Wellness Wellness: Heilkraft des Meeres hilft vielen Menschen

Düsseldorf/dpa. - Die Heilkraft des Meerwassers wusste schon Hippokrates in der Antike für seine Rheumapatienten zu nutzen. Im 18. Jahrhundert schrieb der britische Arzt Richard Russell seine Doktor-Arbeit über den Nutzen von Seebädern, und im 19. Jahrhundert beschrieb der Franzose Bonnadiere die Heilbehandlung durch das Meer und nannte sie «Thalasso-Therapie». Auch in Deutschland schickten vor allem besorgte Eltern ihre schwächelnden Kinder zur Erholung in die Winde der Ost- und Nordsee. Nun hat die Wellness-Branche Algenpackung, Meerwasser und Reizklima für sich entdeckt.
«Abgeleitet von dem griechischen Begriff "thalassa" für Meer und "therapeia" für Pflege bedeutet Thalasso schlicht und ergreifend Heilbehandlung durch das Meer», erklärt Lutz Hertel vom Deutschen Wellness Verband in Düsseldorf. Dabei wird nicht nur Meerwasser für Bäder und Dampfinhalationen verwendet. Algen- und Fangopackungen, Bäder mit Schlick und Algen sowie Strandwanderungen gehören ebenso dazu. «Ganzheitliche Therapien sind daher auch nur in Küstennähe möglich», erläutert Volker Harms vom Institut für medizinische Klimatologie an der Universität Kiel.
Das Sonnenlicht, der Salzgehalt in der Luft und der Wind ließen sich nicht mit den besten technischen Geräten simulieren. «Wer Thalasso-Therapie im Binnenland anbietet, betreibt Etikettenschwindel», ist Harms überzeugt. Den häufigen Gebrauch des Begriffes betrachten viele Experten mit Skepsis.
Daher hat der Europäische Heilbäderverband zusammen mit Wellness-Spezialisten acht Qualitätsmerkmale für die Therapie festgelegt. «Diese Kriterien sollen den Standard sichern und Gästen wie Patienten international eine gewisse Sicherheit geben», sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Heilbäderverbandes (DHV), Bodo Scholz. Zu diesen Voraussetzungen gehört etwa, dass die Thalasso-Zentren und Hotels in unmittelbarer Küstennähe liegen. Ärztliche Aufsicht ist außerdem nach Ansicht des Heilbäderverbandes ein Muss für ernstzunehmende Therapien.
«Während Ärzte und Therapeuten im 19. Jahrhundert mit Seebädern vor allem Hautkrankheiten, Atemwegserkrankungen wie Tuberkulose und Herz- und Gefäßerkrankungen behandelten, hat sich das Spektrum mittlerweile erweitert», sagt Scholz. Im 20. Jahrhundert schickten Mediziner dann vor allem Kinder mit Abwehrschwäche in das Reizklima der Nordsee. «Heute hilft die Thalasso-Therapie bei Störungen der Blutbildung, bei geschwächten Nerven, Bleichsucht und Blutarmut sowie bei der Schwächung der Muskulatur wie des Magens und des Darms», erklärt DHV-Geschäftsführer Scholz.
Dabei sollte der Ort des Seebades genau gewählt sein: Die Nordseeküste und -inseln bieten sehr salzreiches Wasser, kühle Luft, viel Wind, meist starken Wellengang und damit unter anderem die Stimulierung der Schilddrüse. «Daher eignet sich die Nordsee vor allem für kräftigere Menschen ohne Lungenleiden», so Scholz. An der Ostsee sowie in Kurorten des Mittelmeeres wie Nizza, Ischia und Cannes ist die Luft wesentlich milder.
«Die klassische Meeresheilkunde mit ihrer meist klar definierten Zweckmäßigkeit für Patienten ist immer mehr auf dem Rückzug und wird von der Thalasso-Therapie für selbstzahlende Wellness-Gäste abgelöst», sagt Volker Harms von der Uni Kiel. Vor allem orientalische Länder mit einer langen Bädertradition wie Marokko, Tunesien und der Türkei setzten auf die Wellness-Gäste. «Sie können die sehr personalintensiven Massagen und Anwendungen preiswerter anbieten und nehmen die Behandlungen medizinisch sehr ernst», weiß Harms. Meerwasser-Druckstrahlmassagen, Vichy-Duschen, Algenpackungen, Wassergymnastik und Behandlungen mit Dampf und Sprühnebel sollen dem Stressabbau dienen, Verspannungen lösen und Schlafbeschwerden lindern. Auch zum Entschlacken gilt Thalasso als wahres Wundermittel. «Wer allerdings behauptet, Thalasso könne Cellulites reduzieren, lügt», warnt Wellness-Experte Hertel.
Auch an deutschen Küsten haben sich Spas und Hotels auf die Meeresheilkunde spezialisiert. Wer sich einen Aufenthalt im Wellness-Hotel nicht leisten kann oder will, könnte seinen Urlaub ganz einfach an die deutsche Küste verlegen: «Untersuchungen haben ergeben, dass Strandspaziergänge im Sand einen enormen Trainings- und Entspannungseffekt haben», erklärt Harms. Die frische Luft reinige die Schleimhäute und stärke das Immunsystem. «Jeder Strandurlaub ist somit eine kleine Thalasso-Kur.»