Nachwuchs im Doppelpack - Zwillinge haben andere Ansprüche
Saarbrücken/München/dpa. - Zwillinge sind Hingucker. Und ihre Eltern hören oft begeistertes Seufzen über den Nachwuchs im Doppelpack. Dabei ist es eine Herausforderung, wenn zwei gleich alte Kinder stereo gewindelt, gefüttert und betreut werden müssen.
Auch für die Zwillinge ist es eine besondere Situation, gemeinsam groß zu werden und fast alles teilen zu müssen. «Zwillinge gibt es bei etwa 1 von 85 Geburten», sagt Heike Wolf, Zwillingsforscherin an der Universität Saarbrücken. «Ihre Zahl steigt, besonders die der zweieiigen.» Das hat vor allem mit den Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung zu tun - dabei wird oft mehr als nur eine Eizelle befruchtet und in die Gebärmutter eingesetzt.
Marion von Gratowski ist selbst Zwillingsmutter. «Am Anfang war es sehr stressig», erinnert sie sich. «Viele können sich das gar nicht vorstellen, wie anstrengend das ist, auch andere Eltern nicht.» Durchzuschlafen sei lange so gut wie unmöglich gewesen. «Und das Füttern dauerte ewig.» Auch die Väter von Zwillingen seien deshalb von Anfang an gefordert: «Das geht gar nicht anders, die müssen nachts auch raus.» Inzwischen hat die studierte Diplom-Volkswirtin aus Kaufering (Bayern) all diese Probleme gemeistert. Ihre Söhne sind 23, der eine studiert, der andere ist Koch. Von Gratowski engagiert sich für andere Zwillingseltern und gibt die Zeitschrift «Zwillinge» heraus.
Eineiige Zwillinge ähneln sich oft verblüffend - bis hin zu gleichen Vorlieben und Interessen wie bei Hamit und Halil Altintop. Die beiden Bundesligaspieler haben schon als Kind zu kicken angefangen, zusammen in einer Mannschaft. Aber auch eineiige Zwillinge sind nicht gleich. Sie unterscheiden sich schon im Bauch der Mutter. «Häufig ist der eine Zwilling bei Geburt größer und bis ein Fünftel schwerer als der andere. Meistens ist das der Erstgeborene», sagt Prof. Hartmut Kasten vom Institut für Frühpädagogik in München. «Die genetische Ausstattung ist identisch, aber es sind von Anfang an Individuen.»
Auch wenn Eltern versuchen, Zwillinge mit gleicher Kleidung und gleichem Spielzeug zur Konformität zu erziehen, entwickelten sie sich unterschiedlich, schon weil Individualismus in unserer Gesellschaft inzwischen ein so wichtiger Wert sei, sagt Kasten. Und sogar wenn die Eltern überzeugt sind, sich beiden gegenüber gleich zu verhalten, hätten die Kinder oft das Gefühl, ganz unterschiedlich behandelt zu werden. «Das kann dann schon einmal Konflikte geben.»
Wie weit Gene oder äußere Einflüsse für die Entwicklung entscheidend sind, wurde lange diskutiert. «Heute sind wir uns sicher, beides spielt eine Rolle», sagt Heike Wolf. Dass auch Persönlichkeitsmerkmale wie geduldig oder gesellig zu sein genetisch bedingt sind, sei durch Studien belegt. Für die Eltern macht es diese Erkenntnis nicht unbedingt einfacher. Studien zeigen aber auch, dass Zwillinge keine Problemkinder sind. «Da gibt es keinen Unterschied zu anderen Gleichaltrigen», sagt Prof. Kasten. «Eigentlich sind Zwillinge ganz normale Geschwister.»