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Im Ruhestand Im Ruhestand: Mit Aktivitäten Beziehungsstress im Alter vermeiden

Von Thorsten Wiese 15.03.2006, 18:37

Karlsruhe/Detmold/dpa. - Paare sind deshalb gut beraten, den Umgang mit der neuen Nähe aktiv zu gestalten.

«Es liegt natürlich der Gedanke nahe, dass er die freie Zeit inden Haushalt einbringt», sagt Psychotherapeutin und PaarberaterinUlrike Ullmann. Oft schade das aber mehr als es nutze, denn damitwürden «Hoheitsgebiete» gestört, erläutert die Leiterin derEheberatungsstelle von Pro Familia in Karlsruhe.

«Der Pensionär ist ein König, der in das Reich einer Königineintritt», ergänzt Psychotherapeut und Eheberater Traugott Schall ausDetmold. Der Mann sollte darauf achten, nicht zu sehr in «ihre»Sphäre einzudringen. Umgekehrt sollte die Partnerin sich Mühe geben,den Mann zu Hause willkommen zu heißen. «Das schafft ein gutes Klimaund er kommt besser darüber hinweg, dass er aus dem Beruf raus ist.»

Männern falle es meist schwer, die freie Zeit mit neuen Aufgabenzu gestalten. Plötzlich fehle der tägliche Rhythmus, dieIdentifikation über den Beruf, sagt Ullmann. Und für die Beziehungsei plötzlich «kein Input von außen» mehr da. Denn meist sind dieKinder schon aus dem Haus - wenn es welche gibt -, und Freude anneuen Hobbys lässt sich nicht verordnen.

Nicht selten führt das zu handfesten Beziehungsproblemen. Immermehr Seniorenpaare suchen in Ehe- und Partnerschaftsberatungen einenWeg aus gemeinsamen Krisen, erklärt Ullmann. Das liege etwa daran,dass Ältere heute länger gesund und aktiv bleiben. «Früher wurdenKrisen eher von Alter und Krankheit zugedeckt.»

Zahlen des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden belegen dasKonfliktpotenzial. Zwar werden insgesamt wenige Ehen imRuhestandsalter geschieden - die Raten sind in den vergangenen Jahrenaber gestiegen. Ließen sich vor zehn Jahren noch 259 Paare im Alterzwischen 65 und 70 Jahren scheiden, waren es 2003 bereits 485, einJahr später 645. Auch bei den 70- bis 75-Jährigen stieg die Zahl imselben Zeitraum um 50 Prozent. Vermeiden lassen sich die Probleme denExperten zufolge am ehesten, wenn die neue Nähe aktiv gestaltet wird.

«Am besten ist es, gemeinsame Kontakte außer Haus zu pflegen»,sagt Alterstherapeut Hartwig Wennemar aus Marienheide(Nordrhein-Westfalen). Das gelte nicht nur, wenn «er» zu «ihr» nachHause kommt. «In Ostdeutschland waren die Frauen zur DDR-Zeithäufiger berufstätig als im Westen. Da kommen dann beide "nach Hause"und haben möglicherweise ein Problem mit ihrer freien Zeit.»

«Die neue Nähe kann eine Menge ungelöste Probleme auf den Tischbringen», sagt auch Traugott Schall. Meist wolle einer der Partnermehr Nähe als der andere. Im Ruhestand müssen Paare dafür ein neuesGleichgewicht finden. Dazu sollten beide überlegen, welcheGewohnheiten und Rituale der Beziehung gut tun - und welche besserauf den Prüfstand gehören. Eine wichtige Frage sei, welchegemeinsamen Aktivitäten beiden gefallen. «Zuneigung ist auch einErgebnis gemeinsam verbrachter Zeit», fasst Schall zusammen.

«Dazu braucht es natürlich viel Austausch», sagt Ullmann. Und esbrauche bis zu einem Jahr Zeit, die Paare sich nehmen sollten -schließlich liegen heute bis zu 20 Jahre oder mehr an gemeinsamerZeit vor den Ruheständlern. Laut Schall kommt es darauf an,«gemeinsame Ressourcen» zu nutzen. «Was haben Sie denn gern zusammengemacht, als Sie sich kennen gelernt haben?» Paare sollten versuchen,an diese gemeinsamen Interessen anzuknüpfen.

Ob Sport, Lesen, Kino oder Theater: Die eine «richtige» Idee oderTätigkeit gibt es nicht. «Manche gehen gemeinsam in den Zoo, machenSpaziergänge oder gehen sogar als Paar gemeinsam zum Fußball», sagtWennemar. «Das, was Sie machen, kann alles mögliche sein. Hauptsacheist, dass Sie es machen.» Getrennte Aktivitäten schließe das nichtaus. Im Ruhestand müsse es aber auch darum gehen, die Beziehung «mitneuen Inhalten» zu füllen.

Gut seien Unternehmungen in einer Gruppe: Wandern, Reisen,Sprachkurse, bei denen sich das Paar gegenseitig die Vokabeln abhörenkann: «Da zieht man an einem Strang», sagt Ullmann. Außerdem könnedie Gruppe viel schlechte Laune korrigieren, die entsteht, wenn zweiimmer nur allein miteinander sind. «Die Witze, die man sich immererzählt, kennen ja beide schon», sagt Wennemar. Ausflüge und Ferien,die gemeinsame Planung erfordern, seien ebenfalls gut. «Da kann mansich annähern, und das Erlebte schafft neue Gemeinsamkeiten.»

Paare sollten dazu bereit sein, verschiedenes auszuprobieren - undwenn ein Hobby nicht gefällt, sich ein neues zu suchen. «Der einzigeTipp, den man geben kann ist, nichts allzu Modischem aufzusitzen.»Wer sich vorher nie für einen Trommelkurs erwärmen konnte, wird eswohl auch als Rentner nicht können.

«Alte Liebe rostet nicht», sagt Traugott Schall. «Sie muss abermit Leben gefüllt werden.» Sonst ende das so, wie es bisweilen inCafés und Restaurants mitanzusehen sei, sagt Hartwig Wennemar. «Vieleältere Paare gehen ja sehr wohl miteinander aus. Sie sitzen dann abernur da und schweigen sich an.»

Literatur: Bettina von Kleist: Wenn der Wecker nicht mehr klingelt, Ch. Links Verlag, ISBN 3-86153-394-4, 14,90 Euro.