Psychotherapie Psychotherapie: Skepsis gegen astrologische Erweiterung
Berlin/dpa. - Vor wenigen Jahren erweiterte Schrader sein therapeutisches Arsenal um die Astrologie.
Seither bietet er den Patienten auch ein astrologisches Gutachten an, mit gutem Erfolg, wie der Psychologe sagt. Doch gegen die Kombination von Psychotherapie und Astrologie regt sich heftiger Widerstand.
Astrologie, die Charakterdeutung anhand von Sternenkonstellationen, wurde schon mit der New-Age-Bewegung der 70er Jahre zu einem Massenphänomen auch in Deutschland. Astrologen behaupten, die Stellung der Planeten zueinander beeinflusse die Persönlichkeit der Menschen. 97 Prozent der Deutschen immerhin kennen ihr Sternzeichen, jeder zweite glaubt, an der Astrologie ist «etwas dran». Das berichtet der Münchner Colin Goldner, Gründer des Forums Kritische Psychologie. Axel Springer und Ronald Reagan holten regelmäßig Rat bei ihrem Astrologen.
Schraders Patienten im Krankenhaus Am Urban passen in dieses Bild. «98 Prozent, die ich frage, nehmen das Angebot an», sagt Schrader, der nebenbei und zusammen mit dem Psychologen Jürgen Hesse ein erfolgreicher Sachbuchautor zum Thema Berufsberatung ist. 2000 Gespräche mit astrologischem Einschlag will er inzwischen geführt haben. Seit einer persönlichen Begegnung mit einem Astrologen sei er davon begeistert.
Die Ergänzung seines tiefenpsychologischen Handwerkszeugs um die Astrologie begründet er so: «Die Verweildauer im Krankenhaus ist rapide gesunken. Auch wir Psychologen sind gehalten, immer schneller zum Kern des psychischen Problems vorzudringen. Mit astrologischen Aussagen komme ich viel schneller an die zentralen Konfliktthemen des Patienten heran.» Viele Krankheiten werden durch psychische Probleme wenn nicht verursacht, so doch aufrechterhalten.
Ingeborg Lackinger-Karger, Mitautorin des Buches «Kursbuch Seele» (1996), sieht eine «grobe Täuschung» darin, wenn «ein vielfach widerlegtes Denksystem» herangezogen wird, um auf den wachsenden Arbeits- und Erfolgsdruck im Krankenhaus zu reagieren. Der hohe Zuspruch der Patienten ist ihr kein Rätsel: Suggestionskraft des Helfers Schrader und Hilflosigkeit der Betroffenen mögen Gründe sein.
«Es ist verständlich, dass sich gerade Krebskranke an jeden Strohhalm klammern», sagt die in Düsseldorf arbeitende Psychotherapeutin. Doch Astrologie würde sie in einer falschen Hoffnung wiegen und sei letztlich «gefährlicher Unfug»: «Die Auseinandersetzung mit der Krankheit kann gerade bei psychischen Problemen durch Astrologie und andere Heilsversprechen verhindert werden, zum Schaden der Betroffenen.»
Gleicher Meinung ist Colin Goldner. Astrologie sei «akademisch getarnter Unsinn», schimpfte er 2000 in einem kritischen Buch über Esoterik in der «Psycho-Szene». Von der so genannten Vulgärastrologie, wie sie in Zeitschriften-Horoskopen zu finden sei, halte er gar nichts. Aber auch die hochkomplizierte Astrologie, auf die sich Schrader bezieht, ist laut Goldner nichts als Augenwischerei. Die Darmstädter Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften (GWUP) nahm die Voraussagen von bekannten Astrologen wie Elisabeth Teissier unter die Lupe und bekam heraus, dass man genauso gut eine Münze hätten werfen können.
«Schon einfachste Grundkenntnisse in Astronomie führen das Sterndeuten ad absurdum», sagt Goldner. Astrologen berücksichtigten nicht die dreidimensionale Anordnung der Planeten, sie sähen nicht die Hunderte von neu entdeckten Himmelskörpern, ignorierten die «Unwucht» des Planeten Erde, die die zwölf Tierkreiszeichen längst aus ihrer ursprünglichen Position «verrutschen» ließ, und sie würden das 13. Tierkreisbild «Schlangenträger» links liegen lassen.
«Alle, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort geboren wurden, Zwillinge beispielsweise, müssten laut Astrologie dann auch den gleichen Entwicklungsweg nehmen», so Lackinger-Karger. «Welche Wirkung hat dann aber die Sozialisation?» Sie sehe durchaus, dass astrologische Aussagen in der Psychotherapie entängstigend wirken und Vertrauen schaffen könnten. Das bekannte psychologische Handwerkszeug würde aber diagnostisch und therapeutisch ungleich mehr leisten, vor allem aber auf seriöser Basis.
Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung der Parawissenschaften: http://www.gwup.org
Forum Kritische Psychologie: http://www.fkpsych.de