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Notbremse OP  Notbremse OP : Extremes Übergewicht mit Magenbypass verringern

12.12.2013, 13:42
Ab einem BMI von 35 kann die Krankenkasse die Kosten für eine Adipositas-Operation übernehmen.
Ab einem BMI von 35 kann die Krankenkasse die Kosten für eine Adipositas-Operation übernehmen. dpa Lizenz

Halle (Saale)/MZ/DPA/DMN. - Immer mehr Menschen mit Fettleibigkeit legen sich für eine Gewichtsreduktion unter das Messer. Nach Angaben der Krankenkasse DAK haben sich die Ausgaben für Magen-Operationen bei stark übergewichtigen Patienten seit dem Jahr 2008 mehr als verdoppelt. Nicht nur die steigende Zahl, sondern auch die größere Anzahl immer komplexerer Eingriffe schlägt dabei zu Buche. Die Rede ist von Kostenexplosion und einer zu schnellen Entscheidung für lebensverändernde Operationen.

Operationen sind sehr erfolgreich

„Die Adipositas ist eine tödliche Erkrankung, die im Schlepptau schwerwiegende Begleiterkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkt mit sich führt“, sagt Prof. Jürgen Ordemann, Leiter des Zentrums für Adipositas und Metabolische Chirurgie an der Charité in Berlin. „Es gibt kaum eine Möglichkeit, sich mit herkömmlichen Therapien von dieser Erkrankung zu befreien“, stellt er klar. Die Zahl der Adipositas-Operationen steige nicht nur, weil es immer mehr stark Übergewichtige gibt und konservative Therapien bei extrem fettleibigen Menschen versagen. Sie steige auch, weil diese Operationen sehr erfolgreich seien.

In Deutschland spielen dem Experten zufolge drei Verfahren eine Rolle: die Magenband-, die Schlauchmagen- und die Magenbypass-Operation. Das Magenband kann nachträglich wieder entfernt werden. Das Verfahren werde jedoch in Deutschland wegen der schlechteren Wirksamkeit immer seltener angewendet. Bei der Schlauchmagen- und der Magenbypass-Operation wird der Magen verkleinert. Bei der Magenbypass-OP wird zusätzlich ein Bereich des Darms umgangen, so dass weniger Nahrung in den Körper aufgenommen werden kann.

Lebenslange Nachsorge ist erforderlich

Diese beiden Verfahren verändern nicht nur das Vermögen der Nahrungsaufnahme, sondern beeinflussen auch die Stoffwechselsituation nachhaltig positiv. „Bestimmte Hormone, die Hunger und Sättigung steuern, werden im Magen selbst gebildet und verringern sich durch die teilweise Entfernung“, erläutert Ordemann. „Somit verändern sich Hunger- und Sättigungsmechanismen, was dazu führt, dass adipöse Menschen weniger essen.“ Die Schlauchmagen- und vor allem die Magenbypass-OP ermöglichen die größte Gewichtsabnahme, machen aber auch eine lebenslange Nachsorge und Nahrungsergänzung mit Vitaminen und Mineralstoffen erforderlich.

„Es gibt keine pauschale Empfehlung für ein bestimmtes Verfahren“, betont der Chirurg. Jeder Patient müsse genauestens untersucht werden. Lebensstil, Adipositasgrad, vor allem aber auch Begleiterkrankungen und nicht zuletzt der persönliche Wunsch des Patienten spielten bei der Operationsentscheidung eine Rolle. Diese müsse immer eine Entscheidung von Arzt und Patient gemeinsam sein.

Body-Mass-Index von 40

Die Krankenkasse kann die Kosten grundsätzlich übernehmen ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 40 beziehungsweise von 35, wenn zusätzlich Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes bestehen. Der BMI wird berechnet, indem man das aktuelle Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Metern. Voraussetzung ist zudem ein vorangegangener, ärztlich begleiteter, erfolgloser konservativer Abnehmversuch im Rahmen einer multimodalen Therapie aus Bewegung, Diät und Verhaltenstraining.

Ebenso muss mit Stellungnahmen des Hausarztes, des Chirurgen, gegebenenfalls eines Hormonspezialisten (Facharzt für Endokrinologie) sowie eines Psychotherapeuten nachgewiesen werden, dass die Operation erfolgversprechend ist. Darauf weist Prof. Stephan Herpertz, Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum, hin.

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Patienten mit Operationswunsch sollten sich immer an ein qualifiziertes Adipositaszentrum wenden. „Hier wird am besten sichergestellt, dass Patienten die umfassende Vor- und Nachbehandlung erhalten, die im Rahmen einer solchen Operation erforderlich ist“, erklärt Herpertz. Dort ansässige geleitete Selbsthilfegruppen ermöglichen auch den Austausch mit anderen Patienten.

Längst nicht alle Anträge werden positiv beschieden. Von privater Finanzierung rät der Mediziner jedoch ab. Wenn Folgekosten entstehen, müsse der Patient auch diese tragen. „Eine Notfallbehandlung bei Komplikationen kann dann schnell finanziell ruinieren.“

Unzählige Diäten hinter sich

Viele behandelnde Zentren fordern einen leichteren Zugang für Adipositas-Patienten zu einer Operation. „Die meisten Patienten, die kommen, haben schon unzählige Diäten hinter sich“, betont Christine Stier vom Exzellenzzentrum für Adipositas- und metabolische Chirurgie am Krankenhaus Sachsenhausen in Frankfurt am Main. Sie kämen, weil sie gesundheitliche Probleme haben.

„Adipositas-Operationen sind keine Lifestyle-Operationen, sondern eine glasklare Therapie, deren Wirksamkeit durch Studien gut belegt ist“, unterstreicht die Expertin. Gefährliche Folgeerkrankungen der Adipositas wie Diabetes, Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall und das Risiko für einen dadurch bedingten früheren Tod ließen sich durch die operative Gewichtsreduktion erheblich senken. „Mit Sicherheit ist das keine 100-prozentige Lösung, und es ist auch kein Knopfdruck, mit dem man die Patienten schlank macht“, betont sie. „Es ist ein lebensverändernder Eingriff, der viel Disziplin erfordert von den Patienten.“ Die Vorteile überwögen jedoch ganz klar.

Die meisten Patienten haben schon unzählige Diäten hinter sich, bevor sie sich für eine Operation entscheiden.
Die meisten Patienten haben schon unzählige Diäten hinter sich, bevor sie sich für eine Operation entscheiden.
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