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Männer Männer: Grauhaarig in die Disco?

Von Frank Rumpf 10.02.2006, 11:47

Bonn/Nürnberg/Hamburg/dpa. - Altern ist jüngst ein vieldiskutiertes Thema. Aber ist es auch schon eines für einen Mann, der eben seinen 50. Geburtstag gefeiert hat? «Auf jeden Fall», meinenAltersforscher. Sie verweisen auf die vielen Möglichkeiten, die sichMännern über 50 heute bieten, aber auch auf die Beschränkungen.

«Männer haben es einerseits gut» sagt der Psychologe UweKleinemas, Geschäftsführer des Zentrums für Alternskulturen in Bonn.«Bauch und Glatze, also äußere Zeichen des Älterwerdens, berühren sienoch immer weniger als vergleichbare Veränderungen Frauen.» Andererseits aber bezögen viele Männer ihr Selbstbild fast nur ausder beruflichen Welt.

Wenn das Ausscheiden aus dem Betrieb droht, wird es höchste Zeitzu überlegen, woraus fortan der Inhalt des Lebens geschöpft werdensoll. «In dem Alter stellen sich zudem oft fundamentale privateÄnderungen ein», fügt Andreas Reindl hinzu, Inhaber der Agentur fürGenerationen-Marketing in Nürnberg. Die Kinder sind flügge geworden,das Reihenhaus ist bezahlt, die Scheidungsraten steigen wieder.«Denken Sie rechtzeitig über sich und Ihr Leben nach», rät Reindl.

Das ist gar nicht so einfach. «Es fehlt allein schon an gutenEtiketten für diesen Lebensabschnitt», sagt Elisabeth Niejahr,Autorin des Buches «Alt sind nur die anderen». Zwar legen sich dieMarketingexperten der Industrie für die kaufkräftigen 50- und60-Jährigen mit Wortschöpfungen mächtig ins Zeug: «Golden Oldies,«Best Agers» oder «Generation 50 plus» klingen jedoch allzukünstlich, Niejahr findet sie eher peinlich als hilfreich.

Fehlt es an Etiketten, helfen Vorbilder bei der männlichenOrientierungssuche mit Anfang 50. Psychologe Kleinemas denkt an denImpresario der deutschen Popkultur, Dieter Bohlen, ebenfalls über 50:«Mitten im Leben zu stehen, darum geht es doch.» Bohlen verkörperedas mit seiner Vitalität und seinen Erfolgen gut.

Niejahr fällt ein anderer Typus ein: der neue AußenministerFrank-Walter Steinmeier oder der Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, einpassionierten Marathonläufer. Niejahr findet es positiv, wenn sichweißhaarige 50-Jährige wie Steinmeier nicht jünger geben als siesind, aber auch nicht versuchen, ein schon in Ruhe verhafteter elderstatesman zu werden.

Die Suche nach Vorbildern zeigt aber auch, dass die große Gruppeder «jungen Alten» sehr unterschiedliche Mitglieder hat. Nicht jederkann sich im Rentenalter Kreuzfahrten und aufwändige Hobbys erlauben.Ebenso verhält es sich nach Ansicht von Kleinemas mit der«vielgerühmten Erfahrung» älterer Menschen: «Gibt man ihnen wirklichdie Möglichkeit, dieses Potenzial einzubringen?»

Das Geburtsjahr, das unbeeinflussbare «chronologische Alter», wirdjedenfalls immer weniger bedeutsam. «Ob jemand 45, 55 oder 65 Jahrealt ist, wird zweitrangig, statt dessen wird es um Herkunft, Bildung,Kaufkraft und Gesundheit gehen», prognostiziert Niejahr. Darausfolgt, dass wohl jeder für sich selbst entscheiden muss, was für ihnzu welchem Zeitpunkt würdevolles Altern bedeutet.

Ist es peinlich, wenn der 50-jährige Vater in die Disko geht? Istes tollkühn, wenn sich der betagte Ex-Präsident George Bush seniorzum Geburtstag einen Falschschirmsprung wünscht? «Ein Mensch ist erstdann frei zu tun, woran ihm am meisten gelegen ist, wenn er weiß, waser kann und, vor allem, was er nicht kann», so der Publizist HermannSchreiber. «Die Freiheit des Alters ist auch eine Frucht derFähigkeit, sich zu bescheiden. Sich zu bescheiden mit dem, waswirklich wichtig ist.»

Literatur: Pat Thane (Hrsg.), Das Alter - eine Kulturgeschichte,Primus, ISBN: 3-89678-270-3, 39,90 Euro; Elisabeth Niejahr: Alt sindnur die anderen, Fischer Taschenbuch, ISBN: 3-59615-941-5, 8,95 Euro.