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Kritik am "Elterntaxi" Kritik am Elterntaxi: Warum Kinder besser zu Fuß zur Schule laufen sollten

Von Tom Nebe und Jessica Quick 12.08.2019, 08:19
Eltern sollten den Schulweg mit ihren Abc-Schützen vor Beginn der Schule üben. Dabei empfiehlt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, nicht von dem einmal festgelegten Weg abzuweichen.
Eltern sollten den Schulweg mit ihren Abc-Schützen vor Beginn der Schule üben. Dabei empfiehlt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, nicht von dem einmal festgelegten Weg abzuweichen.  dpa

Halle (Saale) - Ab in die Schule! Aber wie? Wenn am Donnerstag in Sachsen-Anhalt die Schule beginnt, stehen nicht nur die Eltern von Schulanfängern vor dieser Frage. Wie weit kann das Kind zu Fuß gehen, und ab wann darf es mit dem Fahrrad zum Unterricht fahren? Was kann ich meinem Kind zutrauen? Antworten auf wichtige Fragen rund um den Schulweg:

Sollten Eltern von Abc-Schützen den Weg vorher ablaufen?

Auf jeden Fall. Eltern sollten sich dafür Zeit nehmen und Geduld haben. „Mit ein oder zwei Mal abgehen ist es nicht getan“, sagt Andreas Bergmeier vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR). Wichtig ist: Mit dem Kind einen Weg festlegen und nicht davon abweichen. Also nicht an einem Tag auf der einen Straßenseite laufen und am nächsten Tag auf der anderen. Zudem geht bei der Streckenwahl Sicherheit klar vor Kürze. Das Kind muss zum Beispiel Straßen sicher queren können.

Was ist bei Schulanfängern noch zu beachten?

Der Nachwuchs sollte den künftigen Schulweg nicht nur in der Lernsituation erleben, sondern auch im Alltag. Es bietet sich an, Teile der Strecke etwa in tägliche Wege wie zum Supermarkt oder zum Spielplatz einzubauen, erklärt Bergmeier. Wenn das Kind dann alleine losgeht, sollten Eltern die ersten Male noch in einigem Abstand folgen, rät der ADAC. So siehen sie, ob es sich an das Erlernte hält.

Wie lang kann ein Grundschulkind laufen?

Das hängt vom Kind ab, aber auch vom Weg. Ist er einfach, führt durch Parks und entlang ruhiger Straßen, kann er länger sein, als wenn er über viele Kreuzungen führt, erläutert Bergmeier. Thekla Mayerhofer vom Grundschulverband Sachsen-Anhalt spricht von weiteren Faktoren: „Der Charakter des Kindes, gibt es große Geschwister, die unterstützen ... Eltern müssen einschätzen können, was sie ihrem Kind zutrauen“, so die Vorstandsvorsitzende.

Viele Eltern würden auch ein Stück gemeinsam mit dem Kind laufen und sich auf dem Weg zur Schule trennen. Das Deutsche Kinderhilfswerk und der Verkehrsclub Deutschland empfehlen zudem Laufgemeinschaften zu bilden. Hierbei werden an unterschiedlichen Stellen auf dem Schulweg „Haltestellen“ vereinbart, an denen sich die Kinder aus der Nachbarschaft verabreden.

Von dort aus gehen sie gemeinsam zur Schule. Neben der Sicherheit hat das einen weiteren Vorteil: „Kinder, die zusammen mit Freunden den Schulweg zurücklegen, lernen, auf andere aufzupassen“, sagt Uwe Kamp vom Deutschen Kinderhilfswerk. Ihr soziales Verhalten werde gefördert und sie können auf dem Weg zur Schule Freundschaften pflegen oder schließen. „Man sollte seinem Kind etwas zutrauen und dann langsam die Distanzen erhöhen“, erklärt Thekla Mayerhofer.

Wann sind Kinder reif, allein mit Bus oder Bahn zu fahren?

Das hängt wieder vor allem vom Kind ab. „Ich würde hier immer in Richtung Mentalität argumentieren“, sagt Bergmeier. Ist das Kind eher ein Draufgänger oder vorsichtig und bereit, auch mal innezuhalten und sich in Ruhe zu orientieren? Altersvorgaben findet der Experte in dem Zusammenhang schwierig. „Kinder entwickeln sich unterschiedlich: Ein Kind ist mit sieben Jahren

schon relativ fit im Verkehr, das andere hinkt im gleichen Alter in diesem Bereich noch völlig hinterher.“

Prinzipiell würde er einem Grundschulkind zutrauen, drei Stationen mit dem Bus zur Schule zu fahren. Umsteigen dagegen hält er bereits für schwieriger. Und generell gilt auch hier: Üben ist wichtig.

Können wir nicht einfach mit dem Auto fahren?

