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Betroffene erzählt Depression in der Beziehung: "Gegen derartige Krankheit wird man als Partner immer verlieren"

Wie verhält sich ein Partner mit Depressionen? Und wie ist es, wenn sich der depressive Partner trennt? Eine Betroffene gibt Antworten.

Von Aline Wobker Aktualisiert: 14.11.2021, 12:22
Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen haben vor allem während der strengeren Lockdown-Phasen zugenommen. 
Depressionen, Angststörungen und andere psychische Erkrankungen haben vor allem während der strengeren Lockdown-Phasen zugenommen.  Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Magdeburg/DUR - Anna Baumberg* ist 29 Jahre alt und arbeitet als Lehrerin. Ihr Ex-Partner leidet an Depressionen - und verließ die junge Frau deshalb. Wie die 29-Jährige damit umgeht und wie sich die Depressionen ihres Partners zeigten, erzählt sie im Interview: 

Liebe Anna Baumberg, danke, dass Sie über dieses sensible Thema mit uns sprechen. Hatte ihr Ex-Partner bereits Depressionen, als Sie ihn kennengelernt haben oder erkrankte er erst im Laufe der Beziehung?

Anna Baumberg: Mein Ex-Partner hatte als ganz junger Mann bereits Depressionen und war damals auch in Behandlung, ich kannte ihn jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Innerhalb der Beziehung hatte er von Beginn an damit zu kämpfen, gesagt hat er mir davon aber nichts. Ich habe es irgendwann von mir aus bemerkt.

Zu seiner Krankheit stand er eher nicht, er hat es zwar nicht abgestritten, hat sich aber auch nicht in Behandlung begeben oder mit mir offen darüber sprechen können. Seine Scham mir und vor allem sich selbst gegenüber war riesig. Erst jetzt, nachdem wir getrennt sind, nimmt er - auf meine dringende Bitte hin - endlich Hilfe an.

Wie war es für Sie, einen Mann mit Depressionen kennenzulernen?

Zu Beginn ist mir nur aufgefallen, was für einen auffälligen Umgang er mit dem Thema Traurigkeit hat. Er war zu gut gelaunt, zu überdreht, wollte jede Traurigkeit von sich weisen. Während gesunde, nicht an Depressionen erkrankte Menschen von sich selbst sagen können "ich bin traurig" oder "mir geht es nicht gut", so war ihm das nicht möglich. Sicher hatte das auch damit zu tun, dass er die Krankheit nicht akzeptieren konnte und alles sein wollte, aber nicht depressiv und daher auch nicht in Behandlung war.

Ging es ihm schlecht, hat er den Clown gespielt. Das Klischee des  "traurigen Clownes" hat seither für mich noch eine andere Bedeutung.

Wann traten die Depressionen ihres Ex-Partners auf? Wie war es, die Depressionen des eigenen Partners zu bemerken?

Wie beschrieben, haben sich die Depressionen auf untypische Art bemerkbar gemacht. Während man sich einen depressiven Menschen mit verschmutzen Kleidern im Bett liegend vorstellt, hat er extra den Fröhlichen gespielt. Kennt man einen Menschen jedoch so gut, wie man seinen Partner kennt, fällt einem dies aber natürlich auf.

Das einzig typische Anzeichen war seine Antriebslosigkeit und das unendliche Chaos in seiner Wohnung. Und er sah auch schlicht schlecht aus in seinen depressiven Phasen: grau und fahl im Gesicht und einen ganz anderen Ausdruck in den Augen.

Wie sind Sie mit dieser schwierigen Situation umgegangen?

Als mir die depressiven Verstimmungen meines Ex-Partners bewusst geworden sind, habe ich ihn in einem ruhigen Moment darauf angesprochen. Er hat es zwar nicht abgestritten und war sichtlich berührt, hat aber weiterhin keine Hilfe in Anspruch genommen. Das Trügerische bei Depressionen ist ja auch, dass sie in den meisten Fällen auch ohne Behandlung schwächer werden, dann aber oft wieder zurückkommen.

Meist gab es nach einer depressiven Phase eine Verbesserung, oft durch Urlaub oder einen anderen Tapetenwechsel. Ich habe das Thema dann  wieder schleifen lassen und nicht mehr auf eine Behandlung gepocht, wobei ich sagen muss, dass sowieso die oder der Erkrankte die Hilfe von sich aus annehmen muss und man als Angehöriger nichts erzwingen kann.

Welche Veränderungen gab es in Ihrer Beziehung?

