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Lebensmittel Lebensmittel: Wirrwarr um Herkunft

Von KERSTIN METZE 14.11.2010, 12:48

Halle (Saale)/MZ. - MZ-Leser Ulrich Bloch aus dem Harz hat im Supermarkt immer wieder Grund, sich zu ärgern. Eigentlich möchte er mit dem Kauf deutscher Produkte die einheimischen Hersteller fördern und greift deshalb gern nach Sangerhäuser Käse oder Hering von der deutschen Küste. Enttäuscht hat Bloch aber festgestellt, dass der Käse in Wirklichkeit aus Ungarn und Holland kommt und der Fisch aus Polen. "Ich halte das für Irreführung der Konsumenten", meint der MZ-Leser. Bestenfalls erkenne man den Schwindel auf der Verpackung in dem kleinen Herkunftsoval. Aber auch das fehle meistens.

"In der Tat haben es Verbraucher oft schwer, die Herkunft von Lebensmitteln zu erkennen", sagt Christa Bergmann, Leiterin des Referates Lebensmittel / Ernährung bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Verbindliche Herstellerangaben sind in der Europäischen Union nur in Einzelfällen vorgeschrieben. Für die allermeisten Lebensmittel gilt der Grundsatz, dass entweder der Hersteller oder der Verpacker oder der Verkäufer angegeben werden muss. Die Herkunft bleibt dann oft im Dunkeln. So findet man zunehmend Handelsmarken, bei denen mit dem Hinweis "Hergestellt für..." lediglich auf die Handelskette Bezug genommen wird. Ist lediglich der Vertreiber angegeben, kann man damit rechnen, dass das entsprechende Lebensmittel im Ausland produziert wurde.

Verwirrung stiften häufig auch Produktbezeichnungen wie "Berliner", die nicht unbedingt aus Berlin kommen müssen, und die österreichische Hauptstadt hat die "Wiener" nicht für sich gepachtet. Hier handelt es sich um Gattungsbezeichnungen. Als Gattungsbezeichnung gilt der Name eines Erzeugnisses, der sich zwar auf den Ort oder die Gegend bezieht, wo das betreffende Erzeugnis ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, der jedoch zur allgemein üblichen Bezeichnung für das Erzeugnis geworden ist und nichts mehr über die Herkunft aussagt.

Anders verhält es sich bei Lebensmitteln, die einen Hinweis mit der Abkürzung "g.g.A.", "g.U." oder "gtS" tragen. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Produktbezeichnung von der EU-Kommission geschützt wurde. Beispielsweise Spreewälder Gurken, Nürnberger Lebkuchen, Lübecker Marzipan oder Aachener Printen sind mit "'g.g.A." gekennzeichnet. "Das heißt mit 'geschützter geographischer Angabe'", erklärt Verbraucherschützerin Bergmann. Diese Produkte haben mindestens eine der Produktionsstufen - also Erzeugung, Verarbeitung oder Herstellung - im namensgebenden Herkunftsland durchlaufen.

Bevor ein Hersteller seine Süßwaren als Lübecker Marzipan verkaufen darf, muss nach europäischem Lebensmittelrecht eine Erlaubnis in Brüssel beantragt und eingetragen werden. Welche Produktbezeichnungen in die "g.g.A."-Liste aufgenommen werden, entscheidet die Europäische Kommission auf Antrag der Mitgliedstaaten. Erst im Jahr 2003 hatte beispielsweise das jahrelange Ringen um die Eintragung von Thüringer Wurst in das EU-Verzeichnis der geschützten Herkunftsangaben Erfolg. Bei Salzwedeler Baumkuchen läuft zurzeit ein Antrag, die Hal- berstädter Würstchen sind jüngst als "g.g.A" registriert worden.

Da es bei "g.g.A." ausreicht, wenn das Lebensmittel in der betreffenden Region entweder erzeugt, verarbeitet oder hergestellt wurde, kann beispielsweise der Lübecker Fabrikant die Rohstoffe für sein Marzipan importieren, die Herstellung allerdings erfolgt ausschließlich in Lübeck nach einem genau definierten Rezept, erläutert Bergmann. Das Endprodukt darf als "Lübecker Marzipan" verkauft werden.

Eindeutiger, weil strenger, sind die Auflagen für Lebensmittel mit "geschützter Ursprungsbezeichnung", die das Kürzel "g.U." tragen. Hier muss das entsprechende Produkt im betreffenden Gebiet erzeugt, hergestellt und verarbeitet worden sein, also alle drei Kriterien erfüllen. Dies ist zum Beispiel bei Altenburger Ziegenkäse, Allgäuer Emmentaler, Pyrmonter Mineralwasser oder Parmigiano Reggiano, dem italienischen Parmesan, der Fall.

Daneben gibt es seit 1992 noch die Bezeichnung "garantiert traditionelle Spezialität" (gtS). Geschützt werden damit Namen für traditionelle Produkte mit besonderen Merkmalen, wobei die Namen selbst besonders sein müssen, zum Beispiel "Mozzarella". Das Produkt muss entweder aus traditionellen Rohstoffen hergestellt worden sein oder eine traditionelle Zusammensetzung beziehungsweise ein solches Herstellungsverfahren aufweisen. In der Kennzeichnungsliste der Europäischen Kommission finden sich bislang keine deutschen Lebensmittel mit "gtS".

Mit "g.g.A." oder "g.U." sind zurzeit etwa 75 Produkte aus Deutschland erfasst; EU-weit sind es mehr als 970 Produkte. Die entsprechenden Logos gibt es jeweils in der entsprechenden Landessprache und in unterschiedlichen Farben.