Chaotische Zustände vor Schulen mit in zweiter Reihe geparkten Fahrzeugen und pöbelnden Eltern schaffen es immer mal wieder in die Nachrichten. Experten sehen das Kutschieren bis vor den Schuleingang nicht nur deshalb kritisch: „Im Grund verwehren sie ihren Kindern damit die Entwicklung von Verkehrskompetenz“, heißt es vom ADAC.

Der Vorschlag des Autoclubs: Wenn Kinder unbedingt in die Schule gefahren werden müssten, sollte man sie bereits 200 bis 300 Meter vorher aussteigen lassen. So gehen die Kleinen den letzten Teil der Strecke eigenständig. Für den verbleibenden Schulweg ist dann wichtig, dass er sicher ist und nicht etwa über eine viel befahrene Straße führt. Unter Umständen hat die Schule auch spezielle Elternhaltestellen eingerichtet. Das empfiehlt der ADAC.

Ab wann kann das Kind mit dem Rad zur Schule fahren?

Klar, mit dem Fahrrad geht es schneller als zu Fuß. Und: „Es gibt durchaus Schulwege, bei denen das möglich ist“, sagt Thekla Mayerhofer und verweist auf das unterschiedliche Verkehrsaufkommen in Stadt und Land sowie den Ausbau der Radwege. Aber auch hier sei entscheidend, ob Eltern ihrem Kind die Fahrt zutrauen. DVR-Experte Bergmeier sieht die Fahrradprüfung, die in vielen Schulen in der vierten Klasse stattfindet, als Richtschnur. Er hält es für richtig, dass viele Grundschulen ihren Schülern erst nach der bestandenen Prüfung erlauben, zur Schule zu radeln.

Mayerhofer hingegen findet diese Pauschalisierung schwierig. Ihr Kind fährt seit dem es zwei Jahre alt ist Fahrrad. Jeden Morgen radeln sie gemeinsam zur Schule. „Worauf wir in der Schule aber Wert legen: Kinder dürfen nur mit Helm zu Schule fahren“, sagt die Lehrerin. Zudem muss klar sein, ob es in der Schule eine Abstellmöglichkeit für Räder gibt, was aber in der Regel der Fall ist.

Bietet Überwachungstechnik für Kinder mehr Sicherheit?

Handy-Apps, Schulranzentracker oder Kinderuhren mit GPS - der Markt bietet Eltern mittlerweile zahlreiche Optionen an, ihre Kinder auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Was sagen Experten zu diesen Überwachungsmöglichkeiten? „Wenn überhaupt, bieten diese Dinge nur eine Scheinsicherheit“, meint Mayerhofer. In der Schule werde sie oft gefragt, ob ein Handy sinnvoll ist, damit sich die Kinder melden können, wenn sie sicher in der Schule angekommen sind.

„Ich verstehe, dass Eltern das nutzen möchten, aber was ist, wenn Kinder die Rückmeldung vergessen oder der Ranzen samt Tracker irgendwo abgestellt und vergessen wird? Dann machen sich Eltern unbegründet Sorgen und sind aufgewühlt“, so Mayerhofer. „Eltern können sich darauf verlassen, dass die Grundschule die Eltern hartnäckig kontaktiert, wenn Kinder fehlen.“ Man könne und müsse seinen Kindern und der Welt vertrauen, so die Pädagogin.

Fast die Hälfte aller Kinder wird gefahren

Kinder sollen in die Schule gehen. Beim Thema Schulweg ist das durchaus wörtlich gemeint. Denn das Kutschieren mit dem Auto bis vor den Eingang sehen Experten kritisch.

Laufen Kinder schon morgens zu Fuß zur Schule oder in den Kindergarten, wird gleichzeitig ihre Entwicklung gefördert, und zwar körperlich und geistig. Das sei wichtig für das Verhalten im Straßenverkehr, sagt Uwe Kamp vom Deutschen Kinderhilfswerk. Der Nachwuchs lerne dabei, sich selbstständig und sicher im Verkehr zu bewegen, so der Sprecher. Zudem seien aktive Kinder den Tag über entspannter und könnten sich besser konzentrieren.

Fast die Hälfte aller Grundschulkinder in Deutschland wird mit dem Auto zur Schule gefahren.

Laut der Studie „Mobilität in Deutschland“ aus dem Jahr 2017 sind es 43 Prozent. Nur rund ein Drittel der Kinder geht zu Fuß zur Schule, 13 Prozent kommen mit dem Fahrrad und zehn Prozent

mit dem Bus.

Das Deutsche Kinderhilfswerk und der ökologische Verkehrsclub VCD haben deswegen zum Schulbeginn in Sachsen-Anhalt die Aktionstage „Mitmachen und Elterntaxi stehen lassen!“ ins Leben gerufen. Vom 16. bis zum 27. September gibt es jede Menge Unterstützung für Eltern, Lehrkräfte und Erziehende.

Bis zum 31. August werden zudem einfallsreiche Projektideen gesucht, die im einem Wettbewerb prämiert werden.

Infos, Aktions- und Spielideen sowie konkreten Tipps unter www.zu-fuss-zur-schule.de

(mz/dpa)