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«Hollywood-Lächeln» «Hollywood-Lächeln»: Teure Zähne sollen Glück und Erfolg bringen

08.01.2003, 10:32
Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger lacht im Februar 2002 vor der Deutschlandpremiere seines Films «Collateral Damage - Zeit der Vergeltung» in Berlin. (Foto: dpa)
Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger lacht im Februar 2002 vor der Deutschlandpremiere seines Films «Collateral Damage - Zeit der Vergeltung» in Berlin. (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa. - Ein schönes Lächeln hat seine Gesetze - und oft seinen Preis. Die Mundwinkel sollen die gleiche Höhe erreichen. Und vom Zahnfleisch darf nicht viel zu sehen sein, so umreißt die Deutsche Gesellschaft für Ästhetische Zahlheilkunde (DGÄZ) die «Harmonie des Lächelns». Stars wie Tom Cruise oder Faye Dunaway haben - nach Jahren mit kleinen Makeln - durch perfekte Zähne Maßstäbe gesetzt. In den USA ist das künstliche «Hollywood»-Lächeln beinahe zum Muss für alle geworden, die es sich leisten können. Nun steigt in Deutschland die Nachfrage. Überall wird gebleicht, geschliffen und verblendet. Schließlich kann ein voll saniertes Gebiss in Zeiten sinkender Kassenleistungen als Statussymbol gelten.

«Die Gruppe, die Wert auf Ästhetik legt und auch bereit ist, Geld, unter Umständen sehr viel Geld dafür auszugeben, wird immer größer», berichtet DGÄZ-Sprecher Hans-Otto Bermann aus Düsseldorf. Ein neu gestylter Zahn kann 1000 Euro kosten, ein komplettes Gebiss mit Implantaten den Gegenwert eines Luxusautos.

In vielen Großstädten öffnen verstärkt edle Zahn-Kliniken: mit Designermöbeln, dezenter Musik oder einem Fahrservice für Vips. Sie kümmern sich nicht in erster Linie um Karies und Zahnfleischschwund, sondern um Schönheit im Mund. Und wenn der Kunde einen Diamanten auf dem Eckzahn wünscht, wird er aufgeklebt, wie ein Hamburger Ästhetik- Spezialist berichtet. Wobei all dies nicht von den Krankenversicherungen bezahlt wird, sondern privat.

Parallel dazu rollt eine Zahnweiß-Welle. Zahnweiß-Pasten aus dem Supermarkt werden nicht mehr nur gegen Tabak- und Tee-Flecken eingesetzt. Verbraucherschützer mögen noch so laut vor Gesundheitsrisiken warnen oder die Wirkung mancher Mittel bezweifeln: Aufhellung ist angesagt. Das versprechen auch Zahnweiß-Kaugummis. Weißungsgels wiederum werden in zweistündigen Sitzungen in Dental- Kosmetikstudios aufgetragen oder als Set für eine zweiwöchige «Kur» zu Hause verschickt. Manche Zahnärzte kooperieren zudem mit Weißungs- Ketten wie der englischen «BriteSmile».

Die Hintergründe des Trends sind vielschichtig: Schon Mitte der 90er Jahre registrierte das Wirtschaftsblatt «Impulse», dass die körperbewusste Manager-Generation gesunde und schöne Zähne zum «persönlichen Erfolgssymbol» erhob. In den USA galten fein gerichtete Zähne für Preise bis 50 000 Dollar schon länger als Statussymbol wie das Zweithaus oder der Gang zur Elite-Universität. Der Wunsch nach einem attraktiven Lächeln habe dort eine «Milliarden-Industrie» hervorgebracht, analysiert der Zahnmediziner Ronald E. Goldstein («Change Your Smile»).

Wissenschaftliche Neuerungen begleiten den Boom: zum Beispiel hauchdünne Keramikschalen (Veneers) für die Frontzähne. Sie werden mit Spezialklebern und einem handwerklich schwierigen, minimalen Zahnabschliff angewandt. So entfällt das radikale Entfernen der eigenen Zahnsubstanz, ganz anders als bei Jacketkronen.

Die deutschen Mediziner sahen der rein ästhetischen Behandlung lange aus skeptischer Distanz zu. Der Wellness-Trend, der Run auf die Schönheitschirurgie und neue Forschungen zur Lebensqualität bewirkten bei manchen ein Umdenken. «Wenn die Zähne für die Menschen wichtig werden, wird auch ihre Gesundheit wichtig», betont der Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer, Dietmar Oesterreich, heute. Aber: «Das schönste Lächeln ist das mit eigenen, gesunden Zähnen.» Wichtig sei eine intensive Beratung. Zumal die Nachfrage vorhanden ist: Mindestens die Hälfte der Deutschen sind nach Umfragen bereit, mehr Geld als bisher in ein schönes Lächeln zu investieren.

Genaue Zahlen, wie viele der rund 70 000 deutschen Zahnärzte sich auf «Gebiss-Kosmetik» spezialisiert haben, existieren nicht. DGÄZ- Sprecher Bermann verweist darauf, dass alle Praxen auch eine optisch gute Arbeit leisten müssten. Professor Thomas Kerschbaum von der Universität Köln stellt allerdings offen fest: «Ein Teil der Zahnmedizin ist heute durch den Kundenwunsch definiert.»

Die «Kosmetiker» würden diesen Satz wohl unterschreiben. Sie wehren sich aber gegen Vorwürfe, auf einer Modewelle zu reiten. Seelisches Leid, und sei es durch einen verfärbten Zahn, sei eine vollwertige Indikation für ärztliches Handeln, betont die DGÄZ. Manche Verbandsmitglieder halten zwar den US-Standard eines «blau- weiß» gebleichten Gebisses, auf eine Linie begradigt wie ein «Gartenzaun», für hässlich - aber der Kunde entscheidet. Zahnforscher Kerschbaum dagegen warnt: «In der Regel werden Zähne nicht besser durch solche Maßnahmen.»

(Internet: Homepage der DGÄZ: http://DGAeZ.de) dpa pk yyzz op 080131 Jan 03