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Gluten, Laktose und Co. Nahrungsmittel-Unverträglichkeit: Laktose-Intoleranz, Glutenunverträglichkeit und Co.

Von Antonie Städter 15.07.2017, 10:00
Die Bloggerin Nathalie Gleitman isst trotz Intoleranzen gerne.
Die Bloggerin Nathalie Gleitman isst trotz Intoleranzen gerne. Liya Geldman

Halle (Saale) - Dieses Mal hat Nathalie Gleitman Müsli-Riegel dabei. Viele Müsli-Riegel. „So ungefähr zwanzig Stück, den halben Koffer voll“, sagt sie mit einem Lächeln. „Ich habe sie am Wochenende gemacht.“

Das Essen für den ersten Abend in der fremden Stadt hatte sie natürlich ebenfalls vorbereitet: Radicchio-Wraps mit Quinoa-Füllung. So macht es die 25-Jährige immer, wenn sie verreist.

Die erste Mahlzeit gut verpackt im Gepäck, dazu viele Snacks für zwischendurch. Klingt anstrengend, sei es aber gar nicht, beteuert sie. „Organisation ist alles.“

Nathalie Gleitman veröffentlichte ihr Buch „Happy Healthy Food“

Die Münchnerin, die nach ihrem Studium in Tel Aviv weiter in der israelischen Stadt lebt, ist mal wieder in Deutschland unterwegs.

Sie gibt Interviews, hat Termine mit ihrem Verlag. Es geht um ihr Buch „Happy Healthy Food“ voller außergewöhnlicher Rezepte - vom Süßkartoffel-Kokos-Brot bis zu „Spaghetti Bolognese“ mit Kürbis und Huhn.

Dabei geht es immer auch um sie. Um ihre Geschichte. Sie hat mit Verzweiflung und Verzicht zu tun, vor allem aber mit Mut zu Lösungen und Lebensfreude. Und ist dabei eng mit dem Thema Essen verknüpft.

„Ich litt unter Magenkrämpfen, Schwindel, Schlafstörungen“

Es war vor rund drei Jahren, kurz nach ihrem Marketing-Bachelor, als sich Nathalie Gleitmans Leben entscheidend änderte. „Mir ging es immer schlechter. Ich litt unter Magenkrämpfen, Schwindel, Schlafstörungen“, so die Sportbegeisterte, die gerne reist.

Bis Ärzte nach entsprechenden Tests eine Histamin- und später auch eine Laktose-Intoleranz diagnostizierten. „Es stellte sich zudem heraus, dass ich Gluten nicht in großen Mengen vertrage.“

Von nun an sei essen nichts Selbstverständliches mehr für sie gewesen. Ein kleiner Auszug aus der langen Liste der Dinge, die sie nicht mehr zu sich nehmen sollte: Tomaten, Schokolade, Zitrusfrüchte, Weizen, Kaffee, Milchprodukte, Essig, Erdbeeren...

Nahrungsmittelunverträglichkeiten: Immer mehr Menschen betroffen?

Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind dieser Tage ein riesiges Thema. Es scheint, als seien immer mehr Menschen betroffen: Ein Blick in Supermarktregale mit „Frei von“-Produkten genügt.

Während der Körper bei einer Lebensmittelallergie Antikörper bildet, kann er bei einer Unverträglichkeit bestimmte Nahrungsbestandteile nicht richtig aufnehmen und verarbeiten.

Am bekanntesten sind wohl die Laktose- und die Fruktose-Intoleranz, wobei Milch- beziehungsweise Fruchtzucker nicht vertragen werden. Ob sie vorliegen, wird beim Arzt per Atemtest festgestellt.

Gluten kann bei Zöliakie zu Entzündungen im führen

Derweil führt bei einer Zöliakie der Verzehr von Gluten, dem Klebereiweiß in Weizen und anderem Getreide, zu Entzündungen im Dünndarm.

