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Wellness-Wissen Wellness-Wissen: Die Kneipp-Therapie wird neu entdeckt

Von Miriam Tang 03.09.2003, 12:17
Wannenbad zum Wohlfühlen - die Kneipp-Therapie lässt sich problemlos auch zu Hause anwenden. (Foto: dpa)
Wannenbad zum Wohlfühlen - die Kneipp-Therapie lässt sich problemlos auch zu Hause anwenden. (Foto: dpa) Kneipp-Werke

Bocholt/Bonn/dpa. - Sie ist seit über 150 Jahren erprobt und kommt mit wenigen Hilfsmitteln aus: Die Kneipp-Therapie ist alltagstauglich und selbst im heimischen Bad umzusetzen. Ihre Anhänger schreiben der Behandlung seit je her die Heilung zahlreicher akuter und chronischer Leiden zu. Doch im Zeichen des Wellness-Booms bekommt die Behandlung mit wechselnd warmem und kaltem Wasser nach Sebastian Kneipp auch neuen Aufwind - als Lifestyle- und Schönheitsanwendung.

«Alles was wir brauchen, um gesund zu bleiben, hat uns die Natur reichlich geschenkt», soll Kneipp gesagt haben. Mangel an Bewegung, einseitige Ernährung und Hektik hatte der Kräuterpfarrer schon Mitte des 19. Jahrhunderts als Krankmacher angeprangert. «Wir haben einfach zu viel Stress», sagt auch Günter Puhe vom Kneipp-Bund Nordrhein-Westfalen in Bocholt. «Dagegen trainiert die Kneipp-Therapie mit An- und Entspannung das Immunsystem.» Dazu gehören neben dem Wassertreten unter anderem Fußbäder, Waschungen, Bäder mit wechselndem kalten und heißen Wasser, Güsse über einzelne Körperteile, Sitzbäder und Wickel.

Laut Kneipp muss jede Wasser-Behandlung auf der rechten Körperseite beginnen. Der Wasserschlauch sollte dabei immer zuerst an Händen oder Füßen angesetzt und dann allmählich Richtung Rumpf geführt werden, empfiehlt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) in Bonn: So wird das Herz geschont. An Armen und Beinen sollte der Schlauch auf der weniger kälteempfindlichen Streckseite ansetzen.

Bei einem Oberkörperguss läuft das kalte Wasser erst über die Brust und dann über den empfindlicheren Rücken. Anders als bei der kalten Dusche soll das Wasser nicht auf die Haut niederprasseln, um sie nicht zusätzlich zu stimulieren. Es sollte sich nach Kneipp «wie ein Mantel» ohne Druck über die Haut legen und abfließen. Das lässt sich den Experten zufolge mit einem Schlauch von größerem Querschnitt erreichen.

Die heilende Kraft der Temperaturreize entdeckte Kneipp (1821-1897) einst aus purer Verzweiflung. Der an Schwindsucht erkrankte Pfarrer setzte sich nach der Lektüre eines Buches über die heilenden Kräfte des Wassers eines Nachts in die eiskalte Donau. Da er sein Handtuch vergessen hatte, schlüpfte er nass in seine Kleidung und lief schnell nach Hause. Nach dem dritten nächtlichen Ausflug ins kalte Nass des Flusses trat Besserung ein - die Kneipp-Therapie war geboren.

Es folgten Jahre des Wirkens im Verborgenen, durch Mundpropaganda verbreitete Heilerfolge, Verleumdungen und Anklagen wegen Kurpfuscherei. Doch schnell fanden sich viele Unterstützer, die Lehre setzte sich allmählich durch. Inzwischen sind die Erkenntnisse des medizinischen Laien auch wissenschaftlich anerkannt.

Bei einer Kneipp-Behandlung ist es laut BzgA wichtig, zwischen akuten Wirkungen und Langzeiteffekten zu unterscheiden. Rasche Hilfe könne sie bei Schmerzen, Befindlichkeitsstörungen, Kreislauf- und Gefäßproblemen bieten. Wer zum Beispiel nicht richtig schlafen kann, dem kann ein kalter Wickel oder ein feuchtes Nachthemd zur Nachtruhe verhelfen. Größere Bedeutung haben jedoch die regelmäßigen Anwendungen mit Langzeiteffekt. «Die vom Wasser ausgehenden kalten und warmen Reize regen den Blutkreiskauf und Stoffwechsel an», sagt Rainer Wohlfart, Leiter Entwicklung und Zulassung der Kneipp-Werke in Würzburg.

Wer ausgiebig «kneippen» möchte, kann eine Kur machen oder sich selbst behandeln. Neben verschiedenen Büchern vermitteln in Deutschland rund 660 Kneippvereine die Grundlagen. «So lernt man, sich richtig zu begießen», sagt Puhe. Ein Gesichtsguss etwa gilt als Schönheitsmittel gegen Falten. Eine Anwendung über den ganzen Körper, ein so genannter Vollguss, stärke das Immunsystem. Der Nackenguss entspanne verkrampfte Muskeln, ein Wadenwickel lasse Fieber sinken. Bei Schmerzen verschaffe ein aufgelegter Heublumensack Linderung. «Das ist das Morphium in der Kneipptherapie», sagt Puhe.

Kneipps Behandlungsansätze erfassen also weit mehr als nur das weltweit bekannte Wassertreten, bei dem der Patient «wie ein Storch im Salat» durch ein Wasserbecken watet. Bewegung, gesunde Ernährung, Kräutermedizin und ein Ausgleich zwischen Körper, Seele und Geist runden Kneipps Ansatz ab.

Ein entsprechendes Wohlfühlprogramm lässt sich auch in der Badewanne verwirklichen. So helfen zum Beispiel Essenzen aus Kräutern, die bereits Kneipp anwendete. «Beispielsweise entspannt Baldrian bei Nervosität und Schlaflosigkeit», erläutert Wohlfart von den Kneipp-Werken. «Eukalyptus wirkt befreiend auf die Atemwege, Fichtennadel regt die Hautdurchblutung an, und Lavendel lässt einen belebt aus dem Bad wieder aussteigen.»

Für Puhe gehört Kneipp zum Alltag. «Ich mache täglich morgens Arm- und Brustgüsse sowie abends zur Beruhigung Wassertreten in einem großen Eimer oder in der Badewanne», sagt Puhe. Auch Bewegung gehöre dazu. Das müsse nicht unbedingt der Gang ins Fitness-Studio sein: «Schnelles Gehen reicht völlig - und im Wald können sie wunderbar Kraft tanken.» Dabei gelte: Lieber weniger mit Freude tun, als viel mit Anspannung. «Alles muss entspannt geschehen», so Puhe.

Kneipp-Bund - Bundesverband für Gesundheitsförderung, Adolf-Scholz-Allee 6-8, 86825 Bad Wörishofen (Tel.: 08247/300 20, Fax: 08247/300 21 99).