1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Wege zum Wunschgewicht: Wege zum Wunschgewicht: Augenmaß statt Crash-Diät

Wege zum Wunschgewicht Wege zum Wunschgewicht: Augenmaß statt Crash-Diät

22.03.2006, 15:36

Potsdam/Göttingen/dpa. - So ist das Frühjahr nichtohne Grund der Zeitpunkt, an dem insbesondere Frauen mit einer Diätbeginnen. Doch nicht wenige scheitern mit ihrem guten Vorsatz bereitsnach ein paar Wochen.

«Die meisten setzen sich zu hohe Vorgaben», sagt Christiana Einigvom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Siewollten ihr Gewicht gleich um 20 oder 30 Kilogramm reduzieren - «soviel, wie sie in ihren besten Zeiten gewogen haben». Doch das Motto«möglichst viel in möglichst kurzer Zeit abnehmen» sei gleich inmehrfacher Hinsicht schädlich, erläutert Prof. Volker Pudel,Ernährungspsychologe an der Universität Göttingen. Die meisten Diätenfunktionierten nach dem Prinzip, auf einen Schlag bestimmteLebensmittel zu meiden oder gar komplett zu hungern. «Das führt oftzu einer krassen Form von Fehlernährung.»

Daneben stellt sich laut Pudel der berühmte «Jojo-Effekt» ein: Werseine Ernährung radikal umstellt, nehme in den ersten Wochen ofttatsächlich spürbar ab. «Abgebaut wird aber vor allem Muskeleiweiß»,warnt der Experte. Durch eine Nulldiät lasse sich das Gewicht ineinem Monat durchaus um mehr als zehn Kilogramm reduzieren - derKörper verliert jedoch vor allem Muskelmasse und Wasser. «Das Fettspart sich der Körper für Notzeiten auf.»

Zudem schaltet der Organismus auf Sparflamme um - beispielsweiseauf eine geringere Hauttemperatur - und stoppt irgendwann denGewichtsverlust. An diesem Punkt kehrt der Abnehmwillige meist zuseiner normalen Kost zurück, erläutert Prof. Pudel - mit fatalenFolgen: Da die «Sparprogramme» noch laufen, verwertet der Körper dieNahrung noch besser. Die Freude über die verlorenen Pfunde weicht demEntsetzen, wenn nach kurzer Zeit die Waage stärker ausschlägt als jezuvor: «Ich nenne das Gewichtsabnahme mit Zinsen - solche Diätenmachen dick.»

Die Kunst ist laut Pudel nicht das Abnehmen, sondern dielangfristige Stabilisierung des Gewichts. Wer wirklich abnehmen will,sollte daher auf jede Form der Crash-Diät verzichten. «Nicht mehr alsein Pfund die Woche» empfiehlt Ernährungsberaterin Einig. Auch fürdie kleinen Ziele sind nur eine grundsätzliche und langfristigeUmstellung der Ernährung Erfolg versprechend. «Es geht zunächst vorallem um Selbsterkenntnis», sagt Einig. Dabei gehören nicht nur dieLebensmittel selbst auf den Prüfstand, sondern auch die Esskultur unddas Bewegungsverhalten.

Zunächst sollten die kleinen Naschereien reduziert werden, rätEinig. Alkohol und Süßigkeiten müssen zwar nicht immer komplettverschwinden, aber gewissermaßen vom Alltag auf den Sonntagverschoben werden: «Bei uns ist das Verständnis dafür verlorengegangen, dass das etwas Besonderes sein sollte.» Außerdem solltebeim Einkauf möglichst auf Fertigprodukte verzichtet werden: Pizzas,Soßen, Suppen oder Backmischungen enthalten oft eine Fülleversteckter Fette und Zucker. Riskant sind vor allem Billigwaren.«Viele schauen beim Einkaufen nur nach dem Preis, nicht nach denZutaten», kritisiert Einig.

Zu teuren Diät-Produkten muss dennoch niemand greifen. «Zu einerausgewogenen Ernährung gehören Vollkornprodukte, Obst und Gemüse»,sagt Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung(DGE) in Bonn. Fleisch sollte laut DGE nur in Maßen gegessen werden.Wie bei Milchprodukten ist fettarmen Varianten der Vorzug zu geben.Brot, Nudeln, Reis, Getreideflocken - am besten aus Vollkorn - sowieKartoffeln enthalten kaum Fett, aber reichlich Vitamine undMineralstoffe, empfiehlt die DGE in ihren «Zehn Regeln» zu gesunderErnährung.

Daneben sollten Abnehmwillige auch ihre Esskultur unter die Lupenehmen: «Heutzutage wird zu viel nebenbei gegessen - zum Beispiel amComputer oder im Bus», sagt Christiana Einig. Wer sich auf dieseWeise vom Essen ablenkt, nehme die Sättigungssignale des Körpersschlicht nicht wahr. «So etwas lässt sich aber wieder lernen.» Auchabstrakte Regeln wie «den Teller leer essen» behinderten dasAbnehmen.

Unterschätzt wird oft, wie wichtig ausreichende Bewegung für dasrichtige Körpergewicht ist. Übergewichtige nehmen nicht unbedingtmehr Kalorien zu sich als Normalgewichtige, erläutert Prof. Pudel:«Sie sparen aber viele Kalorien dadurch, dass sie sich wenigerbewegen.» Auch Christiana Einig sieht ein Dilemma: Die Anreize zurBewegung nähmen ständig ab - Schuld seien das bequeme Mobil-Telefon,Fahrstühle, Rolltreppen und autogerechte Supermärkte: «Wer sich heutebewegen will, muss sich das ausdrücklich vornehmen.» Es reiche dabeinicht, einmal die Woche Sport zu treiben: Sinnvoller sei es, sichmehr Bewegungsanreize im Alltag zu setzen.

Immerhin 16 Millionen Bundesbürger sind laut Prof. Pudel starkübergewichtig, haben also einen Body-Mass-Index (BMI) über 30. Dasentspricht 82 Kilogramm bei einer 1,65 großen Frau oder 98 Kilogrammbei einem 1,80 großen Mann. Wer unter Bluthochdruck oder Diabetesleidet, sollte einen BMI zwischen 25 und 30 als Obergrenzebetrachten. «18,5 bis 25 sind das Normalgewicht», so Pudel. Bei allerSorge um die Figur sollten insbesondere Frauen sich aber nichtverrückt machen lassen: «Das spindeldürre Mannequin ist das falscheIdeal», sagt Ernährungsexpertin Einig.