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Etikette am Arbeitsplatz Du oder Sie im Job? Sechs Sonderfälle und ihre Lösungen

Stellen Sie sich vor, Ihre Führungskraft ist jünger als Sie. Dürfen Sie dann das Du anbieten? Und was gilt, wenn jemand, den Sie duzen, zum Chef aufsteigt? Experten wissen die Antwort.

Von Marie von der Tann, dpa 12.12.2025, 00:05
Zum „Du“ geht's hier lang: Viele Firmen werben inzwischen mit flachen Hierarchien.
Zum „Du“ geht's hier lang: Viele Firmen werben inzwischen mit flachen Hierarchien. Karl-Josef Hildenbrand/dpa/dpa-tmn

München - Siezen Sie noch oder duzen Sie schon? Laut einer repräsentativen Umfrage des Software-Anbieters HR Works duzen 71 Prozent der Arbeitnehmer ihre Vorgesetzten, entweder in Form von „Du“ und Vorname (61 Prozent) oder „Du“ und Nachname (10 Prozent). „Sie“ und Nachname ist nur noch bei einem knappen Viertel der Beschäftigten (22 Prozent) üblich, das sogenannte Hamburger „Sie“, also Vorname plus „Sie“, nutzen 7 Prozent.

Nun ist es so: Die starren Formen sind zwar aufgeweicht, aber trotzdem ist das „Sie“ nicht weg. Das macht den Alltag manchmal herausfordernd, denn es ergibt sich eine Reihe von Sonderfällen. Wie verhält man sich in solchen Graubereichen? Sechs Beispiele:

1. Eigentlich gilt: Der Ältere bietet dem Jüngeren das Du an. Aber was, wenn der Vorgesetzte jünger ist als der Mitarbeiter? Darf dieser dann den Chef zum „Du“ auffordern?

„Nein. Grundsätzlich sollte man seinen Vorgesetzten siezen, bis derjenige einem das 'Du' anbietet“, so die Coachin für Business-Etikette Imme Vogelsang. Das gilt auch in diesem Fall. Denn: „Rang wiegt spätestens seit den 70er-Jahren schwerer als das Alter“, so die Expertin.

2. Ein Kollege, den man duzt, steigt zum Chef auf. Muss man ihn nun siezen?

Imme Vogelsang hält es für albern, plötzlich wieder förmlich zu werden. Ihr Tipp: „Behalten Sie das 'Du' bei, aber nehmen Sie Ihren Vorgesetzten trotzdem in seiner neuen Rolle ernst.“

3. In einer Firma oder mit Kunden wird Englisch gesprochen. Hier gibt es kein „Sie“, üblich ist außerdem die Anrede mit „You“ und dem Vornamen. Wie halte ich es im Deutschen?

„Stellen Sie sich vor, Sie steigen nach einem englischen Meeting mit einem deutschen Vorgesetzten ins Taxi, dann sollten Sie diesen ganz klar förmlich mit 'Sie' und Nachnamen anreden“, so Vogelsang. Auch wenn sich das nach der Ansprache mit Vornamen und „You“ komisch anfühlt. 

In einigen Firmen gibt es hierfür eine Zwischenlösung: der Vorname und das „Sie“. Am besten erkundigen sich Mitarbeiter bei ihren Kollegen, ob auch das adäquat ist.

4. Ich werde von einem Vorgesetzten ungefragt geduzt. Darf ich ihn dann zurückduzen?

„Das ist ein Problem, das besonders jüngere Mitarbeiter betrifft“, sagt Vogelsang. Sie rät, auch wenn es schwerfällt, förmlich zu bleiben. „Siezen Sie den Vorgesetzten weiter und warten Sie, bis er Ihnen das 'Du' anbietet. Damit gehen Sie auf Nummer sicher.“

5. Mein Kollege duzt sich mit dem Vorgesetzten, mir hat der Chef das nicht angeboten. Ist das diskriminierend? Darf ich mich dagegen wehren?

Grundsätzlich ist die Verwendung der Anrede „Du“ oder „Sie“ die freie Entscheidung der Beschäftigten. „Auch eine Führungskraft kann also entscheiden, welchem Mitarbeiter sie das 'Du' anbietet“, so Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Ein Anspruch auf eine bestimmte Anrede besteht nicht.

Aber: „Wird eine Unterscheidung in herabsetzender Weise vorgenommen, kann dies unzulässig sein“, so die Expertin. Heißt zum Beispiel: Ein Chef siezt alle Mitarbeiter höflich - bis auf einen, den er herablassend duzt. Das geht nicht.

6. Ich duze den Chef, ohne dass er es mir angeboten hat. Kann man dafür abgemahnt werden?

„Wenn das 'Du' nicht Unternehmenskultur ist, darf man Vorgesetzte nicht ungefragt duzen“, stellt Anwältin Oberthür klar. Eine Abmahnung wäre zulässig, wenn für den Mitarbeiter erkennbar ist, dass die Anrede mit „Du“ nicht gewünscht ist.

Das sollte aber in der Praxis selten vorkommen, Angst vor Fehlern müssen Mitarbeiter deshalb nicht haben. „Ein falscher Umgang mit Du/Sie im Arbeitskontext hat in aller Regel keine rechtlichen Konsequenzen“, beruhigt Oberthür.