Umstrittene Salbe gegen Neurodermitis auf dem Markt
Köln/dpa. - Viel Wirbel, Hoffnung und Kritik hatte die Neurodermitis-Salbe schon im Vorfeld ausgelöst - nun ist die umstrittene Regividerm am Mittwoch (4. November) überraschend früh vom Hersteller geliefert worden. Dabei steht eine letzte behördliche Prüfung noch aus.
Die rosafarbene Creme soll laut Hersteller cortison- und nebenwirkungsfrei gegen die unheilbaren Hautkrankheiten Neurodermitis und Schuppenflechte helfen. Die Auslieferung der ersten 25 000 Tuben an den Großhandel in Deutschland und in der Schweiz habe begonnen, Österreich folge rasch, sagte der Sprecher der Vertriebsfirma Mavena Health Care, Marc Tenbücken, in Köln.
Es sei «unternehmerisches Risiko», nun den rezeptfreien Verkauf der Salbe in den Apotheken zu starten, obwohl eine letzte Überprüfung durch die Bezirksregierung Düsseldorf noch bevorstehe. Die Behörde will prüfen, ob es sich bei der «nur» als Medizinprodukt zugelassene Regividerm nicht doch um ein Arzneimittel handelt. Dann kämen auf den Hersteller Regeneratio für eine Marktzulassung neue, hohe Hürden zu: Umfangreiche Langzeitstudien und ein Genehmigungsverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel. Die Salbe basiert laut Regeneratio vor allem dem «natürlichen Wirkstoff» Vitamin B12 und auf Avocado-Öl.
Nach ersten Berichten über die Salbe vor gut zwei Wochen hatten viele Apotheken von einem wahren Ansturm berichtet. Das Interesse an Neuentwicklungen ist groß, weil unter den unheilbaren, chronischen Hautkrankheiten Neurodermitis und Schuppenflechte (Psoriasis) in Deutschland rund acht Millionen Menschen leiden. Noch in dieser Woche soll die Salbe für weniger als 30 Euro rezeptfrei in den Apotheken zu kaufen sein, sagte Tenbücken.
Regividerm war im August vom TÜV Süd und der unabhängigen Gesellschaft Intercert als Medizinprodukt zertifiziert worden. Sie ist für die EU und die Schweiz zugelassen. Der Remscheider Hersteller will alle erforderlichen Prüf-Unterlagen bis zum Freitag (6. November) an die Düsseldorfer Behörde schicken. «Die Prüfung ist ein formaler Akt. Wir arbeiten kooperativ mit der Behörde zusammen», meinte Tenbücken.
Die Sprecherin der Bezirksregierung, Stefanie Paul, sagte dagegen, das Ergebnis der Prüfung - und auch die Dauer - seien «völlig offen». Im Mittelpunkt stehe der Inhaltsstoff Vitamin B12 - und die Frage, ob es sich dabei nicht doch um einen medizinischen Wirkstoff handele. Sollte sich nach eingehender Untersuchung zeigen, dass B12 einen pharmakologischen Wert habe und es sich bei Regividerm also doch um ein Arzneimittel handele, könne die Salbe auch nachträglich vom Markt genommen werden. Für diesen Fall würden Regeneratio und Mavena Einspruch beim Verwaltungsgericht erheben, sagte Sprecher Tenbücken.
Ein WDR-Film hatte Mitte Oktober heftige Debatten über die Salbe ausgelöst. Dem Bericht zufolge war die Rezeptur bereits vor 20 Jahren von einem Mediziner und einem Chemiker erfunden worden. Die großen Pharmahersteller hätten aber aus finanziellem Kalkül eine Produktion der Salbe abgelehnt - um eigene, teurere Präparate nicht zu gefährden, kritisierte der WDR-Beitrag. Aber auch der Film war kritisiert worden, als einseitig, ohne die nötige Distanz gemacht - oder sogar als «blanker Unsinn» (Deutscher Psoriasis Bund).
Einige Experten warnen vor überzogenen Erwartungen, wollen nicht von einem «Zaubermittel» oder «Durchbruch» sprechen. Manche Mediziner sehen die Salbe aber auch positiv und rechnen durchaus mit einer Linderung der Beschwerden. Die bisherigen klinischen Studien seien einwandfrei, wenn auch mit kleinem Probanden-Kreis, meinen die Pro-Stimmen. Andere - etwa der Deutsche Neurodermitis Bund - bestreiten glattweg jede positive Wirkung. Es gibt auch Zweifel mit Blick auf Vitamin B12. Kinderarzt Eckhard Korsch von den Kölner Städtischen Kliniken rät besonders bei Kinderhaut zur Vorsicht: «Zu sagen, das geht nebenwirkungsfrei, ist verwegen. Es gibt durchaus auch Vitamin B12-Allergien.»