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Zweimal Geburtstag - Leben mit einem Spenderherz

Von Christina Sticht 05.06.2008, 11:31

Langenhagen/dpa. - Die Geschichte von Wolfgang Pritz hat einen glücklichen Ausgang, und das verdankt er einem Toten. Vor fast fünf Jahren, am 24. August 2003, bekam der zweifache Vater das Herz eines anonymen Spenders eingepflanzt.

«Damit hat mein neues Leben angefangen. Wir feiern den Tag heute noch - wie den Geburtstag», erzählt der 55-Jährige auf der Terrasse seines Hauses in Langenhagen bei Hannover. Seine Frau Rita schaut ihn an und sagt: «Wenn es diese Person nicht gegeben hätte, hätte mein Mann es nicht geschafft.»

Während Pritz in jenem heißen Sommer in der Klinik lag und es ihm täglich schlechter ging, starben andere Patienten in ähnlicher Lage. «Wir verlieren etwa jeden Dritten auf der Warteliste», sagt Prof. Axel Haverich, Direktor eines der größten Transplantationszentren in Norddeutschland, an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Zwar ist die Zahl der Spender bundesweit gestiegen, jeder achte Mensch hat nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation einen Spenderausweis. Mehr als 4000 Patienten konnte 2007 mit einer Transplantation geholfen werden, allerdings hoffen dreimal so viele auf den erlösenden Anruf mit der Nachricht: «Wir haben ein Organ für Sie.»

Wolfgang Pritz besaß keinen Spenderausweis. Mit dem Tod beschäftigt sich kaum einer, der mitten im Leben steht. Pritz war ein sportlicher Typ, in der Freizeit spielte der Verwaltungsangestellte Squash. Sein Alptraum begann mit einer verschleppten Grippe und einer zunächst nicht erkannten Herzmuskelentzündung. Bald schon schaffte er kaum noch die Treppe zum Schlafzimmer im ersten Stock seines Hauses herauf. Am 6. August 2003 blieb sein Herz stehen - glücklicherweise erst in der Notaufnahme der MHH. Die Reanimation gelang, ohne dass Pritz Schäden davon trug. Danach verließ er die Klinik zunächst nicht mehr. Nun hieß es nur noch Warten.

War es nicht makaber darauf zu hoffen, dass irgendwo jemand stirbt, der sein Herz zur Verfügung stellt? «Ich wollte eigentlich nur leben», sagt Wolfgang Pritz. Schon vor der OP habe er sich den Rat eines Psychologen eingeprägt, der ihm sagte: «Sie müssen das als Ersatzteil sehen.» Viele Patienten belastet eine Transplantation auch psychisch. Nach der anfänglichen Erleichterung quält sie wenige Tage nach der Operation der Gedanke: «Da musste jemand sterben, damit ich lebe». «Eine typische Reaktion», sagt Prof. Haverich.

Die psychologische Begleitung hat deshalb an der MHH einen hohen Stellenwert. Derzeit entsteht auf dem Gelände ein «Ort der Stille und der Dankbarkeit», an dem sich Angehörige von Spendern in ihrer Trauer, aber auch transplantierte Patienten und deren Familien versammeln können. Auch Wolfgang Pritz will sich den Andachtsraum in Form einer Kugel aus Glas und Edelstahl anschauen. Am Tag der Organspende (7. Juni) wird er an der MHH hinter einem Informationsstand stehen.

«Ich schreibe immer häufiger Glückwunschkarten an Patienten, die sogar 20 Jahre mit einem neuen Herz überlebt haben», berichtet Haverich. Auch wenn die Prognosen günstig sind, Pritz ist «seit der ganzen Arie» die Endlichkeit des Lebens bewusster. «Meine Frau muss mich oft bremsen, weil für mich alles noch schneller gehen muss. Ich habe Angst, etwas zu verpassen», erzählt der 55-Jährige, der wieder Vollzeit arbeitet.

Sein neues Herz übermäßig belasten darf er nicht, Ballspiele sind tabu, aber er fährt jetzt gemütlich Rad und macht Nordic Walking. Neulich habe er mit seiner Frau sogar den Hannover Marathon geschafft. «Das waren zehn Kilometer», erzählt er beiläufig. In seiner Stimme schwingen Stolz und Staunen über das Wunder seines zweiten Lebens mit.

Deutsche Stiftung Organtransplantation: www.dso.de