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Klostergärten als Vorbild für Kräuter- und Gemüseanbau

Von Helga Panten 11.03.2010, 09:14

Bonn/dpa. - Die meisten Klostergärten sind heute Rekonstruktionen. Einige wurden auf den Grundmauern der alten Gärten neu errichtet - etwa auf der Bodensee-Insel Reichenau. Andere sind an alte Klostergebäude angelehnt wie im hessischen Lorsch oder in Jericho an der Elbe.

Faszinierend wirken sie trotzdem: Sie erzählen von uraltem Pflanzenwissen und von Einflüssen auf unsere Gartenkultur, die bis heute nachwirken. Das älteste und vielleicht schönste Dokument über den klösterlichen Garten stammt aus dem 9. Jahrhundert von der Insel Reichenau. Abt Walafried Strabo erzählt in seinem Lehrgedicht «Hortulus» unter anderem von der Faszination, die von den Heilpflanzen ausgeht. Lilien beispielsweise wirken gegen Schlangengifte, helfen bei Quetschungen und Verrenkungen.

Aus der gleichen Zeit wie das Lehrgedicht stammt auch der Plan des Klosters St. Gallen, der heutiger Kenntnis zufolge nie ausgeführt wurde, sondern eher den Idealplan eines Klosters darstellte. Darin fällt die klare Form von Gemüse- und Kräutergarten auf. Saubere rechteckige Beete reihen sich aneinander. Meist sind sie ein wenig erhöht und eingefasst. Das erleichtert die Arbeit, denn Weg und Beet sind so klar unterschieden.

Noch heute wachsen Kohl und Salat, Zwiebeln und Sellerie in Bauern- und Gemüsegärten in den gleichen streng rechteckigen, etwas erhöhten Beeten. Die saubere Gliederung, die die Mönche für Gemüsegarten und Kräutergarten entwickelt hatten, war einfach praktisch. Bürger und Bauern schauten sie sich ab. Und sie holten auch die gleichen Pflanzen in ihre Gärten: Ringelblume und Kamille, Raute, Salbei und Minze, aber auch Arten, die wir heute eher den Zierpflanzen zurechnen wie Rose, Lilie und Schwertlilie. So entstand das bunte Bild, das wir mit dem Begriff «Bauerngarten» verbinden.

Klostergärten gehen auf die Benediktinermönche zurück, die nach dem Regelwerk des Benedikt von Nursia lebten und sich dem «ora et labora» - dem Beten und Arbeiten - verpflichteten. Die Klöster sollten autark leben und alles, was sie zum Leben brauchten, selbst produzieren. Obst und Gemüse gehörten dazu, aber auch die heilenden Kräuter, um kranken Mitmenschen das Leben zu erleichtern.

Die ersten Benediktinerklöster entstanden im 6. Jahrhundert in Italien, wo die Mönche relativ leichten Zugang zu den antiken Medizinal-Schriften wie denen des Aristoteles oder des Avicenna hatten. Sie lernten aus den alten Dokumenten und brachten ihr Wissen mit der Verbreitung der Klöster mit über die Alpen. Auch mediterrane Pflanzen wie Raute, Lavendel, Salbei, Rosmarin und Thymian ruhten in ihrem Gepäck. Sie fassten bald in den Bauerngärten Fuß.

Neben den alten Ratschlägen sammelten die Mönche eigene Erfahrungen und dokumentierten sie. Noch heute sind die Aufzeichnungen einer Hildegard von Bingen ein Quell des Wissens. «Ein Mensch der feurige Augen hat und Schmerzen, nehme Veilchensaft und zweimal so viel Rosensaft [0x2026] und salbe dies um die Augen», empfahl sie bei Augenentzündungen. Ihre Arbeit markierte aber auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Klostergärten.

Reformströmungen im 11. Jahrhundert forderten, dass die Klöster sich auf ihre geistliche Tätigkeit konzentrieren sollten. Das Konzil von Tours legte 1163 sogar ein medizinisches Ausbildungsverbot für Mönche fest. Nun waren es die weltlichen Chirurgen und Bader, die die Kenntnisse der Mönche weiter trugen. Die Zeit des Barock entdeckte die Klostergärten wieder und erweckte sie in verändertem Stil zu neuer Blüte. Mit der Säkularisierung kam der erneute Niedergang. Heute rücken Klostergärten wieder stärker ins Bewusstsein.

Zu den schönsten Klostergärten gehört die Rekonstruktion von Walafrid Strabos Klostergarten in Mittelzell auf der Insel Reichenau. Der Klostergarten Lorsch, 1981 als Garten nach Walafrid Strabo begonnen, wurde später als lebendiges Lorscher Arzneibuch erweitert. Ein weiterer Höhepunkt sind das Kloster Jericho in Elbe-Havel-Winkel sowie die ehemalige Benediktinerabtei Seligenstadt. Das Kloster Kamp in Niederrhein ist ein barocker Terrassengarten.