Bei meinem Ex-Partner kam die Depression jeweils in Schüben und ist dementsprechend auch wieder nach einer Weile schwächer geworden. Leider nur zum Zeitpunkt, bis sie wieder gekommen ist.

In seinen depressiven Phasen hatten wir eine ganz andere Beziehung als in seinen gesunden Zeiten. War er gesund, war unsere Beziehung nah und innig, so war es auf jeden Fall aus meiner Sicht.

Wenn er in einer depressiven Phase war, hat er sich zurückgezogen von mir und war unnahbar, kalt und distanziert. Es war tatsächlich so, als wäre er dann ein anderer Mensch. Seine kalte Art, die ständigen Zurückweisungen und vor allem das Ignorieren sind mir wirklich an die Nieren gegangen.

Wenn er in einer depressiven Phase war, konnte er mich teilweise nicht mal grüßen, wenn ich nach Hause gekommen bin. Er hat nichts gesagt oder gefragt und war ganz in seiner eigenen, dunklen Welt gefangen. Seine ganze Welt hat sich nur um ihn selbst gedreht.

Depressive Menschen haben oft - zumindest in der depressiven Phase - keine Gefühle mehr oder können sie nicht wahrnehmen. Er hat sich in seinen Depressionen mir gegenüber also schlicht verhalten wie ein Mensch, der keine Gefühle für mich hat: kaltherzig, ignorant und absolut desinteressiert.

Sie haben bereits im Vorfeld berichtet, dass sich ihr Partner wegen seiner Depressionen getrennt hat. Wie kam es zur Trennung?

Mein Ex-Partner hatte wieder eine akute Phase und hat sich mit der Begründung getrennt, keine Gefühle mehr für mich zu haben. Dies glaubte ich ihm in diesem Moment auch. Ich denke jedoch, dass das eher mit der Depression als mit unserer Beziehung zu tun gehabt hat, da diese Gefühlslosigkeit ja leider ein Symptom der Depression ist.

Dies habe ich ihm auch so gesagt und er hat es nicht verneint. Ich bin mir natürlich nicht zu 100 Prozent sicher, dass seine Gefühlslosigkeit von der Depression gekommen ist. Gefühle für den Partner kann man ja auch ohne Depression verlieren. Bei ihm hat jedoch alles ins Bild gepasst, daher denke ich schon, dass die Depressionen der Grund sind.

Eigentlich ist es mir aber inzwischen nicht mehr wichtig, warum es so gekommen ist. Tatsache ist, dass er sich getrennt hat und auch wenn die Gefühle wiederkommen sollten, wenn sich die Depression bessert, gibt es für mich kein Zurück. Ich kann nicht mit einem Partner zusammensein, der seine Gefühle für mich von Zeit zu Zeit verliert, egal ob dies von einer Krankheit kommt oder nicht.

Wie haben Sie es geschafft, mit der Trennung umzugehen? Haben Sie noch Kontakt zu ihrem Ex-Partner?

Wir haben noch immer Kontakt und stehen uns auch weiterhin nahe. In seinen gesunden Zeiten waren wir ja sehr verbunden. Ich bin jedoch froh, keine Beziehung mehr mit ihm zu führen und seine Kälte in den depressiven Phasen nicht mehr zu spüren.

Eine Frau mit ebenfalls depressiven Partner hat mir mal gesagt "wenn dir die Vorstellung, den Rest deines Lebens mit ihm zu verbringen mehr Angst macht, als eine Trennung, dann solltest du gehen". Auch wenn er im Endeffekt gegangen ist, so hat dieser Satz doch sehr viel Wahres für mich.

Was würden Sie anderen Menschen raten, die sich in der gleichen Situation befinden, wie Sie damals?

Holt euch Hilfe! Eine Depression ist eine Krankheit und nichts, was man als Partner tragen kann. Es gibt viele Therapeutinnen und Therapeuten, die auch Sprechstunden für Angehörige anbieten. Ausserdem würde ich wirklich versuchen, dem Partner Mut zu machen, dass er sich Hilfe holt. Er will es nicht hören in diesem Moment, aber man sollte nicht vergessen, dass Depressionen tödlich sein können.

Wenn sich euer Partner keine professionelle Hilfe holt, so ehrlich möchte ich sein, dann würde ich so schnell laufen wie möglich. Unbehandelte Depressionen müssen nicht das Ende eurer Beziehung heißen, aber gegen eine derartige Krankheit wird man als Partner immer verlieren. Die Depression ist leider oft stärker als die Liebe.

Vielen Dank für die offenen Worte!

*Name von der Redaktion geändert