Kult Kult: Kleine Kulturgeschichte des Gartenzwergs
Gräfenroda/Basel/dpa. - Fans suchen bei Trödlern oder im Internet nach seltenen Exemplaren.
Und auch rund 130 Jahre nach der Erschaffung des ersten Gartenzwergs erscheinen regelmäßig neue Modelle. Als Heimat der Gesellen gilt der Ort Gräfenroda in Thüringen. Dort stellt sie Reinhard Griebel, Urenkel des mutmaßlichen Gartenzwerg-Vaters Philipp Griebel, weiter von Hand her. Für ihn gibt es nur einen wahren Werkstoff für so genannte beseelte Zwerge: Terrakotta. Wenn viele der Männchen eine Hacke tragen, verweist das auf ihre Ursprünge. «Sie waren Nachbildungen der Bergmänner in der Region», so Griebel. Diese waren meist recht klein, und daher wurden ihnen Denkmäler in Form von Zwergen gesetzt.
Weitere Vorbilder waren Zwergenstatuen in Schlossgärten, so Fritz Friedmann aus Basel. Er ist selbst ernannter Professor der Nanologie, jener Wissenschaft, die zwinkernden Auges das Phänomen Gartenzwerg erforscht. Käufer der ersten Exemplare waren meist Großbürger. «Für Normalbürger waren sie nicht erschwinglich», weiß Etta Bengen aus Oldenburg, Autorin eines Gartenzwerg-Buchs.
Populär wurden die Rotmützen nach dem Zweiten Weltkrieg. «Da wurden sie schon maschinell hergestellt», sagt Bengen. Seit damals gelten sie auch als spießig. «Die Menschen wollten nach dem Krieg etwas Heimeliges haben.» Doch die heile Welt ist vorbei: Vor Jahren verklagte ein Hamburger einen Nachbarn, der im gemeinsamen Vorgarten Wichtel platziert hatte. Das Oberlandesgericht gab dem Kläger Recht. Gartenzwerge in einer Gemeinschaftsanlage beeinträchtigten deren optischen Gesamteindruck, so die Richter (Az.: 2 W 7/87).
Daraufhin entstanden laut Bengen «Nachbars Opfer», ein Zwerg mit Messer im Rücken, und Exemplare, die den Hintern zeigen. Dass dies zur Erhitzung der Gemüter beitrug, ist klar. In einem anderen Urteil siegten die Zwergen-Freunde: Das Landgericht Hildesheim entschied, wer sich über einen ehrverletzenden Wichtel ereifere, müsse sofort dessen Entfernung verlangen. Hat er ihn zunächst geduldet, könne er dies nicht mehr erzwingen (Az.: 7 S 364/99).
Die Internationale Vereinigung zum Schutz der Gartenzwerge, der Friedmann vorsteht, sieht derlei ebenso gelassen wie die Konkurrenz durch billigere Produkte aus dem In- und Ausland. Auch Griebel kämpft nicht verzweifelt gegen Massenprodukte an: «Denen können wir kein Paroli bieten, aber wir schließen eine individuelle Lücke.» Damit meint er speziell für bestimmte Auftraggeber angefertigte Serien.
Am gefragtesten sind nach Bengens Einschätzung die Klassiker. Dennoch kommen immer neue Variationen auf den Markt. Die günstigsten sind etwa beim Hersteller 100% Zwergen-Power aus Otterberg bei Kaiserslautern für rund 10 Euro zu haben. «Unser größter Zwerg kostet 220 bis 240 Euro, den können Sie aber auch 20 Jahre lang draußen stehen lassen», sagt Geschäftsführer Andreas Klein. Weniger robuste Terrakotta-Exemplare sollten dagegen im Haus überwintern.
Dort kann ihnen nicht das Schicksal widerfahren, das manchen Gartenzwerg trifft: gestohlen zu werden. Immerhin sind Freunde der Wichtel in Deutschland nicht so schlimm dran wie in Frankreich. Denn dort treibt laut Klein eine «Gartenzwerge-Befreiungsfront» ihr Unwesen und lässt Zwerge mitgehen: «Da gab es sogar schon Lösegeldübergaben.»