Nächstenliebe XXL Nächstenliebe XXL: Mit Organspenden zu Lebzeiten Angehörigen helfen
München/Neu-Isenburg/dpa. - Die Wartelistefür Nierentransplantationen verlängere sich seit Jahren. Von den mehrals 10 000 Patienten, die in Deutschland auf ein Spenderorgan warten,hoffen allein 9000 auf eine neue Niere. Mit Organen Lebender könntedie Wartezeit verkürzt werden. Doch für die Spender bestehenauch Risiken, warnen Experten.
Seit Ende 1997 das Transplantationsgesetz in Kraft getreten ist,hat die Zahl der Lebendorganspenden in Deutschland stark zugenommen -auch wenn der Gesetzgeber einer Organspende nach dem Todgrundsätzlich den Vorrang gibt. «Vor allem bei Leber und Nierenbietet sich eine Lebendspende an», erläutert Professor Uwe Heemannvon der TU München, Generalsekretär der DeutschenTransplantationsGesellschaft (DTG) in München.
Im Vergleich zu Organen, die einem Toten entnommen wurden,scheinen sich die Nieren eines lebenden Spenders zudem alszuverlässiger zu erweisen: Zahlen der Transplantationsstiftung DSOzeigen, dass fünf Jahre nach der Transplantation noch 80 Prozent derNieren von Lebenden funktionieren, bei Organen verstorbener Spenderliegt der Wert bei 66 Prozent.
Dem Gesetz zufolge ist eine Organspende zu Lebzeiten nur unterVerwandten ersten oder zweiten Grades, Ehepartnern, Verlobten undsich besonders nahe stehenden Menschen möglich. Ein Organhandel istdem Gesetz nach ausdrücklich verboten. Ist eine Lebendspende geplant,muss eine unabhängige Gutachterkommission prüfen, ob dies freiwilligund ohne finanzielle Interessen geschieht, so die DSO. Zudem mussfestgestellt werden, ob zum Zeitpunkt der Transplantation nicht dochein Organ von einem Toten zur Verfügung steht.
Nach Ansicht von Irmi Hobmaier aus Höslwang am Chiemsee,Vorsitzende der Arbeitsgruppe Organspende und Spenderin einer Nierefür ihre Tochter, ist die Lebendspende in vielen Fällen die einzigeMöglichkeit, das Leben wieder erträglich zu machen. Sieben Jahrebetrage die durchschnittlichen Wartezeit auf eine Niere - bis dahinmüssen die Patienten an die Dialyse, eine Art Blutwaschanlage. «DreiMal in der Woche für vier bis fünf Stunden zur Dialyse: Da geht dasLeben vorbei.» Zudem mache die Lebendspende auch ökonomisch Sinn:«Ein Dialysepatient kostet 50 000 Euro im Jahr, eine Transplantationeinmalig 50 000 Euro», sagt Hobmaier.
Dennoch sieht Nierenspezialist Heemann die derzeitigen Regelungenbei Lebendspenden kritisch: Spendeorgane Verstorbener seienvorzuziehen. «Sie operieren einen Gesunden», gibt er zu bedenken. Dieversicherungsrechtlichen Konsequenzen für den seltenen Fall, dassetwas schief geht - etwa Behinderung, Arbeitsunfähigkeit oder Tod -seien noch nicht befriedigend gelöst. Die Stiftung Lebendspende setztsich laut Heemann daher für verbesserte Versicherungsleistungen beiProblemen nach der Operation ein.
Dennoch wächst die Zahl derjenigen, die aus Nächstenliebe zurLebendspende bereit sind. Der Anteil der Lebendspenden an denNierentransplantationen beispielsweise ist der DSO zufolge imZeitraum 1992 bis 1999 von 2,7 Prozent (56 Fälle) auf 16,7 Prozent(380 Fälle) gestiegen. Heute hat sich die Zahl bei einem Anteil vonrund 15 bis 16 Prozent eingependelt. Dennoch können die Wartelistennicht komplett abgebaut werden: Dazu müssten der DSO zufolge jährlich3500 Nieren, 1100 Lebern, 900 Herzen sowie 400 Lungen und 400Bauchspeicheldrüsen transplantiert werden.
Als mögliche Lösung wird daher neben der Freigabe des Organhandelsauch ein Organtausch diskutiert: In dem Fall, dass willigeLebendspender auf Grund ihrer Blutgruppe dem jeweiligen Angehörigenihr Organ nicht spenden können, verspricht eine so genannteÜberkreuztransplantation Hilfe. Die beiden Spender-Empfänger-Paaretauschen die Organe aus. Ebenso wie der Organhandel ist derOrgantausch in Deutschland derzeit aber verboten. «Dabeiwidersprechen Überkreuztransplantationen nicht dem Geist des Gesetzesund sind nicht grundsätzlich abzulehnen», urteilt Heemann.
Informationen: Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO), Emilvon Behring-Passage, 63263 Neu-Isenburg (Tel.: 06102/300 80,Fax: 06102/300 81 88).