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«Landhaus Hadrys» in Magdeburg «Landhaus Hadrys» in Magdeburg: Gutbürgerlich für Gourmets

Von ANTONIE STÄDTER 27.05.2011, 18:15

Halle (Saale)/MZ. - Dieser Frauenabend beginnt prächtig. Die dunklen Wolken am Himmel haben sich verzogen, im Landhaus Hadrys ist ein Platz nach Wahl im Restaurant oder auf der Terrasse reserviert und der Kellner macht ein Aperitif-Angebot, das nach Sommer klingt - und dann auch so schmeckt: Prosecco mit Holunder. Natürlich fiel die Wahl, wie bei fast allen Gästen an diesem lauen Freitagabend, auf die Terrasse. Das lecker-erfrischende Getränk (4,50 Euro), bei dem wir auch bleiben werden, perlt feiner als in anderen Lokalen im Mund, und der Blick wandert nach oben: Ein imposanter Ginkgo-Baum wächst auf der Wiese vor den Tischen. Sowieso herrscht hier, im Magdeburger Stadtteil Ottersleben, eher dörfliches Flair. Nur die am frühen Abend noch recht viel befahrene Hauptstraße vor dem Landhaus erinnert daran, dass wir uns am Rand der Großstadt befinden.

Während wir uns noch fragen, ob wohl auch Männern Prosecco als Appetitmacher angeboten werden würde (was sich später klärt), beginnt das äußerst angenehme Kartenstudium: Die Speisen - alle ganz klassisch aus deutscher und französischer Küche - sind in harmonische Menüs aus drei oder vier Gängen zusammengestellt, aber stets auch einzeln wählbar. Viele Gerichte sind regional geprägt, zum Beispiel das Bördeländer Menü (23,40 Euro) aus Apfel-Senfschaumsuppe mit gebackenen Eisbeinpralinen, geschmortem Spanferkelbäckchen auf Perlgraupen und Petersilienwurzelgemüse sowie einem Apfel-Dessert.

Kellner mit Humor

Neben der Spargelkarte lockt auch das besondere, aus acht Gängen bestehende Amuse-Bouche-Menü für 49 Euro mit Häppchen wie Rinder-Carpaccio, Wallerfilet oder Ziegenkäse auf Tomatenkompott. Zwar gibt das im besten Sinne gutbürgerlich aufgestellte Landhaus seinen Gästen mit Speisekarten im Internet die angenehme Möglichkeit, bereits zu Hause zu schauen. Trotzdem dauert die Entscheidung länger als sonst - was den Kellner jedoch überhaupt nicht aus der Ruhe bringt. Genauso wenig übrigens wie einige Tauschvorhaben in Sachen Menüs, die mit jeweils drei Gängen 31 Euro beziehungsweise 35 Euro kosten. "Hauptsache, Sie wissen nachher noch, was sie wollten", lacht er.

Das wissen wir: Unsere persönlichen Menüs beginnen auf der einen Tischseite mit einem Gartenkressesüppchen mit Räucherlachs, auf der anderen wird mit Kräutern marinierter Tafelspitz mit Frühlingssalaten und frischem Meerrettich stehen. Der Kellner benötigt später selbstverständlich bei keinem der Gänge irgendeine Gedankenstütze - auch ohne bei dem Hin und Her der Entscheidungen mitgeschrieben zu haben. So möchte man das: Ohne Wimpernzucken wird auf die Wünsche der Gäste eingegangen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, besonders in Häusern dieser Klasse - aber längst nicht überall Realität.

Schon der Gruß aus der Landhausküche macht Lust auf mehr. Und erneut klar, dass es sich hier um ein Top-Restaurant handelt - mit 14 Punkten im "Gault Millau", wo es über das Haus heißt: ". . . anspruchsvolle Küche zu fairen Preisen - und mit den am schönsten angerichteten Tellern in Magdeburg". Mit gerösteten Nüssen umhüllte Frischkäsebällchen zur kalten Kartoffelsuppe mit Kresse und einer zarten Scheibe gebutterten Röstbrots sprechen alle Geschmacksknospen an. Rustikal, aber originell sind die Schieferplatten, auf denen die Teller serviert werden.

