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Mit dem Kind zur Klausur? Eltern tun sich im Studium schwer

Von Anne Gottschalk 25.03.2008, 10:51

Berlin/dpa. - Studenten mit Kind liegen im Trend, finden im Alltag aber immer noch wenig Verständnis. Sie folgen dem Ruf der Politik, indem sie für Nachwuchs sorgen. Bei vielen Professoren stößt das Modell aber auf wenig Begeisterung.

«Viele Dozenten zeigen sich wenig einsichtig bei der Verschiebung von Veranstaltungen und Prüfungen», sagt Elke Middendorff vom Forschungsinstitut Hochschul- Informations-System (HIS). Nach einer neuen HIS-Studie würde sich ein Viertel der Studenten mit Kind nicht wieder für beides zur selben Zeit entscheiden.

Auch Jenny Kurtz würde diesen Weg «auf keinen Fall» noch einmal wählen. Sie kennt nur wenige junge Eltern, die sich zusätzlich ein Studium «antun». Die Berlinerin studiert nicht nur Englisch und Geschichte, sondern hat auch eine vierjährige Tochter. «Die Dozenten raten uns, sich zwischen Studium und Kind zu entscheiden», sagt die 29-Jährige. Pflichtveranstaltungen und Abendseminare ließen sich schwer mit den Bedürfnissen eines Kleinkindes abstimmen. «Das Bachelor-Studium ist für Studenten, die zu Hause wohnen und nicht auf zusätzliche Beschäftigung angewiesen sind», sagt Kurtz.

Auf der einen Seite bieten viele Hochschulen inzwischen Kinderbetreuungsplätze an. Andererseits werden aber auch die Studienordnungen strenger. «Mit der Umstellung auf Bachelor und Master sind viele Studienordnungen nicht mehr auf diese Familiensituation ausgerichtet», bestätigt Rosita Lohmann von der Studienberatung der Freien Universität (FU) Berlin. Bei Pflichtveranstaltungen dürfe man nicht fehlen, nur weil das Kind krank ist.

Teilzeitstudiengänge wären eine Alternative für viele Studenten mit Kind - zumal mehr als die Hälfte von ihnen (58 Prozent) nebenbei auch noch arbeitet. Bislang gibt es aber nur wenige Angebote und die Studenten haben keinen Anspruch auf Bafög. Für Hochschul-Expertin Middendorff sind Studenten mit Kind «ein Phänomen, auf das Rücksicht genommen werden muss - egal was die Politik darüber denkt». Die Hochschulen müssten mit flexiblen Studienplänen dafür sorgen, dass Eltern nicht am Studium scheitern.

Insgesamt liegt der Anteil der Studenten mit Nachwuchs bei rund sieben Prozent. In Berlin sogar bei zehn Prozent. Tendenz: steigend. «In den neuen Bundesländern gibt es eine Renaissance dieses Lebensmusters», sagt Middendorff. Bei Studenten im Osten stehe der Kinderwunsch oft gleichberechtigt neben dem Ziel, Karriere zu machen. Es sei selbstverständlich, dass sie dafür Hilfe in Anspruch nehmen. «Die Fremdbetreuung ist im Osten viel akzeptierter», weiß Middendorff. Diese Erfahrung sei aus DDR-Zeiten übriggeblieben. Im Westen kämen Mütter laut Studie dagegen noch oft in einen Gewissenskonflikt, wenn sie die Kinder nicht selbst versorgten.

Die Leistung der Studenten mit Kind ist nach Middendorff nicht zu unterschätzen. Sie befänden sich in der «Rush hour ihres Lebens» - meisterten Studium, Familienplanung und Berufseinstieg. Für die Frauenbeauftragte der Freien Universität, Marianne Kriszio, sind Eltern mit Studien-Abschluss deshalb besonders begehrenswert für Arbeitgeber: «Sie zeigen täglich viel Disziplin und Opferbereitschaft. Sie sind Organisationskünstler. Und ihre Kinder sind aus dem Gröbsten raus.»