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Gesundes Essen - langes Leben Wie wir zehn Jahre länger leben

Genug Bewegung, viel Gemüse, keine Zigaretten: Ein gesunder Lebensstil senkt das Risiko für viele Erkrankungen. Lohnt es sich auch mit 60, 70 oder 80 noch, das Ruder herumzureißen?

Von RICARDA DIECKMANN 23.04.2024, 06:00
Auch wer erst im Alter mit dem Rauchen aufhört, kann noch Lebenszeit dazugewinnen.
Auch wer erst im Alter mit dem Rauchen aufhört, kann noch Lebenszeit dazugewinnen. Foto: DPA

Der Griff zur Zigarette, der ist seit Jahrzehnten Gewohnheit. Ebenso die große Vorliebe für süßes Plundergebäck und deftig-fettige Gerichte. Und eine richtige Sportskanone war man ohnehin nie. Viel Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Alkohol und Zigaretten: In der Medizin ist unumstritten, dass ein gesunder Lebensstil das Risiko für viele Erkrankungen verringern kann. Und dass ungesunde Gewohnheiten das Risiko erhöhen. Zum Beispiel für Bluthochdruck, Arthrose, Lungenkrebs, Diabetes und viele weitere Erkrankungen.

Doch was, wenn die Diagnosen da sind und die lasterhaften Gewohnheiten fest mit dem eigenen Alltag verbunden? „Der Zug ist abgefahren, eine Umstellung bringt doch jetzt nichts mehr“, mag da der erste Gedanke sein.

Umstellung lohnt auch im Alter noch

Ein Irrtum, wenn es nach der Altersmedizinerin Brigitte Buchwald-Lancaster geht. „Es bringt in jedem Alter einen Mehrwert, etwas für sich selbst zu tun“, sagt die Chefärztin des Zentrums für Akutgeriatrie und Frührehabilitation an der München Klinik Neuperlach. Es ist natürlich kaum möglich, Krankheiten im Alter wieder vollständig rückgängig zu machen. „Aber es geht auch gar nicht darum, dadurch einen Zustand völliger Gesundheit zu erreichen.“

Wer im Alter seine Gewohnheiten neu ausrichtet, gewinnt womöglich Lebenszeit. Zum Beispiel kann sich eine Ernährungsumstellung positiv auf die verbleibende Lebenserwartung auswirken.

Gut erforscht sei das bei der Mittelmeerkost, wie Professor Rainer Wirth sagt. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie. Mittelmeerkost heißt unter anderem: viel frisches Gemüse und Obst, wenig Fleisch, viel Fisch und hochwertige Öle.

Zusätzliche Jahre für Senioren

„Wenn ein 20-Jähriger darauf umstellt, gewinnt er ungefähr zehn Lebensjahre. Wenn ein 60-Jähriger diese Umstellung macht, gewinnt er immer noch ungefähr acht Lebensjahre“, sagt Wirth. Und selbst wer 80 Jahre alt sei, könne mit einer Umstellung der Ernährung noch gut drei zusätzliche Jahre herausholen – zumindest im statistisch berechneten Mittel. Bei dem einen mag mehr drin sein, bei dem anderen weniger.

Lebenszeit lässt sich auch gewinnen, wenn man mit dem Rauchen aufhört. Buchwald-Lancaster verweist auf Untersuchungen aus den USA. Wenn Menschen, die ihr ganzes Leben lang starke Raucher waren, im Alter zwischen 55 und 64 Jahren aufhören, können sie demnach im Mittel vier Lebensjahre gewinnen.

Doch mit gesünderen Angewohnheiten lässt sich – auch im Alter – nicht nur mehr Lebenszeit verschaffen, sondern auch mehr Lebensqualität. „Nach einem Rauchstopp zum Beispiel fühlt man besser, man schmeckt besser. Die Neigung zu chronischer Bronchitis verringert sich schon nach Monaten“, zählt Rainer Wirth auf. Die Lungenfunktion wird gestärkt und das Risiko für Gefäßerkrankungen sinkt – auch im Alter noch.

