Manufakturen in Deutschland Manufakturen in Deutschland: Fürstenberg überrascht mit Hightech

Fürstenberg/Weser/dpa. - Eine Gipsform nach der anderen fährt auf dem Fließband vorbei. Ein kurzes «Plopp», und aus der Apparatur darüber läuft eine genau dosierte Menge Porzellanrohmasse in die weißen Hohlkörper. In der Porzellanmanufaktur Fürstenberg wird gerade eine Serie Becher produziert. Anders als die meisten anderen Manufakturen ist das Unternehmen aus dem gleichnamigen Ort in Niedersachsen neuen Technologien gegenüber äußerst aufgeschlossen. In allen Bereichen des Werkes helfen Computer und Maschinen bei der Arbeit oder übernehmen sogar ganze Arbeitsgänge - was von der traditioneller eingestellten Konkurrenz häufig kritisiert wird.
In dem idyllisch hoch über der Weser gelegenen Werk sieht man darin jedoch nichts Verwerfliches oder wittert gar Verrat am Gedanken der Manufaktur: «Wenn die Drehscheibe mit dem Elektromotor angetrieben wird, hat das doch keinen Einfluss auf das Produkt», sagt Christian Hirsch, der Geschäftsführer der 1747 gegründeten Manufaktur. «Hätte es den Elektromotor im 18. Jahrhundert schon gegeben, dann hätten ihn vermutlich alle Manufakturen bereits damals eingesetzt.»
Der Einsatz von Technik erleichtert Hirsch zufolge nicht nur die Arbeit. Er lasse auch mehr Zeit, um handwerklich noch besser zu werden. «Manufaktur bedeutet für mich nicht, alles so zu machen, wie es die Väter gemacht haben», sagt Hirsch. «Uns geht es darum, uns weiterzuentwickeln.» Ein Ziel sei es zum Beispiel, noch dünneres und damit noch feineres Porzellan herzustellen.
Dazu kommt, dass mit Hilfe der Maschinen viel Geld eingespart und somit die Produkte vergleichsweise günstig angeboten werden können. Manufakturprodukte seien durch den - trotz aller Maschinen auch bei Fürstenberg - hohen Anteil an Handarbeit teurer als Industrieware. Dennoch gilt: «Der Preis muss in einer erreichbaren Größe sein», so Hirsch.
Handwerker kommen bei Fürstenberg vor allem dann zum Einsatz, wenn millimetergenau und mit viel Gefühl gearbeitet werden muss. So werden Verzierungen an Vasen und Terrinen ebenso per Hand «garniert», also angebracht, wie die Henkel an Tassen und Kannen. Gleiches gilt für dekorative Plastiken, zum Beispiel die aus dem 18. Jahrhundert stammende «Kaffeegesellschaft», die aus 100 Einzelteilen zusammengefügt und anschließend bemalt werden muss.
Pinselstrich für Pinselstrich bringt Gerda Weißgerber in der Malereiwerkstatt Mund und Augen, Knöpfe und Schleifen auf. «Eine ruhige Hand, Talent und Liebe zur Malerei» nennt die gelernte Glas- und Keram-Malerin als Voraussetzung für ihren Beruf. Zusammen mit etwa einem halben Dutzend Kollegen verziert sie die edelsten Produkte der Manufaktur.
Eine wichtige Rolle spielt die Malereiwerkstatt für die Erfüllung individueller Kundenwünsche. «Ob Sie Ihr Pferd, Ihren Hund oder eine Figur vor historischem Hintergrund haben wollen - wir machen alles», sagt Hirsch. Sonderwünsche sind aber nicht nur im Bezug auf die Bemalung möglich, auf Nachfrage werden auch ganz neue Dinge entwickelt. Zum Beispiel lieferte die Manufaktur für das vor kurzem ereröffnete «Kempinski Grand Hotel Heiligendamm» an der Ostsee insgesamt 52 000 Geschirrteile. Dafür wurden auch neue Gourmetteller entworfen, die das vom Hotel ausgewählte, aus dem 18. Jahrhundert stammende Geschirr bislang nicht umfasste.
Traditionelle Designs machen einen großen Anteil der Fürstenberg-Produkte aus. «Seit der Gründung wird aus jeder Epoche - angefangen beim Rokoko - eine Stilform beibehalten», erklärt Hirsch. Diese würden laufend weiterentwickelt, etwa durch neue Teile ergänzt. Zudem werden jedes Jahr neue, moderne Designs in das Programm aufgenommen. Für diese wird überwiegend frei mit Designern zusammengearbeitet, beispielsweise mit Mikaela Dörfel für das Service «Central Park» oder mit Kap-Sun Hwang, der das asiatisch anmutende Schalenset «Qi» entwarf.
Einen Überblick über die verschiedenen Schaffensperioden vermittelt das Manufaktur-eigene Museum im Schloss Fürstenberg. «Ursprünglich war das Gebäude ein Jagdschloß von Herzog Carl I. von Braunschweig», erzählt Thomas Krueger, Leiter des Museums. Bis zum Jahre 1968 wurde das Porzellan direkt im Schloss gefertigt, bis ein Brand und Platzmangel die Manufaktur zur Umsiedlung in benachbarte Gebäude zwangen.
Neben Wertvollem und Kuriosem aus dem 17. und 18. Jahrhundert wie kunstvoll verzierten Nachttöpfen oder einer «Barttasse für den Herren» aus der Kaiser-Wilhelm-Zeit, sind in den Ausstellungsräumen auch moderne Klassiker zu sehen. Dazu zählt das Speiseservice «Form 639», das der Bauhaus-Designer Wilhelm Wagenfeld 1934 gestaltete. In Porzellan-Malkursen können Hobbykünstler außerdem regelmäßig selbst in die Fußstapfen der Profis treten.
Informationen: Porzellanmanufaktur Fürstenberg, Meinbrexener Straße 2, 37699 Fürstenberg/Weser (Tel.: 05271/40 10, Fax: 05271/40 11 00). Das Museum ist von November bis April nur am Wochenende von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. In der Hauptsaison von Anfang April bis November kann es täglich außer montags von 10.00 bis 17.00 Uhr besichtigt werden. Der Eintritt beträgt für Erwachsene 3,50 Euro.
