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Väter im Kreißsaal Väter im Kreißsaal: Hilfe oder Hemmschuh?

02.01.2002, 12:02

Karlsruhe/München/dpa/gms. - Laut einer Schätzung des Bundes Deutscher Hebammen (BDH) inKarlsruhe sind mittlerweile etwa 95 Prozent aller Väter bei derGeburt dabei. «Die meisten Väter stellen sich wirklich gut an», sagtIsolde Brandstädter vom BDH, die in beinahe 30 Jahren über 5000Kindern auf die Welt geholfen hat. Die Einstellung zur Geburt habesich während dieser Zeit stark verändert. «Die Eltern begreifen dieGeburt ihres Kindes heute als gemeinsames Erlebnis», sagt dieerfahrene Hebamme.

Die Väter wollen die Niederkunft nicht mehr nur ihrer Partnerinüberlassen, sondern aktiv Unterstützung leisten. «Männer können denMüttern zwar nicht die Schmerzen abnehmen», sagt Brandstädter. Dochsei meist ihre Anwesenheit eine große Entlastung. Das bestätigt auchDietrich Weisner, leitender Oberarzt der Station für Geburtshilfe undPränataldiagnostik an der Universitäts-Frauenklinik in Kiel. Zu denwichtigsten Aufgaben der Väter zählten, den Frauen die Angst vor derGeburt zu nehmen und ihnen Rückhalt zu geben. Durch das gemeinsameAtmen, eine Rückenmassage oder das Abwischen des Gesichtes helfe derMann der Frau, so der Mediziner.

Wenig hilfreich sei es jedoch, wenn der Mann seiner Partnerin oderdem medizinischen Personal vorschreiben möchte, wie sie die Geburt zubewältigen haben, sagt Hebamme Isolde Brandstädter. Störend sei auch,wenn er sich hinter seiner Kamera versteckt oder gar im Kreißsaal zurZigarette greift. Auch sollten sich werdende Väter überlegen, ob sieselbst der psychischen Belastung einer Geburt gewachsen sind. MancheMänner litten darunter, ihren Partnerinnen den Schmerz nicht abnehmenzu können, sagt Dietrich Weisner. «Eine Geburt ist stets eineGrenzerfahrung - für Frauen wie für Männer», fasst Brandstädterzusammen. Geburtsvorbereitungskurse seien für beide Partner ratsam.

Solche Kurse werden beispielweise von niedergelassenen Hebammen,Kliniken und Familienbildungsstätten sowie von der Gesellschaft fürGeburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit (GfG) inDüsseldorf angeboten. Dort könnten die Väter über ihre Ängstesprechen und lernen, wie sie im Kreißsaal helfen können, sagt InesAlbrecht-Engel, Bundesvorsitzende der GfG. Im Vordergrund stünden dieSorge um Frau und Kind sowie Fragen nach möglichen Komplikationen.

Solche Sorgen hatte Kai Vogelsang, frisch gebackener Vater ausMünchen, nicht. «Die Schwangerschaft verlief so unkompliziert, dasswir uns keine Gedanken gemacht haben», sagt er. Er habe sichallerdings Gedanken gemacht, ob es seiner Partnerin unangenehm seinkönnte, wenn er sie derart in Schmerzen erlebe. «Aber sie hat das sosouverän durchgestanden. Das hat mir großen Respekt abgerungen»,berichtet er. Er habe ohnehin nicht viel tun können im Kreißsaal. AlsStatist habe er sich deswegen aber nicht gefühlt: «Zum Schluss habeich sogar die Nabelschnur durchtrennen dürfen.»

Ob deswegen die Bindung zu seiner Tochter intensiver sei, kann erjedoch nicht eindeutig einschätzen. Entscheidend sei letztlich, obdas Kind von den Eltern freudig erwartet wurde, sagt dieEntwicklungspsychologin Claudia Quaiser-Pohl von der UniversitätMagdeburg. «Dann wird die Ankunft des Kindes so oder so eingroßartiges Erlebnis».

Informationen: Bund Deutscher Hebammen (BDH), Steinhäuserstraße22, 76135 Karlsruhe (Tel: 0721/98 18 90); Gesellschaft für Geburtsvorbereitung,Familienbildung und Frauengesundheit (GfG), Dellestraße 5, 40627Düsseldorf (Tel.: 0211/25 26 07).