Abspecken bringt Lebensqualität

Und wer dem Übergewicht den Kampf ansagt, wird wahrscheinlich mit weniger Schmerzen belohnt. Wird der „Rucksack“ an Körpergewicht, den man tagtäglich mit sich herumträgt, leichter, tun die Gelenke wie etwa die Knie weniger weh. Außerdem hilft ein gesunder Lebensstil dabei, die Selbstständigkeit im Alter länger zu erhalten.

Buchwald-Lancaster erklärt das am Beispiel regelmäßiger Bewegung: „Niemand muss ein Supersportler sein, sondern es kann schon reichen, eine halbe Stunde am Tag spazieren zu gehen. Aber wenn man gar nichts macht, dann baut die Muskulatur ab.“ Der Gang wird in der Folge unsicherer, das Sturzrisiko steigt. „Oft ist es ein Sturz, der eine Abwärtsspirale in Gang setzt. Ein älterer Mensch kann dann nicht mehr selbstständig zu Hause leben.“

Wichtig sind allerdings realistische Erwartungen. „Wer schwere chronische Erkrankungen hat, für den ist es natürlich schwierig, den Nutzen einer Umstellung noch wahrzunehmen, also im Sinne einer gesteigerten Lebensqualität“, sagt Wirth. Und fügt hinzu: „Ich glaube grundsätzlich, in jeder Situation, in der jemand noch halbwegs selbstständig zu Hause lebt, bringt eine Änderung des Lebensstils auch eine Verbesserung der Lebensqualität.“

Nicht zuviel auf einmal wollen

Doch Gewohnheiten umzustellen, ist schwer. Rauchstopp, Ernährungsumstellung, jeden Tag eine Stunde raus: „Niemand kann auf drei oder vier Baustellen gleichzeitig arbeiten“, sagt Wirth. Zu groß ist seiner Meinung nach die Gefahr, dass derjenige die Umstellung am Ende nicht durchzieht – und voller Frust in alte Muster zurückfällt.

Sinnvoller ist es, sich erst einmal einen Bereich vorzunehmen. „Schon die einzelnen Komponenten sind hocheffektiv“, sagt Altersmediziner Wirth. Er rät zu kleinen, messbaren Zielen. Wer sich mehr bewegen will, kann sich vom Schrittzähler in seinem Smartphone helfen lassen – und sich zum Beispiel von 2.000 Schritten täglich auf 5.000 Schritte hocharbeiten.

Leichter fällt der Vorsatz „Mehr Bewegung“ laut Buchwald-Lancaster, wenn der Betreffende eine Gruppe im Rücken hat. Wer sich mehr bewegen will, sollte sich deshalb einer Gymnastikgruppe anschließen, einer Herzsportgruppe oder auch einem Übungsprogramm zur Sturzprävention.

Keine radikalen Diäten

Welche Ziele man sich genau steckt, das hängt von der persönlichen gesundheitlichen Situation ab. Und es ist sinnvoll, größere Veränderungen im Lebensstil auch mit dem Arzt zu besprechen. Denn: „Allzu starke Diäten zum Beispiel werden im Alter gar nicht mehr empfohlen, weil das Risiko der Mangelernährung besteht“, sagt Buchwald-Lancaster.

Außerdem geht mit den Kilos auch Muskelmasse verloren. Ein besserer Ansatz ist dann unter Umständen, mehr Eiweiß zu sich zu nehmen. Denn Eiweiße spielen für den Erhalt der Muskulatur und damit für die Beweglichkeit im Alter eine große Rolle.

Übrigens: Zu einem gesunden Lebensstil gehört laut Altersmedizinerin Buchwald-Lancaster auch, sich um das seelische Wohlbefinden zu kümmern. Über regelmäßige Verabredungen mit anderen Menschen etwa. „Aktivität und soziale Teilhabe sind wichtig für die mentale Gesundheit.“

Haustier hält fit

Und vielleicht ist jetzt auch der Zeitpunkt, sich ein Haustier zuzulegen. Davon können Menschen gesundheitlich profitieren, wie Studien zeigen. „Menschen, die sich um ein Haustier kümmern, haben eine bessere kognitive Funktion, sind mobiler, haben weniger kardiovaskuläre Erkrankungen“, sagt Buchwald-Lancaster. Für einige ist der Hund die beste Motivation, täglich spazieren zu gehen.