1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Nicht erst der Tod scheidet: Mehr Ältere trennen sich

Nicht erst der Tod scheidet: Mehr Ältere trennen sich

Von Bettina Levecke 03.02.2010, 08:23

Siegen /dpa. - Auf dass nicht erst der Tod scheidet: Wer glaubt, nach einem Dutzend Ehejahren auf der sicheren Seite zu sein, irrt. «Früher fanden die meisten Scheidungen bis zum 10. Hochzeitstag statt».

Das sagt die Psychologin Prof. Insa Fooken von der Universität Siegen. «Heute ist die auffälligste Zunahme zwischen dem 10. und 20. Ehejahr.» Auch nach der Silberhochzeit steigt die Trennungskurve an und bei Langzeitehen nach 30 oder mehr Ehejahren. Die späte Trennung ist oft eine Folge vieler Jahre Unzufriedenheit.

«Wir haben hier immer wieder Frauen, die haben goldene Hochzeit gefeiert und wollen trotzdem, dass ihre Ehe endlich ein Ende hat», sagt Gudrun Skowronnek vom Selbsthilfeverein Forte in Berlin. Den Schlussstrich ziehen meistens die Frauen: «Früher war es für eine Frau über 50 undenkbar, sich vom Gatten zu trennen», sagt die Autorin Sissi Traenkner, die für ihr Buch mit vielen Betroffenen gesprochen hat. «Heute sind Frauen mutiger und finanziell selbstständiger.»

Prof. Fooken erforscht seit vielen Jahren das Phänomen der späten Trennung: «Sich nach vielen Ehejahren scheiden zu lassen, ist immer noch mit Scham verbunden, aber das Tabu weicht langsam auf.» Warum sich lang verheiratete Paare trennen, hat viele Gründe.

Gerda Skowronnek erlebt in ihren Beratungen immer wieder, dass die Frauen unter den Kapriolen ihrer Männer leiden: Manche Männer wünschten sich auch im hohen Alter noch täglichen Sex. «Und wenn ihre Partnerinnen ihnen das nicht ausreichend geben, suchen sie sich eben andere Frauen dafür.» Spätestens dann ist für viele Partnerinnen Schluss mit lustig.

Insa Fooken hat 125 Paare, die länger als 25 Jahre verheiratet waren, zu ihren Trennungsgründen befragt: «Oft sind es starke Veränderungen im Leben wie der Auszug der Kinder, der Beginn des Ruhestands oder der Tod der Eltern, die Paare in die Knie zwingen.» Auch Gewalt oder Süchte führten häufig irgendwann zu einer Trennung. «Das kann ein sehr langer Prozess sein, bis der Partner oder die Partnerin bereit ist, die Koffer zu packen.»

Oft sei dieser Schritt aber auch die Folge einer innerlichen Entwicklung: «Wer heute 50 ist, hat noch locker 30 Jahre vor sich», sagt Sissi Traenkner. Und das stellt sich die Frage: Was will ich im Leben noch erleben? «Unglücklich verheiratete Menschen, die sich diese Frage stellen, sehen ihren Partner dann nicht mehr an ihrer Seite.» Frei nach dem Motto «Es muss in diesem Leben mehr als nur eine langweilige Ehe geben» sei die Trennung stark mit dem Wunsch verbunden, sich selbst zu verwirklichen.

«Es ist leider so, dass besonders Frauen sich in ihrer Ehe zu sehr den Wünschen des Partners oder den Bedürfnissen der Familie angepasst haben», sagt Skowronnek. «Und dann wächst mit den Jahren der Wunsch, auch mal an sich zu denken.»

Wenn die Partnerin dann mit den Scheidungspapieren wedelt, fallen ihre Männer häufig aus allen Wolken. «Obwohl Frauen über Jahre Signale senden, sind viele Männer schlicht ahnungslos», sagt Traenkner. «Männer neigen eher als Frauen dazu, Eheprobleme zu verdrängen oder sich damit zu arrangieren.»

Literatur: Sissi Traenkner; Harro von Luxburg, Es lief doch gut, was ging denn schief?: Paare berichten über ihre langjährige Beziehung, Droemer Knaur, ISBN-13: 978-3-426-78208-8, 7,95 Euro; Hans Jellouscheck, Wenn Paare älter werden. Die Liebe neu entdecken, Herder, ISBN-13: 978-3-451-29782-3, 16,95 Euro.