Gründer Gründer: Oft fehlt die richtige Geschäftsidee
WIESBADEN/BERLIN/DPA. - Tausende Deutsche machen sich jährlich selbstständig. Im ersten Halbjahr 2010 erhöhten sich laut Statistischem Bundesamt in Wiesbaden die Gewerbeanmeldungen um 5,2 Prozent auf rund 453 000 gegenüber dem gleichen Zeitraum 2009. Darunter gab es 157 000 Anmeldungen von Kleinunternehmen und 147 000 Abmeldungen.
Diese Zahlen zeigen: Nur die wenigsten jungen Unternehmen überleben die Startphase. Die Ursachen des Scheiterns in den ersten fünf Jahren sehen Forscher in einer unzureichenden Startfinanzierung. Das ermittelte das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium.
Die ZEW analysierte 3 000 Unternehmen zwischen 2006 und 2009. Fast drei Viertel der Jungunternehmen konnten mindestens einmal im Laufe ihrer Geschäftsaktivitäten die Gewinnschwelle überschreiten. Trotzdem gaben sie auf - genauso wie die, denen von Anfang an keine markttaugliche Geschäftsidee für ihr Unternehmen zugrunde lag. Sophie Schendel und Brigita Bosotin haben es trotzdem gewagt. Die Jungunternehmerinnen machten sich mit einer Kommunikations-Agentur in Berlin selbstständig. Und das mit einer Summe, die nur im vierstelligen Bereich liegt. "Wir investieren oft viel Zeit in Probetexte, Ausschreibungen, Akquise - dazu gehört natürlich auch die Absage", sagt Schendel. Damit meint sie aber auch Absagen, die sie und ihre Partnerin selber treffen. Denn: "Wir lehnen auch Aufträge ab, wenn uns das Thema nicht interessiert."
Die beiden Jungunternehmerinnen lernten sich in einer Fortbildung des Arbeitsamtes kennen. Sie erstellten einen Businessplan und reichten ihn bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) ein. Nach drei Wochen hatten sie ein Gutachten und somit einen Nachweis für die Arbeitsagentur. "Damit konnte ich einen Gründungszuschuss beantragen", sagt Schendel.
Förderung rechtzeitig beantragen
Die Genehmigung dauerte nochmals rund einen Monat. Die Förderung muss laut Bundesagentur für Arbeit mindestens 90 Tage vor Auslaufen des Arbeitslosengeldes beantragt werden. "Außerdem müssen Sie die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbstständigen Tätigkeit darlegen", heißt es dort. Bei begründeten Zweifeln könne die Agentur die Teilnahme an Vorbereitungskursen zur Existenzgründung verlangen. Die beiden Unternehmerinnen entschieden sich für eine Unternehmergesellschaft - eine sogenannte Mini-GmbH. Wo wenig Kapital gebraucht wird, kann man mit dieser Unternehmensform gut fahren, bestätigt Thomas Diehn von der Bundesnotarkammer in Berlin die Entscheidung. Braucht man allerdings Maschinen oder Autos, so sei eine richtige GmbH-Gründung die bessere Wahl. Die Notarkosten für die Mini-GmbH lagen bei rund 50 Euro. "Auf den Handelsregistereintrag beim Amtsgericht haben wir rund acht Wochen gewartet", sagt Bosotin. Rund 100 Euro kostete dieser Eintrag. Teurer bezahlten die beiden ihre Erfahrung mit einer Steuerkanzlei. "Wir wollten die Unterlagen zum Handelregistereintrag überprüfen lassen, weil wir sie nicht verstanden haben", sagt Bosotin. Dabei gerieten sie an eine Kanzlei, die ihnen sofort 237 Euro für die Beratung in Rechnung stellte. "Die Kammern bieten Gründungswilligen eine kostenlose Beratung an", sagt Alfred Töpper von der Stiftung Warentest, die Existenzgründungsportale im Internet unter die Lupe genommen hat. Informationen dazu finde man beispielsweise reichlich im Internet. "Das Portal vom Bundeswirtschaftsministerium zum Beispiel ist brillant", sagt Töpper - es schnitt im Test am besten ab.
Bewerbung mit Businessplan
Aber auch Veranstaltungen können weiterhelfen. Bei einem Besuch des "Gründertages" steuerten Bosotin und Schendel auf den Messestand der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin zu. Zur HWR gehört seit Ende 2009 auch ein Gründungszentrum - nach eigenen Angaben eine "Experimentierfläche für Gründungsinteressierte". Die beiden Frauen bewarben sich mit ihrem Businessplan, überzeugten im Gespräch und wurden im Förderprogramm aufgenommen. Seitdem teilen sie sich eine Bürofläche mit anderen Jungunternehmern - Hip-Hop-Models, einem Öko-Pressereferenten, einem Öko-Textil-Vertrieb, einem Unternehmensberater und einem Online-Marketing-Unternehmen. Sie haben zwei Schreibtische, eine Gemeinschaftsküche, werden fünf Stunden im Jahr gecoacht und können umsonst telefonieren, sagt Schendel.