Kinderlebensmittel sind verzichtbar
Bonn/Dortmund/dpa. - Kinderlebensmittel boomen seit Jahren. Der Joghurt mit «dem Plus an Kalzium», die Frühstücksflocken «mit wertvollen Cerealien» oder die Schokoschnitte «mit dem Extra-Schuss Milch» lassen Kinderherzen höher schlagen.
Doch sind diese Lebensmittel wirklich so gesund? «Ganz sicher nicht», urteilt Harald Seitz, Ernährungswissenschaftler vom aid-Infodienst in Bonn. «Es besteht überhaupt keine ernährungsphysiologische Notwendigkeit diese Produkte zu kaufen.»
Das Getreide frisch vom Feld, die Milch von glücklichen Kühen auf sommerlichen Alpen, dazu die wichtigsten A-, B- und C-Vitamine für Kinder, die noch groß und stark werden müssen: Alles nur Lug und Betrug? «Natürlich sind die wertvollen Bestandteile in den Produkten enthalten, doch meistens nur in sehr geringen Mengen», erklärt Antje Gahl, Diplom-Ökotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn.
Neben diesen homöopathischen Mengen seien die Hauptbestandteile der Kinderlebensmittel Fett und Zucker. Seitz gibt ein Beispiel: «Ein normaler Jogurt hat maximal 3,5 Prozent Fett. Kinderjoghurts werden für den besonders cremigen Geschmack mit Frischkäse aufgepeppt und erhalten so einen Gesamtfettanteil von 6 bis 9 Prozent.» Den Kindern schmeckt es - doch der hohe Anteil an künstlichen Aromen und Zucker gehe auf Kosten der natürlichen Geschmacksentwicklung, die bei Kindern noch nicht abgeschlossen ist.
So kann es passieren, dass Kinder, die nur die künstlichen Aromen von Erdbeeren im Joghurt kennen, die ungezuckerten, frischen Früchte nicht mehr mögen. Denn der Körper gewöhnt sich nicht nur an das Überaroma, sondern auch an die hohe Süße. Auch bei Produkten mit bestimmten Zusatzstoffen sollten Eltern vorsichtig sein: «Für viele Nährstoffe gibt es Grenzwerte, ab wann ihre Zufuhr auf Dauer ungesund ist», erklärt Ute Alexy vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund.
Da ein generelles Verbot die Attraktivität dieser Lebensmittel noch steigere, sollten Eltern sie in kleinen Mengen tolerieren, rät Alexy. Das Forschungsinstitut für Kinderernährung gibt folgende Empfehlung: Nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Zuckerzufuhr sollte aus Süßigkeiten, Knabberartikeln oder gesüßten Getränken stammen. «Das sind für vier- bis sechsjährige Kinder eine Kugel Eis und zwei Butterkekse oder 15 Chips oder sechs Esslöffel Flakes.»
Doch zur täglichen Süßigkeitenration zählt auch das Brot mit Nussnougat-Creme oder die drei Löffel Kakao in der Milch. «Auch unverdünnte Obstsäfte haben einen hohen Zuckergehalt», warnt Gahl. «Eltern sollten deshalb immer genau schauen, was ihr Kind im Lauf des Tages konsumiert», rät Seitz.
Um den Körper der Kleinen für die Zeit in Kindergarten und Schule fit zu machen, ist ein Mix aus Getreide, Obst oder Gemüse und einem Milchprodukt optimal. Für die Brotdose empfiehlt der Ernährungswissenschaftler: «Fragen Sie Ihr Kind, worauf es Lust hat und gestalten sie den Inhalt möglichst kindgerecht.» Am Montag eine Kiwi und ein Vollkornbrot mit Käse, am Dienstag ein Obstmüsli und eine Trinkmilch, am Mittwoch ein Apfel, ein Naturjoghurt und ein paar Cracker. «Die verschiedenen Kombinationen sorgen für Abwechslung, so essen die Kinder eher alles.»