Auf die erstaunlich groß ausfallenden Vorspeisen, die beide in ihrer gelungenen Kombination der Aromen wohlschmeckend, aber nicht beispiellos sind, folgt eine Steigerung auf nicht oft erlebte Höhen: Ein derart butterweiches Rinderfilet, auf den Punkt so gegart wie gewünscht, zu Spitzkohl, süßen Tomaten und Polenta als Schaum wäre stets wieder das Essen der Wahl. Auch das köstlich-zarte Steinbuttfilet auf grünem Spargel mit einer Sauce Bernaise beweist, dass es in einem noblen Restaurant wie diesem nicht immer mit Mini-Portionen zugehen muss. Etwas anderes würde zum Landhaus-Stil auch gar nicht passen. Schon vor den Desserts sind wir angenehm gesättigt. Die müssen natürlich trotzdem noch sein.

"Wir sind keine Künstler. Wir sind Handwerker", lautet die Philosophie des erst 34-jährigen Küchenchefs Sebastian Hadrys, dessen Anspruch eine "ehrliche Küche" ist, wie er betont. "Bloß keine Effekthascherei." Das Landhaus hat er gemeinsam mit seiner Frau aufgebaut und vor acht Jahren eröffnet. Nach Stationen bei Spitzenköchen in Hamburg und Brandenburg gingen die beiden zurück nach Magdeburg. "Ich bin sehr heimatverbunden, wollte wieder nach Hause", erzählt Sebastian Hadrys, dessen Vater ein Café im Stadtteil Sudenburg führt. Bei ihm hat er seine Ausbildung gemacht.

Das Küchenmeister-Paar fand das passende Domizil für sein Landhaus in einem Gebäude, das damals mehr als zehn Jahre leergestanden hatte. Heute erinnert ein etwas versteckt angelegter Spielbereich auf der Wiese vor der Terrasse an dessen Geschichte: Seit Ende der 1950er Jahre war hier über mehr als drei Jahrzehnte ein Kindergarten untergebracht. Und junge Menschen sind auch heute noch gern gesehen hier - was sich in charmanten Details bemerkbar macht. Am Nebentisch etwa sitzt eine Familie, zu der auch ein Mädchen im besten Teenie-Alter gehört. Auf ihrem Teller stapelt sich in eindrucksvoller Weise, was gar nicht auf der Karte steht: eine Riesenportion Pommes frites.

Vier Sorten Crème brûlée

Derweil bekommen wir unsere köstlich mit gezuckerten Beeren dekorierten Desserts, und damit auch zwei Überraschungen aufgetischt. Erstens: ein kleiner Schnitzer beim Kellner. Er versäumt zu erklären, um welche Sorten französischen Rohmilchkäse es sich auf der bestellten Platte handelt. Trotzdem sind sie ein Genuss. Zweitens: Die Crème-brûlée-Auswahl besteht aus vier Sorten! Sie alle (Espresso, Vanille, Banane, weiße Schokolade) schmecken mit ihrer zarten Karamellkruste wunderbar, besonders zu empfehlen ist die kreative Espresso-Variante. Nicht weniger erstaunlich ist, was Sebastian Hadrys später über die Aperitifs verrät: Den Herren wird an Stelle unseres tollen Prosecco-Getränks in den warmen Monaten Bier in 0,1er-Größe angeboten. "Das kommt total genial an", erzählt er.

Seit vorigem Jahr gehört er - als erster in Sachsen-Anhalt - zum erlesenen Kreis der Jeunes Restaurateurs d'Europe, einer Vereinigung junger Spitzenköche. Das ist ein Umstand, der ihm noch immer ein Gänsehaut-Gefühl bereitet, wie er erzählt: "Das war wie ein Ritterschlag und macht mich unheimlich stolz." Als er 1995 mit der Lehre angefangen hat, sagt er, hätte er von solch einem Erfolg nicht zu Träumen gewagt.

Landhaus Hadrys

39116 Magdeburg, An der HalberstädterChaussee 1
Telefon: 0391-6626680
E-mail: [email protected]

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag12 bis 15.30 Uhr und ab 18 Uhr; um telefonischeAnmeldung wird gebeten

14 Punkte im aktuellen Gault Millau

Hauptgericht ab 12,50 Euro bis 23 Euro, offene Weine ab 4,10 Euro, Wein im Schnitt25 Euro, teuerste Flasche 48 Euro