Karneval Karneval: Wenn der Chef auf dem Tisch tanzt

Stuttgart/Berlin/dpa. - Und falls am oder rund um den Rosenmontag gemeinsam ein Fassaufgemacht werden soll, muss das zumindest abgestimmt und gut geplantwerden, damit sich Konflikte von Vorneherein vermeiden lassen.
«Karneval ist die Fünfte Jahreszeit», sagt die PsychologinHildegard Belardi aus Bergisch Gladbach. «Da gelten auch andereSpielregeln.» Doch was bei Umzügen und Partys okay ist, kann amArbeitsplatz zum Problem werden. «Wenn Mitarbeiter am Rosenmontag imBüro Sekt trinken, kann man schon mal ein Auge zudrücken», sagtWerner Schienle, Konfliktberater aus Stuttgart. «Wichtig ist, dasssich das in Grenzen hält.»
Eine Grenze ist eindeutig: die Arbeitsfähigkeit. Wer so feiernwill, dass er sich in dem Punkt nicht sicher ist, muss Rosenmontageben frei nehmen. «Grundsätzlich gelten dabei ähnliche Regeln wie beiGeburtstagsfeiern im Betrieb», sagt Martina Perreng, Expertin fürArbeitsrecht beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin. ImZweifelsfall sollte der Arbeitgeber gefragt werden. Aber alles, wasden betriebsüblichen Rahmen nicht sprengt, ist auch im Karneval okay.
Diejenigen, die Karneval eher distanziert gegenüber stehen, sindam Rosenmontag auch im Büro unter Umständen von Narren umzingelt:«Man kann dann schon sagen, dass man bei der Arbeit nicht gestörtwerden will und eventuell noch etwas Wichtiges zu erledigen hat»,sagt Hildegard Belardi. Wer sich so verhält, muss allerdings damitleben, bei anderen als Spielverderber zu gelten. «Man kann aber aucheinfach versuchen, über seinen Schatten zu springen und mitzufeiern»,empfiehlt die Expertin.
«Wenn es einem nicht gefällt, kann man im Jahr danach umsoüberzeugender Nein sagen.» Aber die Psychologin hat auch schon ganzandere Erfahrungen gemacht: «Manchen hat es hinterher richtig Spaßgemacht.» Und ganz generell rät Belardi zu Gelassenheit: Karneval seiauch eine Lehrstunde für Toleranz - Karnevalsfans und Karnevalshassersollten den jeweils anderen ihre Einstellung nicht übel nehmen.
Einen Anspruch auf Karnevalsstimmung am Arbeitsplatz gibt esnicht: «Karneval ist Privatsache», sagt Martina Perreng. «DerArbeitgeber kann zulassen, dass jemand Rosenmontag im Kostüm kommt -er kann es aber auch verbieten.» Das gleiche gilt fürWeiberfastnacht: Wenn der Arbeitgeber untersagt, dass im BetriebKrawatten abgeschnitten werden, dann darf er das auch.
Zumindest an Main und Rhein haben viele Arbeitnehmer an den tollenTagen sowieso frei. «Mit den meisten Arbeitgebern dort sollte sichdas regeln lassen», sagt Schienle. «Wer für Karneval Urlaub nehmenwill, sollte das aber rechtzeitig planen.» Das gilt vor allem dann,wenn nicht alle, die gerne feiern würden, auch frei bekommen können.In solchen Fällen findet Schienle es am fairsten, strikt nach derReihenfolge vorzugehen: Wer sich zuerst meldet, bekommt auch frei.
Noch etwas anders ist die Sachlage, wenn im Betrieb ganz offiziellKarneval gefeiert wird oder zumindest die Kollegen einzelnerAbteilungen abends eine Party steigen lassen. Betriebsfeiern habenimmer ihre eigenen Spielregeln und ihre eigene Dynamik. «Im Karnevalgilt das noch viel mehr», sagt Schienle. Faschingsfeiern bieten dieMöglichkeit, in ein Kostüm zu schlüpfen und für kurze Zeit einanderer zu sein.
Die graue Maus aus der Personalverwaltung kann dann als Sexbombeauftreten, der schüchterne Hausmeister den Zorro geben. Aber das istkein Grund, über die Stränge zu schlagen: «Im Karneval wird zwar mehrtoleriert als sonst», sagt der Konfliktberater. «Aber wer deutlichmehr trinkt als gut ist und sich dann daneben benimmt, fällt seinemVorgesetzten garantiert nicht positiv auf.»
Auch Vorgesetzte selbst sollten im Zweifelsfall Zurückhaltung übenund der Versuchung widerstehen, auf dem Tisch zu tanzen. Die Chancen,damit die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, stehen zwar nichtschlecht. Gut für den Ruf ist es aber auf keinen Fall. Und die Zahlder Kollegen, die Trinkfestigkeit und Feierlaune für unverzichtbareSoft Skills von Führungskräften halten, ist rückläufig.
Dass feuchtfröhliche Faschingsfeiern oder Streit zwischeneingefleischten Karnevalisten und ihren Gegnern zu langfristigenKonflikten im Betrieb führen, ist wenig wahrscheinlich. Schließlichheißt es nicht umsonst «Am Aschermittwoch ist alles vorbei».