Kohl und Mockturtle: Feines aus Bremen und Niedersachsen
Bremen/Hannover/dpa. - Die Seefahrt und das Leben auf dem Lande haben ihre Spuren auf den Speisekarten von Bremen und Niedersachsen hinterlassen. Als bodenständig, herzhaft und exotisch umschreiben Experten Gerichte aus den beiden norddeutschen Bundesländern.
Bremen ist zwar komplett von Niedersachsen umgeben. Trotzdem gibt es in der regionalen Küche beider Bundesländer Unterschiede. Das liegt vor allem daran, dass Bremen mit seinen Handelsleuten schon früh an exotische Gewürze kam. Doch auch in Niedersachsen gibt es je nach Region unterschiedliche Spezialitäten: Während bei den Ostfriesen ebenfalls viele Meerestiere auf dem Teller landen und Tee eine hohe Bedeutung hat, punkten andere Regionen wie die Heide oder das Emsland mit deftigeren Speisen.
«Grundsätzlich lässt sich für beide Regionalküchen sagen, dass sehr gute Grundzutaten ohne großen Zinnober zubereitet wurden», sagt die Kochbuchautorin Sabine Sälzer. Dazu gehören neben dem berühmten Grünkohl zum Beispiel wohlschmeckende Kartoffeln und hausgemachte Würstchen in verschiedenen Variationen, aber auch frisch gestochener Spargel und in Bremen sowie an der Nordseeküste frische Krabben und Meeresfrüchte. «Es ist eine bodenständige, herzhafte Küche, die mit besonderen Zutaten verfeinert wurde und so überraschend interessant und vielseitig ist.»
Dennoch gab und gibt es auch Unterschiede. «Bremen hat als Hansestadt andere Einflüsse gehabt als Regionen im Landesinneren», erläutert Sälzer. «Die Seefahrer brachten von ihren Reisen exotische Gewürze in die Stadt, weswegen zum Beispiel Curry schon früh verwendet wurde.» Dazu gehöre auch das Curry-Hähnchen, das bereits zu einer Zeit mit Currypulver verfeinert wurde, als es in Deutschland noch nicht allgemein verbreitet war.
Die Bremer Kaufleute sorgten außerdem für gehobene Küche. «Noch heute laden die Kaufleute regelmäßig zum sogenannten Schaffermahl ein», sagt Joachim Himmelskamp, Vorsitzender des Landesverbandes der Köche Nord in Bremen. Beim Schaffermahl soll es sich um das älteste Brudermahl der Welt handeln. In eleganter Umgebung werden den ausgewählten Gästen unter anderem Speisen wie Stockfisch, Grünkohl und Rigaer Butt serviert.
Doch in der Hansestadt gab es natürlich auch eine Kost unter anderem für die hart schuftenden Hafenarbeiter. «Der Bremer Grünkohl gehört traditionell dazu», erzählt Himmelskamp. Grünkohl an sich ist zwar nichts typisch Bremerisches, doch die Art der Zubereitung unterscheidet das Gericht von anderen Varianten: «Wir kochen den Bremer Braunkohl mit Schweineschmalz, Zwiebeln und den Herzblättern von der Grünkohlpflanze und Kasselerfond.»
Grünkohl ist auch bei den Niedersachsen beliebt, ergänzt Torsten Maletti vom Landesverband der Köche Niedersachsen in Hannover. Dazu werde beispielsweise Schweinebacke, Kassler oder Kohl- beziehungsweise Bregenwurst gegessen. Typisch nur für Niedersachsen sind dagegen Heidschnucken-Gerichte. «Das ist eine Schafsart, die keine grünen saftigen Wiesen braucht, sondern sich von Birkenkeimlingen ernährt und daher gut in die Lüneburger Heide passt», sagt Maletti. Ihre Ernährung verleihe dem Schnuckenfleisch einen typischen, wildbretartigen Geschmack. Für einen Heidschnuckenbraten beispielsweise werden Keulen geschmort, mit Wacholderbeeren und Lorbeerblättern gewürzt und mit Kartoffeln serviert.
Aus ähnlich feinen Grundzutaten besteht die Oldenburger Mockturtle-Suppe. «Auch in Oldenburg lebten früher schon wohlhabendere Bürger, die sich teurere Speisen leisten konnten», sagt Maletti. Dazu gehörte eine Schildkrötensuppe. «Doch als Napoleon dann eine Sperre verhängte, mussten die Oldenburger Fürsten und Bauernvögte auf diese Suppe verzichten.» Aber schon bald entwickelten findige Köche eine Nachahmung der Suppe: die Mockturtle. Statt Schildkröten kamen Kalbsherz, Kalbsschulter, kleine Bälle aus gemischtem Hackfleisch, Senf, Eier, Mehl und Brötchen hinein. «Noch heute kommt diese Suppe in vielen Oldenburger Familien auf den Tisch, wobei jede Familie ihr ureigenes Rezept hat, das sich in Nuancen unterscheidet.»
Etwas deftiger kommen die Bookweeten Janhinnerk - Buchweizen-Pfannkuchen aus dem Emsland - daher. In Niedersachsen wurde das Mehl laut Maletti häufig verwendet, da Buchweizen eher anspruchslos ist und auch auf ärmeren Torf- oder Heideböden gedeiht. «Das Buchweizenmehl schmeckt etwas nussiger als anderes Mehl», erklärt er. «Für die Pfannkuchen werden Mehl, Milch, Eier und Salz gemischt und gerösteter Speck untergemischt.» Serviert wurde das Ganze bei den Bauern mit Heidehonig oder Rübensirup als sättigende Hauptspeise.
Literatur:
Sälzer, Sabine/Ruschitzka, Gudrun: Die echte deutsche Küche: Kochen & Verwöhnen, GU, 279 Seiten, 25,00 Euro, ISBN-13 9783833820465
Details zur Ostfriesischen Teezeremonie
Oft machen mehr als zehn Teesorten eine echte Ostfriesenmischung aus. Hauptbestandteil ist in der Regel Assam. Zu einem richtigen Ostfriesentee gehört außerdem frische Teesahne. Sie wird nicht etwa untergerührt, sondern ganz vorsichtig mit einem extra Sahnelöffel auf den Tee «gelegt». Gesüßt wird mit einem Stück Kluntje-Kandis, das vor dem Eingießen in die Tasse kommt.