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Maultaschen Maultaschen: Fleisch im Nudelhemd

Von Wolf Günther 13.03.2003, 21:37

Halle/MZ. - Als Fastengericht, speziell am Karfreitag, ist die Nudelspezialität zwischen Main und Bodensee nach wie vor besonders beliebt.

Für manche entspricht das Spitzenerzeugnis der schwäbischen Küche besonders dem Wesen der Schwaben. "In einem unliebenswürdigen Gewand verbirgt sich ein delikater Kern", schrieb der Autor Thaddäus Troll in seinem Werk "Deutschland deine Schwaben".

Vermutlich im 17. Jahrhundert sei die "Maultasche" erstmals in Kochbüchern aufgetaucht, als Bezeichnung für gefüllte Teigtaschen, die auch "Gefüllte Nudeln", "Schlickkrapfen" oder "Krapfen aus Mundmehl" genannt wurden. Laut Troll müssten sie eigentlich "Maultäuscher" heißen, weil sie ihre Fleischseele unter einem Nudelhemd verbergen.

Eine Legende zur Entstehung der Maultaschen reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück. Demnach soll Namensgeberin die 1318 als Tochter König Heinrichs von Böhmen geborene Gräfin Margarethe sein, die den Beinamen "Maultasch" führte. Oder hat Marco Polo die Teigtaschen aus Asien nach Europa gebracht, wo sie zuerst als Ravioli in Italien bekannt wurden, ehe sie über die Alpen ins Schwäbische kamen?

Auch das Kloster Maulbronn wird als Ursprungsort des schwäbischen Leibgerichts genannt. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) seien die Zisterziensermönche unverhofft an ein großes Stück Fleisch gekommen - unglücklicherweise mitten in der Fastenzeit.

Da Ratlosigkeit und Hunger groß und im Klostergarten reichlich Spinat und Kräuter zu finden waren, kamen die Mönche auf eine Idee: Sie zerkleinerten das Fleisch und vermischten es mit reichlich Grünzeug, so dass die Masse nicht mehr als Fleisch zu erkennen war. Im Wissen, der Allmächtige sehe alles, wurde das Ganze in einem Teigmäntelchen versteckt. Die neue Fastenspeise war geboren, sie wurde sinnigerweise auch "Herrgottsbescheißerle" genannt.

Geschwister hat die "Maultasche" jedenfalls viele, so die chinesischen Wantans oder Chiao-Tzu, die russischen Matny oder Vareniki, die Kasnudel in Österreich oder Ravioli, Culingiones oder Tortellini in Italien. Die klassische Maultaschenfüllung besteht aus Hackfleisch, Lauch, Petersilie, Zwiebeln, Spinat, Eiern und Brötchen.

Neben der fleischlosen Variante, die in vielen Familien von Gründonnerstag bis Ostersamstag auf den Tisch kommt, gibt es auch Edelfüllungen mit Lachs, Geflügel oder Wild.

Dass hin und wieder auch "Zeug, was sonsten nit mehr tauglich auf den Tisch" im Nudelteig versteckt wurde, beweist ein Metzger, der zu seinem Lehrling sagte: "Wenn das rauskommt, was da reinkommt, kommst du rein - ins Gefängnis - und nie mehr raus."

Maultaschen sind jedoch nicht immer von Hand gemacht. Zu Ostern 1953 wurden sie im Schwabenland erstmals am Fließband produziert. Metzger Helmut Bantle aus der Stuttgarter Gegend hat mit seinem "Maultaschen-Blitz", ein von ihm entwickeltes Schneide- und Portioniergerät, im Herbst 2000 in einer Stunde 2500 Stück kochbereit hergestellt.

Im "Ländle" wurde bereits die erste Fastfood-fähige Maultasche als Vesper auf den Markt gebracht. Im Gegensatz dazu hat sich der Verein "Die Maultasche" in Weinstadt der unverfälschten Maultaschenkultur verschrieben: Er duldet die industriell Gefertigten lediglich als "Versorgung notleidender Exilschwaben in anderen Bundesländern".