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Kinderwindeln werden immer dünner

Von Marc Strehler 25.08.2010, 07:16

Ludwigshafen/Schwalbach/dpa. - Dünn gewinnt: Kinderwindeln werden immer dünner und leichter. Das liegt nicht zuletzt an immer leistungsfähigeren Kunststoffen, die zum Einsatz kommen. Die Abhängigkeit vom Rohstoff Öl bleibt.

Es ist ein unscheinbares weißes Pulver, aber seine Wirkung ist durchschlagend. Übergießt man es mit Wasser, dann verwandelt das Pulver dieses innerhalb von 20 Sekunden in eine gelatineartige Masse. Man kann den Becher nun auf den Kopf stellen und nichts fällt heraus. Bei dem Pulver handelt es sich um einen sogenannten Superabsorber, der in Windeln den Urin aufsaugt und speichert. Der ist ein Grund dafür, dass Windeln immer dünner werden. Und die Entwicklung geht weiter: Trockene Kinderhintern sind nämlich ein wachsendes Geschäft, die Unternehmen tüfteln an Innovationen. In Deutschland werden jährlich etwa drei Milliarden Windeln verbraucht.

Im Windellabor des Ludwigshafener Chemiekonzerns BASF werden Windeln in sämtliche Einzelteile zerlegt und getestet: Wie viel und wie oft können sie Flüssigkeit aufnehmen und das noch dazu unter Druck? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die Forscher hier. Die BASF stellt Superabsorber her und hält hier weltweit nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 30 Prozent. «Ohne den Superabsorber funktioniert gar nichts in der Windel», sagt Carola Richter, die bei der BASF den Bereich Hygieneprodukte leitet.

Umso dünner die Windel, umso stärker muss der Absorber sein - so lautet die Faustregel. Und die Windeln werden immer dünner: Wog eine Windel in den 80er Jahren noch an die 100 Gramm, so sind es heute noch 35 Gramm. Der US-Windelhersteller Procter & Gamble («Pampers») will in diesen Tagen eine Windel auf den deutschen Markt bringen, die noch einmal 20 Prozent dünner sein soll als ihre Vorgängerin. Durch eine neuartige Technik beim Superabsorber kann in der Windel auf die bisher nötige Zellstoffschicht verzichtet werden - ohne, dass die Saugkraft leidet, wie eine Unternehmenssprecherin betont.

Von der dünneren Windel soll nicht nur das Kind profitieren, dem mehr Bewegungsfreiheit versprochen wird. Dünnere Windeln bedeuten weniger Umweltbelastung bei der Entsorgung und zum Beispiel auch niedrigere Transportkosten für die Unternehmen. Der Trend treibt deshalb alle Firmen um, die ihn der Windelbranche aktiv sind.

Das Frankenthaler Unternehmen RKW zum Beispiel stellt unter anderem Folien für die Außenseiten von Windeln her. «Mit weniger mehr erreichen» sei das Motto, sagt der Leiter Forschung und Entwicklung bei RKW, Achim Grefenstein. Die Folien etwa würden immer dünner, müssten aber gleichzeitig mindestens genauso belastbar sein. «Materialersparnis ist der Haupttreiber», sagt Grefenstein.

Unverzichtbarer Rohstoff für eine Wegwerfwindel ist nach wie vor Erdöl. Für die Herstellung der Kunststoffe etwa; aber auch für die zwölf Gramm Superabsorber, die in einer Windel stecken, braucht es fünf Gramm Erdöl, rechnet die BASF vor. Weil die Ölvorräte eines Tages verbraucht sein werden, sucht man bereits nach alternativen Rohstoffen. So gibt es Absorber auf Basis von Stärke, sie sind aber laut BASF noch nicht geeignet für den Einsatz in Windeln. RKW-Mann Grefenstein geht davon aus, dass der wichtige Kunststoff Polyethylen in Zukunft verstärkt aus Bioethanol gewonnen wird, statt aus Öl.

Fest steht: Der Bedarf an Windeln wird weltweit eher zu- als abnehmen. «Der Markt wächst noch», sagt BASF-Frau Richter. Als interessante Absatzregion gilt zum Beispiel China, wo Windeln noch nicht so weit verbreitet seien wie hierzulande. Dazu kommt die wachsende Zahl an älteren Menschen und die damit verbundene größere Nachfrage nach Inkontinenzprodukten - bereits heute gehen laut BASF 15 Prozent der Superabsorber in derartige Produkte.