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Hobby-Musiker Hobby-Musiker: Der Jugendwahn ist nicht mehr so groß

Von Florian Oertel 28.06.2006, 16:27
Ständig auf der Bühne: Die Rentnerband hat keine Probleme, Auftritte an Land zu ziehen. (Foto: dpa)
Ständig auf der Bühne: Die Rentnerband hat keine Probleme, Auftritte an Land zu ziehen. (Foto: dpa) Rentnerband

Lüneburg/dpa. - Andere werden sich an ihre eigene Zeit als Hobbymusiker erinnern und Lust bekommen, selbst wieder auf einer Bühne zu stehen. Die Chancen stehen gut, denn es gibt immer mehr Rock- oder Jazzmusiker im fortgeschrittenen Alter - und auch Auftrittsmöglichkeiten.

«Wenn man Jazz spielt, dann spielt das Alter keine Rolle, und inanderen Bereichen ist der Jugendwahn auch nicht mehr so groß», sagt einer, der es wissen muss: Ole Seelenmeyer vom Deutschen Rock- und Popmusikerverband (DRMV) in Lüneburg ist selbst ein gestandener Musikfans, spielt in einer Band - und tritt noch immer regelmäßig auf. «In den Sechzigern war das unmöglich. Da war es in etwa so, dass über 25-Jährige nicht mehr auf die Bühne durften.»

Auch der 60-jährige Bruno Rörig aus Ramsen (Rheinland-Pfalz) hatkeine Probleme, Auftritte für seine Combo an Land zu ziehen. «Es wirdeher mehr als weniger», erzählt der Posaunist der «Rentnerband». Sieheißt schon seit mehr als 25 Jahren so und hat sich demDixieland-Jazz verschrieben. «Wir haben unsere Stammkneipen, in denenwir Musik machen, wir spielen bei Hochzeiten und jedes Jahr für zweiWochen in einem Ferienclub auf Fuerteventura.»

Wer die Gitarre oder das Schlagzeug über Jahre eingemottet hatteund nun wieder losrocken will, wird mit den gestandenen Musikernnicht mithalten können. Ein Grund, sofort wieder aufzugeben, ist dasaber noch lange nicht: «Was man einmal gelernt hat, ist nichtverloren, sondern nur vergraben», sagt Ole Seelenmeyer. «Wenn man malJazz spielen konnte, ist man da schnell wieder drin», bestätigtDominik Wagner von der Union Deutscher Jazzmusiker in Bonn.

Ein wenig Anleitung kann den Wiedereinstieg erleichtern. «Es gibtviele gute Musiker, die Stunden geben», sagt Bruno Rörig. Findet sichniemand, hilft vielleicht ein Gang zur öffentlichen Musikschule vorOrt. «Dort haben zwar überwiegend Kinder und Jugendliche Unterricht,aber immer mehr Schulen engagieren sich auch für Erwachsene», sagtClaudia Wanner vom Verband Deutscher Musikschulen in Bonn.

Selbst für diejenigen, die Musik bisher lediglich gehört und nichtgespielt haben, ist es nicht zu spät, erklärt Wagner: «Es gibt keineAltersgrenze, wenn es darum geht, ein Instrument zu erlernen.» UnterUmständen dauert es ein bisschen länger, bis die Griffe sitzen oderder Rhythmus stimmt. «Aber man will ja nicht Höchstleistungenbringen, sondern Spaß haben.»

Das Instrument wieder zu beherrschen, ist ein Thema, Musiker zumgemeinsamen Rocken oder Jazzen zu finden, ein anderes. Bei OleSeelenmeyer hat letzteres denkbar einfach funktioniert: «Ich habemeine früheren Mitstreiter wieder zusammengetrommelt, und zu 80Prozent sind wir die alte Mannschaft.»

So viel Glück hat nicht jeder - oft wohnen die früheren KumpelsHunderte Kilometer entfernt. Für solche Fälle empfiehlt Seelenmeyer,das Schwarze Brett des örtlichen Musik- und Instrumentenhändlers zunutzen. «Jeder, der sich für Musik interessiert, geht dorthin.» Aucheine Kleinanzeige in der Zeitung kann den gewünschten Erfolg bringen.Und entgegen der verbreiteten Meinung schauen sich viele «Altrocker»heute auch auf Webseiten wie «www.musiker-in-deiner-stadt.de» um.

Jazzern rät Dominik Wagner, in der Szene ihrer Stadt Anschluss zusuchen - falls es sie gibt. «Die kleinen Clubs haben es sehr schwer.»Vielen fehle das Geld, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. «Aber esgibt Auftrittsmöglichkeiten, vielleicht sogar leichter für Gruppen,die nicht von der Musik leben und Gage nehmen müssen.» Allerdingsempfiehlt Wagner, durchaus ein wenig Geld für Auftritte zu verlangen- schon um anderen Gruppen nicht «den Markt kaputt zu machen».

Um solche Dinge müssen sich die Rolling Stones längst nicht mehrkümmern. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass Mick Jagger und KeithRichards - beide Jahrgang 1943 - und ihre Mitstreiter des Geldeswegen auf Tour gehen. Laut Ole Seelenmeyer müssen die Fans ebensowenig befürchten, dass die Steine in naher Zukunft nicht mehr rollen:«Ich gehe davon aus, dass die Rolling Stones auch mit 70 noch auf derBühne stehen werden» - Grund genug für Hobbymusiker, ebenfallsweiterzurocken.