Großeltern sind keine Dauerbabysitter
Mannheim/dpa. - Ob Baby oder Kindergartenrabauke: Der Nachwuchs kann Eltern ganz schön auf Trab halten. Gut, wenn Oma und Opa in der Nähe sind und aushelfen. Doch die wollen nicht immer Ersatzeltern spielen - schon gar nicht, wenn das stillschweigend erwartet wird.
«Viele junge Paare sind der Ansicht, dass sie die Eltern einspannen können, wie es gerade passt», sagt Andreas Hundsalz, Leiter der Erziehungsberatungsstelle in Mannheim. Doch alles, was unter Zwang passiert, ist Gift für die Beziehung. «Großeltern stehen in keiner Verpflichtung», ergänzt Helga Gürtler, Diplom-Psychologin aus Berlin. «Oft arbeiten sie selbst noch und haben Interessen, die es zu berücksichtigen gilt.»
Ob, wann und wie lange die Großeltern aufpassen, sollte im Detail abgesprochen werden. «Man darf nicht die Erwartung haben, dass die Großeltern automatisch alles mitmachen», rät Hundsalz. Der Diplom-Psychologe Roland Kopp-Wichmann aus Heidelberg rät Eltern, immer freundlich nachzufragen: «Stellen Sie keine Forderungen, sondern bitten Sie um Unterstützung.» Ein «Nein» gilt es ohne Diskussion zu akzeptieren. «Allerdings sollten Eltern schon nachfragen dürfen, warum die Großeltern nicht wollen.»
Die meisten Großeltern sind bereit, dann und wann auf die Enkel aufzupassen. «Bedanken Sie sich aber trotzdem für die Fürsorge», rät Hundsalz. «Es ist extrem wichtig, die Leistung der Großeltern wertzuschätzen und ihnen zu zeigen, wie sehr man sich darüber freut.»
In Notfallsituationen springen Großeltern in der Regel gerne ein. Wer aber glaubt, dass diese Rettung immer funktioniert, irrt. Wenn die Großeltern nach zehnmal «Ja» plötzlich einmal «Nein» sagen, fühlen sich Eltern oft vor den Kopf gestoßen. «Aber Großeltern haben das Recht, ihre Grenzen zu setzen», sagt Gürtler.
Die Betreuung der Enkelkinder sollte nicht zum unausgesprochenen Dauerzustand werden. Wenn das zweijährige Kind halbtags bei Oma und Opa bleibt, müssen die sich ausdrücklich dazu bereiterklären. «Sonst wird es zu viel und Konflikte drohen», warnt Kopp-Wichmann.
Doch viele Großeltern haben Mühe, ihren Standpunkt darzustellen: «Es gibt genug, die lieber eine Kröte nach der anderen schlucken, statt deutlich über ihre Vorstellungen zu sprechen», sagt Gürtler. Das passiere oft aus Schuldgefühlen, ergänzt Kopp-Wichmann: «Da ist dieses Gefühl, an den Enkelkindern das nachholen zu müssen, was man bei den eigenen Kindern vielleicht verpasst hat.» Doch die besten Gründe nützen nichts, wenn die Betreuung über den Kopf wächst.
Großeltern, die für die Betreuung der Enkelkinder oft angefragt werden, sollten klare Regeln aufstellen, raten die Experten. Dabei spiele das eigene Ruhebedürfnis genauso eine Rolle wie der Wunsch nach eigenen Hobbys. Dazwischen passen dann Zeiten mit den Enkeln.
Und wenn die Kinder eine Absage nicht akzeptieren? «Lassen Sie sich nicht erpressen», rät Hundsalz. «Erklären Sie Ihre Entscheidung und bitten Sie um Verständnis.» Denn wer immer wieder klein beigibt, sammelt Frust: «Irgendwann platzt die Bombe.»
Bei Oma und Opa ist es für Enkelkinder besonders schön: «Großeltern spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung eines Kindes», erklärt der Diplom-Psychologe Andreas Hundsalz. «Der primäre Erziehungsauftrag liegt bei den Eltern.» Doch bei den Großeltern finden Enkel einen Ausgleich: «Oma und Opa sind lockerer, großzügiger und bringen viel mehr Zeit mit.» Das stärke Kinder, gebe Geborgenheit und Sicherheit. Umso wichtiger sei es, das Verhältnis zu den Großeltern zu pflegen. «Eltern, die sich durch ungerechtfertigte Anspruchshaltungen die gute Beziehung zu den Großeltern verspielen, können das direkt auf dem Lastenkonto der Kinder verbuchen.» Die finden ein Leben ohne Oma und Opa nämlich nur eines: doof!