen. „Das sind generalisierende Aussagen von Leuten, die Sie nicht kennen und über dessen Kompetenz Sie nichts wissen“, gibt er zu Bedenken. Auch die Firmen selbst könnten unter Pseudonym positive Bewertungen über sich erstellen.
Außerdem seien die Angaben meist sehr unkonkret - und lieferten den Jobsuchenden kaum nützliche Informationen. „Wie viel weiter bringen einen allgemeine Aussagen zum Arbeitsklima?“, fragt Winkler. Ist das Arbeitsklima in der Firma in der Tendenz laut den Arbeitgeberbewertungsportalen sehr schlecht, kann das in einzelnen Abteilungen ganz anders sein.
Meist haben Jobsuchende auch Spezialinteressen. So wollen weibliche Bewerber zum Beispiel wissen, was der Betrieb für die Frauenförderung tut. Bekommt ein Betrieb auf einem Joblästerportal schlechte Noten etwa für die Arbeitskultur, könne sie theoretisch in dem Bereich Frauenförderung spitze sein. Das bekommen Arbeitnehmer über das Portal aber gar nicht heraus.
Dennoch: Eine Tendenz etwa zum Arbeitsklima können die Portale schon anzeigen. Trotzdem sollten Jobsuchende zusätzlich immer versuchen, über Freunde in Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitern der Firma zu kommen, rät Winkler. So kämen Bewerber an Informationen aus erster Hand. Wichtig sei auch, Medienberichte über den potenziellen Arbeitgeber zu lesen. Wie der Vorstand es mit Themen wie Gleichberechtigung oder ältere Arbeitnehmer hält, lasse sich so gut herausbekommen.
Wann es rechtlichen Ärger geben kann, lesen Sie auf der nächsten Seite.
Wer sich selbst daran macht, dem aktuellen oder ehemaligen Chef eine Abrechnung auf einem Joblästerportal zu hinterlassen, sollte nichts übereilen. „Drastische Formulierungen wie Anschuldigungen werden besser immer noch einmal überschlafen“, rät Michael Kamps. Er ist Rechtsanwalt in Köln und auf IT-Recht spezialisiert. Im schlimmsten Fall kann Bewerbern sonst sogar Post von der Staatsanwaltschaft drohen.
In große Schwierigkeiten geraten Kommentatoren immer dann, wenn sie auf solchen Portalen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse preisgeben, erläutert Kamps. In diesen Fällen können sie sich sogar strafbar machen. Was zu den Betriebsgeheimnissen zählt, ist je nach Branche und Firma unterschiedlich. Probleme kann etwa ein Vertriebler bekommen, der Angaben zu den Kalkulationsgrundlagen für ein Projekt macht oder eine Kundenliste der Firma veröffentlicht.
Im Zweifel schützt Surfer dann auch nicht mehr ein verwendetes Pseudonym. „Um das zu bekommen, müssen sich Nutzer beim Betreiber des Portals in der Regel mit ihrem echten Namen registrieren“, erklärt Kamps. Ermittelt die Staatsanwaltschaft, sei der Betreiber unter Umständen verpflichtet, den echten Namen des Nutzers zu nennen.
Beschäftigte haben eine Rücksichtnahmepflicht
Tabu sind weiter Beleidigungen. Wer seinen aktuellen oder ehemaligen Chef im Netz als Lustmolch oder Idiot beschimpft oder ihn mit Kraftausdrücken bedenkt, muss mit Unterlassungsansprüchen rechnen, sagt Kamps. Gegebenenfalls kämen sogar Schadenersatz- und Geldentschädigungsforderungen hinzu. Wer das im laufenden Anstellungsverhältnis macht, kann eine Abmahnung oder sogar eine Kündigung kassieren. „Der Arbeitnehmer verletzt damit seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Arbeitgeber“, sagt Kamps.
Probleme bekommen Surfer schließlich immer dann, wenn sie Sachen behaupten, die nachweisbar falsch sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sie schreiben, die Firma habe sie wegen Auftragsmangel entlassen - tatsächlich haben Mitarbeiter aber selbst gekündigt.
Vielfach nicht zu beanstanden sind dagegen Meinungsäußerungen. Das sind alle Aussagen, die weder wahr noch falsch sind und die jeder anders beurteilt. „Diese Äußerungen sind grundrechtlich geschützt“, erläutert Kamps. So dürfen Beschäftigte beispielsweise schreiben: „In meiner Wahrnehmung ist das Arbeitsklima richtig schlecht und der Chef ist inkompetent.“
Letztlich sollten Beschäftigte vor einem Post in einem Portal immer einen Grundsatz bedenken: bei der Wahrheit bleiben, Kraftausdrücke vermeiden und keine Geheimnisse ausplaudern. Dann besteht hinterher auch kein Risiko, Ärger zu bekommen. (dpa)

