Schwierigkeiten bei der Medikamenteneinnahme Schwierigkeiten bei der Medikamenteneinnahme: Tropfen im Becher abzählen

Zwei halbe Pillen morgens, eine Kapsel aufgelöst bei Bedarf, drei ganze Tabletten nach dem Mittagessen, eine davon unzerkaut: Patienten, die bei solchen Medikamentenverordnungen die Übersicht bewahren, haben entweder jahrelange Übung oder außergewöhnliche Fähigkeiten. Vor allem ältere Menschen scheitern beim Befolgen von Therapien. Das habe nichts mit mangelnder Disziplin zu tun, sagen Experten: Häufig wird von Ärzten einfach zu wenig erklärt oder zu viel verschrieben.
Mit fortschreitendem Alter sinkt die Zahl der Patienten, die ihre Medikamente korrekt einnehmen zusehends, so das Ergebnis einer Untersuchung von Professor Thorsten Doering, Medizinische Hochschule Hannover. Aus einem einfachen Grund: "Im Alter benötigen Patienten nun mal mehr Medikamente", so Doering. "Je mehr Medikamente verschrieben werden, desto schwieriger wird es, die Vorgaben der Ärzte zu befolgen". Die Patienten missverstehen zudem häufiger ärztliche Empfehlungen, fürchten Nebenwirkungen oder werden nicht ausreichend über die Notwendigkeit des Medikamentes aufgeklärt.
Und viele Patienten scheuen sich, beim Arzt Fragen zu stellen, hat Diplom-Psychologin Eva Küstner vom Diabetes-Zentrum des Klinikums Offenbach beobachtet: "Sie wollen vom Hausarzt nicht allzu viel Zeit fordern". Dabei gehört es zur ärztlichen Berufspflicht, Patienten umfassend aufzuklären.
Diabetiker etwa brauchen Küstner zufolge eine ausführliche Therapie-Schulung. "Die sollten sie auch fordern."
Ebenso wichtig seien detaillierte Informationen über die Krankheit: "Erst wenn ich als Diabetiker die gefährlichen Folgen einer eiweißhaltigen und fettreichen Ernährung verstanden habe, sind die Voraussetzungen für eine gute Therapie geschaffen", hält die Diplom-Psychologin fest. Mediziner Doering empfiehlt, vor dem Arztbesuch Fragen aufzuschreiben.
Laut einer US-amerikanischen Studie werden vor allem Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Antibiotika und Magen-Darm-Medikamente weggelassen. "Auch Medikamente gegen Bluthochdruck werden oft vergessen", sagt Doering. Bluthochdruck verursache keine Schmerzen. Es sei deshalb nicht einfach, einem Patienten zu erklären, dass er Arznei einnehmen soll, die eventuell Befindlichkeitsstörungen verursacht. Noch gefährlicher könne ein vorzeitiges Absetzen von Kortison- oder Antibiotika-Präparaten werden.
Apotheker Wolfgang Kircher aus Peißenberg (Bayern) beschäftigt sich seit Jahren mit der richtigen Anwendung von Arzneimitteln. Er fordert von Berufskollegen und Ärzten mehr Aufmerksamkeit bei der Verschreibung und dem Verkauf von Medikamenten. "Apotheker und Ärzte müssen mehr auf ihre Patienten eingehen und sollten regelmäßig nachfragen, ob der Patient die Medikation auch verstanden hat", sagt Wolfgang Kircher.
Manchmal sind die Gründe für die so genannte Medikamenten-Untreue laut Kircher ganz banal, sie würden im Vorfeld aber oft nicht erkannt. "Viele ältere Patienten haben Schwierigkeiten mit der Kindersicherung bei Medikamenten-Fläschchen, trauen sich aber nicht dies zuzugeben."
Manchmal kann der alte Patient sich auf einfache Weise selbst helfen. Apotheker Kircher rät Menschen mit einer Sehschwäche beim Abzählen von Tropfen einen leeren Jogurtbecher zu verwenden: "Dabei kann man die Anzahl der Tropfen akustisch zählen." Tabletten ließen sich meist einfach mit einem Druck durch eine Gabel in zwei Hälften teilen und müssten so nicht mit den Fingern gebrochen werden. Hilfsmittel zum Pulverisieren von Tabletten, Öffnungshilfen für Tuben oder Tablettenboxen gibt es zudem in vielen Apotheken - leider meist erst auf Nachfrage.