Kindererziehung Kindererziehung: Kinderglück im Doppelpack

Köln/dpa. - Ob ein Paar Zwillinge bekommt, entscheidet sich am Beginn derSchwangerschaft: Bei eineiigen Zwillingen teilt sich eine befruchtete Eizelle, und zwei Embryonen mit demselben Erbgut entwickeln sich. Bei Zweieiigen werden zwei Eizellen befruchtet. Künstliche Befruchtungen führen öfter zu Zwillingsgeburten. Das ist eine Folge des Verfahrens, bei dem der Frau meist zwei befruchtete Eizellen eingesetzt werden.
Zwillinge großzuziehen, ist eine Herausforderung. «Das beginnt mit den Sorgen in der Schwangerschaft und setzt sich fort, wenn zwei Babys versorgt werden müssen», erzählt Monika von Gratkowski aus Kaufering in Bayern. Als Mutter von Zwillingen, Autorin und Herausgeberin der Zeitschrift «Zwillinge» ist sie Expertin.
Eltern kleiner Zwillingspaare stehen oft am Rand der Erschöpfung. «Jeder Gang aus dem Haus erfordert generalstabsmäßige Planung», wie von Gratkowski beschreibt. Für die Erziehung habe das auch Vorteile: Zwillingseltern könnten nicht so viel Aufhebens um die Kinder machen wie Eltern von Einlingen. «Sie erziehen zwangsläufig konsequenter undlassen sich weniger von ihrem Nachwuchs auf der Nase herumtanzen.»
Überall aufzufallen, kann für die Eltern zur Geduldsprobe werden. «Meine Zwillinge wurden als Kleinkinder immer angestarrt, bei jedem Spaziergang wurde ich mindestens dreimal angehalten», erzählt von Gratkowski. Meist seien es zwar freundliche Gespräche, aber auch Indiskretionen und Unverschämtheiten kämen vor. So kenne sie Mütter, die von Fremden gefragt wurden, ob ihre Zwillinge echt oder aus demReagenzglas seien. In solchen Fällen helfe nur ein dickes Fell.
Ein psychologisches Forschungsprojekt der Uni Braunschweig zeigt, dass es einen Unterschied macht, ob Zwillinge eineiig oder zweieiig sind: «Die Zweieiigen sind fast wie andere Geschwisterkinder, während Eineiige oft eine besondere Beziehung haben und mehr Zeit miteinander verbringen», erläutert Psychologin Meike Watzlawick. Als Kleinkinderbräuchten eineiige Zwillinge länger als andere Kinder, um sich selbst zu erkennen. «Wenn sie sich im Spiegel oder auf Fotos sehen, gehen sie zunächst davon aus, dass es der andere Zwilling ist». Generell verlaufe die Entwicklung bei Zwillingen aber nicht langsamer oder schwieriger als bei anderen Kindern.
Als Zwillingspaar aufzuwachsen, hat Vor- und Nachteile: «Sie sind nie allein, haben immer jemanden zum Spielen, wirken zu zweit oft überlegen und sind sich meist selbst genug», beschreibt Carmen Rosen, Psychologin und Zwillingsmutter aus Köln. Probleme kommen weniger von den Kindern selbst als aus ihrem Umfeld. Denn Außenstehende und auch Verwandte nähmen Zwillinge meist als Doppelpack wahr, beobachtet die Expertin. «Sie werden oft als austauschbar betrachtet und behandelt.»
Dieses Phänomen kennt auch Monika von Gratkowski: «Meine Zwillinge sind zweieiig und sahen sich nie ähnlich, aber trotzdem behaupteten einige Leute, sie nicht unterscheiden zu können.» Oft würden die Kinder nicht mit Namen angesprochen, sondern nur als «die Zwillinge» bezeichnet. «Für die Kinder ist das unangenehm, denn sie wollen als einzelne Menschen gesehen werden.» Ärgerlich sei auch die verbreitete Gewohnheit, Zwillingen nur ein gemeinsames Geschenk mitzubringen oderihre Leistungen ständig zu vergleichen.
Es tue den Kindern gut, Unterschiede zu betonen und dem Verhalten der Umgebung entgegen zu steuern, empfiehlt Carmen Rosen. Zu viel «Gleichmacherei» störe die Entwicklung einer eigenen Identität und Persönlichkeit. Deshalb sollten Eltern darauf achten, dass Zwillinge ihre unterschiedlichen Seiten entdecken und ausleben können.
«Es kann für die Kinder zum Beispiel entlastend sein, wenn sie in getrennte Klassen gehen, wo sie nicht dauernd miteinander verglichen werden», erläutert Rosen. Eigene Hobbys und ein eigener Freundeskreis seien wichtig für Zwillinge. Auch wenn die Kinder ihren Geburtstag getrennt feiern möchten, sollten Eltern das respektieren.
Auch Monika von Gratkowski rät, eher auf die Unterschiede als auf Gemeinsamkeiten zu achten. Gleiche Kleidung zum Beispiel sollte nach ihrer Meinung eine Ausnahme für besondere Gelegenheiten bleiben. «Die Kinder leiden ohnehin darunter, in einen Topf geworfen zu werden, und gleiche Kleidung fordert das heraus.» Vor allem Eineiige legen mit zunehmendem Alter oft großen Wert auf ihre Individualität und grenzen sich voneinander ab, erklärt Meike Watzlawick.
Eine große Sorge vieler Zwillingseltern sei die Frage derGerechtigkeit. Carmen Rosen rät jedoch, sich davon zu lösen. «Es ist ganz normal, dass hin und wieder ein Kind bevorzugt wird», sagt die Familienberaterin. «Das darf auch so sein und gleicht sich irgendwann von selbst wieder aus.»