Weniger bekannt ist die Intoleranz gegenüber Histamin, der als Botenstoff im menschlichen Körper sowie in Nahrungsmitteln wie reifem Käse vorkommt.

Doch: „Es besteht eine Kluft zwischen diagnostizierten Intoleranzen und dem wachsenden Markt an Produkten, bei denen auf bestimmte Inhaltsstoffe verzichtet wird“, so Jana Rückert-John, Professorin für „Soziologie des Essens“ an der Hochschule Fulda.

Echte und gefühlte Unverträglichkeiten

„Für mich als Soziologin ist interessant, dass es neben echten Allergien und Unverträglichkeiten immer mehr gefühlte gibt.“

Aber wieso ist das so? „Wir reflektieren heute viel stärker, was uns guttut - oder eben nicht“, erklärt sie. „Zudem ist diese Entwicklung Ausdruck des überbordenden Lebensmittelangebots, das die Konsumenten ein Stück weit überfordert.“

Die naheliegende Strategie damit umzugehen, sei es, die Komplexität zu reduzieren: „Etwa indem man darüber nachdenkt, welche Art von Essen gut verträglich oder moralisch vertretbar ist“.

Die Rolle der Lebensmittelindustrie

Zum anderen trage die Lebensmittelindustrie mit zur Situation bei - „durch den Einsatz etlicher künstlicher Zusatzstoffe, die vielen Menschen nicht gut bekommen“.

Aus ihrer Sicht ist es aber auch geradezu Mode geworden, Probleme mit Lebensmitteln zu haben. „Das ist dann oft Teil der Identität, man kann sich damit von anderen abgrenzen“, sagt die Soziologin.

Es sei auch schlicht ein Gesprächsthema: „Heutzutage ist man ja fast schon langweilig, wenn man keine Allergie oder Intoleranz hat“, so Jana Rückert-John.

Doch es sei wichtig zu differenzieren: „Man darf nicht vergessen, dass es Leute gibt, bei denen Unverträglichkeiten diagnostiziert wurden und die darunter leiden.“

Nicht in Verbotslisten verlieren

Nathalie Gleitman hat irgendwann entschieden, positiv mit ihren Unverträglichkeiten umzugehen. „Statt mich in Verbotslisten zu verlieren, konzentrierte ich mich auf die tollen Nahrungsmittel, die mir blieben - und die ich teils vorher gar nicht beachtet hatte“, erinnert sie sich.

Letztlich seien die Intoleranzen für sie zu einer Chance geworden: „Sie haben ganz andere Geschmackserlebnisse und eine neue Balance in mein Leben gebracht. Ich ernähre mich heute viel bewusster und ausgewogener“, so die junge Frau, die mit ihrer Geschichte auch anderen Betroffenen Mut machen will.

Sie kochte nun selbst, verwendete möglichst unverarbeitete Lebensmittel. Und es ging ihr gut. „Mir war vorher nicht klar gewesen, wie stark Essen, Wohlbefinden und Gesundheit zusammenhängen.“

Blog bietet Rezepte und Tipps

Und: Ihr Blog entstand. Auf der Seite finden sich ihre Rezepte, Erfahrungen und Tipps. Sie entschied, sich beruflich ganz „Nathalie’s Cuisine“ zu widmen. Es ist ihr Thema, ihr Anliegen - jetzt auch festgehalten im Kochbuch.

Zwar ist die Bloggerin weiter vorsichtig beim Essen. Längst jedoch genießt sie es wieder und geht auch wieder in Restaurants. „Meist schaue ich mir vorher im Internet die Speisekarte an.“

Und falls sie unterwegs einmal nichts Passendes finden sollte, hat sie ganz sicher einen Snack dabei.

›› Nathalie Gleitman: Happy Healthy Food, Becker Joest Volk Verlag, 256 Seiten mit mehr als 100 Rezepten, 24,95 Euro