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Schlafstörungen Schlafstörungen: Nacht im Schlaflabor

Von Tobias D. Höhn 24.10.2003, 14:55

Halle/MZ. - Es ist eine von rund 240 geprüften Einrichtungen in Deutschland, in denen Patienten, bewacht von merkwürdigen Apparaturen und Ärzten in weißen Kitteln, ihren Schlafproblemen auf die Spur kommen möchten. 88 verschiedene Schlafstörungen werden mittlerweile diagnostiziert - aber nicht alle sind heilbar. Eine Nacht im Labor ist für viele der Weg zu einem neuen, erholsamen Schlaf.

Meist schlafe ich recht gut. "Nur manchmal wird die Nacht zur Durststrecke. Dann wache ich früh wie erschlagen auf", erkläre ich der Leiterin des Schlaflabors, Andrea Bosse-Henck. Die 51-Jährige kennt Vokabeln wie "gerädert", "schlapp", "träge" oder "k.o." aus dem Effeff, schließlich hat sie in den zurückliegenden zehn Jahren rund 4 000 Krankenberichte geschrieben.

"Schlafen Sie gut", sagt sie beim Hinausgehen. Am nächsten Morgen soll ich erfahren, ob ich zu den chronischen Dauerschnarchern zähle, wie meine Freundin behauptet, oder doch nur das abendliche Glas Rotwein für den nächtlichen Geräuschpegel verantwortlich ist.

Bevor die Untersuchung beginnt, werde ich präpariert. Mit einem getränkten Wattebausch rubbelt mir eine Krankenschwester alte Hautschichten, wie sie sagt, von Kopf, Brust und Beinen. "Sonst gibt es keine vernünftigen Widerstände, und die Messung ist für die Katz." Mit schmerzverzerrtem Gesicht lasse ich die kommende Stunde über mich ergehen: Eine Batterie aus Elektroden und Geräuschfühlern wird an Schläfen, Kinn, Wade, Brust und Hals angeklebt. Während die Kabelstränge an meinem Hinterkopf verzurrt werden, macht sich bei mir die erste Vorahnung einer ruhelosen Nacht breit. Wie soll ich derart verkabelt bloß süß schlummern? Ein Gerät so groß wie ein Kassettenrekorder wird mir um die Schulter gehängt. Es zeichnet die Daten auf. Es ist kurz vor 18 Uhr. Ich betrete Raum 1028, eine spartanische acht Quadratmeter große Kammer mit Bett, Tisch und Stuhl. "Dies ist ihr eigenes kleines Reich für die kommende Nacht. Machen Sie es sich gemütlich", sagt die Schwester und drückt mir mehrere Fragebögen in die Hand. Auf 13 eng beschriebenen Seiten soll ich von meinen Schlafgewohnheiten berichten.

Wie schön müssen es unsere Vorfahren gehabt haben, die jahrtausendelang mit den Hühnern zu Bett gingen und beim ersten Morgenrot aus den Federn schlüpften. Heutzutage schlafen die Deutschen statt neun Stunden wie zu Kaisers Zeiten nur noch sieben Stunden - statistisch von 23.04 Uhr bis 6.18 Uhr. "Wir neigen dazu, zu wenig zu schlafen", sagt Thomas Penzel von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin.

Ich bin wohl eingedöst, denn als ich hoch schrecke, ist es kurz vor 21 Uhr. Ich habe mich mit zwei Leidensgenossen verabredet. Wolfgang, 50, und Frank, 44, beide Extrem-Schnarcher, untersetzt. "Der Großteil der Schnarch-Patienten hat Übergewicht", erzählt mir die Schlaflabor-Chefin Bosse-Henck am nächsten Tag. Das Gefährliche seien allerdings nicht die monoton knatternden oder röchelnden Geräusche, sondern die damit oft verbundenen Atemaussetzer.

Schlafapnoe nennen es die Ärzte, wenn Menschen im Schlaf bis zu mehreren Minuten zu atmen aufhören. Das ist Schwerstarbeit für das Herz-Kreislauf-System, ähnlich einer Tour auf den Mount Everest ohne Sauerstoffgerät. Umrahmt werden derartige Anfälle manchmal auch von bizarren Störungen wie Schlafwandeln, Zähneknirschen, Bettnässen oder starker Tagesmüdigkeit.

"Bis zu 54 Sekunden war heute Nacht mein Aussetzer. Das ist ganz schön heftig", sagt Wolfgang. Er hat Angst vor der nächsten Nacht, dem nächsten nächtlichen Aussetzer. Diese Nacht soll Wolfgang eine Atemmaske übergestülpt bekommen - nicht schön, aber nützlich. Die bis vor wenigen Jahren kaum zu therapierende Krankheit wird heute mit einem Mikroprozessor gesteuerten Generator bekämpft. Dieser pumpt über einen Plastikschlauch auf konstantem Druckniveau gehaltene Luft in die Nasenmaske und von dort aus in die Atemwege. "Hauptsache es hilft", meint Zimmernachbar Frank. Konzentrationsschwäche, Unaufmerksamkeit und sogar das lebensgefährliche Nickerchen am Steuer sind für den Kraftfahrer seit Jahren gefährliche Begleiterscheinungen der Schlafapnoe.

Während in den Zimmern von Frank und Wolfgang das Licht erlischt, darf ich in das Zentrum des Schlaflabors. Auf zwei Monitoren sehe ich, wie sich Frank und Wolfgang, von einer Infrarotkamera gefilmt, in den Laken wälzen. Ein Lautsprecher trägt die noch zarten Schnarchgeräusche in das Laboratorium. Auf zwei Computerbildschirmen wimmelt es derweil bereits von bunten Kurven, Balken und Strichen. "So ähnlich sieht das bei Ihnen vielleicht auch aus", erklärt mir Susanne Binder. Die 25-Jährige überwacht und protokolliert die Aufzeichnungen. Löst sich bei den Patienten eine Elektrode oder die Sauerstoffmaske, ist sie zur Stelle.

Am nächsten Morgen werde ich abgestöpselt. "Sie haben einen besonders spannenden Schlaf", meint Bosse-Henck und zeigt mir meinen auf Papier gebannten Schlaf. Die erste Überraschung - die Einschlafzeit. Was mir wie eine Ewigkeit vorkam, dauerte nur 14 Minuten. "Bis zu einer halben Stunde ist völlig normal", erklärt die Internistin. Überraschung Nummer zwei: Anders als die meisten Menschen ist der Übergang von der Traumphase REM ("Rapid Eye Movement") zum Wachstadium nicht fließend, sondern abrupt. "Bin ich nun ein Schnarchsack", frage ich ungeduldig. "In dieser Nacht haben Sie kaum geschnarcht. Aber Sie können gerne noch eine Nacht bleiben und die Schlafmaske testen", meint Bosse-Henck. Beim Gedanken an die vergangene Nacht lehne ich ab.