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MZ-Serie "Fit in den Herbst" - Teil 2 MZ-Serie "Fit in den Herbst" - Teil 2: Wenn man nicht einschlafen kann

Von Bärbel Böttcher 20.10.2013, 17:32
Die Beilagen, die künftig jeder Wochenendausgabe der MZ beiliegen, zeigen einfache Übungen - zum Nachmachen zu Hause oder im Büro.
Die Beilagen, die künftig jeder Wochenendausgabe der MZ beiliegen, zeigen einfache Übungen - zum Nachmachen zu Hause oder im Büro. PUESCHEL Lizenz

Halle (Saale)/MZ - Der Mensch verbringt durchschnittlich ein Drittel seines Lebens im Schlaf. „Das ist durchaus keine verlorene Zeit“, sagt Dr. Frank Pillmann, leitender Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums der Martin-Luther-Universität Halle. „Schlaf ist vielmehr ein wichtiger Bestandteil des Lebens.“ Er helfe dem Menschen, sich zu regenerieren. „Schlafstörungen können langfristig negativen Einfluss auf die Organe haben“, betont der Mediziner. Umso bedenklicher, dass nach der jüngsten „Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland“ des Robert-Koch-Institutes Berlin 30 Prozent der Bevölkerung über Schlafstörungen klagen. Frauen übrigens häufiger als Männer. Bei 5,7 Prozent der Menschen haben sie einen echten Krankheitswert. Die Medizin spricht hier von Insomnie.

Was bringt so viele Menschen um den Schlaf?

„Unsere moderne Lebensweise begünstigt Schlafstörungen“, sagt Frank Pillmann. Er verweist auf Stress, auf Schichtarbeit aber auch darauf, dass viele Menschen in den Abendstunden sehr aktiv sind. Bis kurz vor dem Schlafengehen fernzusehen, Alkohol zu trinken oder zu rauchen, das seien unter dem Gesichtspunkt der Schlafhygiene ungünstige Verhaltensweisen. „Sicher gibt es viele - vor allem junge Menschen - die das alles gut vertragen“, sagt Pillmann. „Aber bei sensibleren Typen können solche Lebensfaktoren zu chronischen Schlafstörungen führen.“ Außerdem seien Schlafstörungen ein Symptom bei einer Vielzahl von körperlichen und seelischen Erkrankungen. Auch als Nebenwirkung von Medikamenten seien sie bekannt. „Aber häufig treten Schlafstörungen auch als eigenständige Erkrankung auf“, erläutert Pillmann.

Wie entwickelt sich so eine eigenständige Schlafstörung?

Wer kennt die Situation nicht? Man liegt im Bett, dreht sich von einer Seite auf die andere. Probleme werden gewälzt, Erlebtes geht einen durch den Kopf oder eine Prüfung steht bevor. „Das sind Alltagssorgen, die von begrenzter Dauer sind. Ist das Problem gelöst, die Prüfung vorbei, kann der Betroffene in der Regel wieder gut schlafen“, sagt Pillmann. Manchmal setze sich aber ein Teufelskreis in Gang. „Jemand hat ein paar Nächte schlecht geschlafen und entwickelt aus diesem Grund eine regelrechte Angst, ins Bett zu gehen. Er stellt sich vor, wieder nicht schlafen zu können. Und wenn er im Bett liegt, kann er sich dann wirklich nicht entspannen.

Vielleicht schaut er dann auch noch regelmäßig auf die Uhr und gerät in Panik, weil die Zeit fortschreitet und er immer noch wach liegt.“ Psycho-physiologische Insomnie heißt die Krankheit, die der Mediziner sehr häufig zu behandeln hat. Die Patienten erzählen ihm immer dieselbe Geschichte: Im Sessel vor dem Fernseher können sie kaum die Augen offen halten. Sobald sie im Bett liegen, sind sie wieder putzmunter, weil die Bettumgebung sie an die zurückliegenden schlaflosen Nächte erinnert. Und sie können nicht abschalten.

Was passiert da mit den Menschen? Frank Pillmann erklärt es so: Einerseits ist Schlaf biologisch sehr wichtig. Andererseits - das ist ein Erbe unserer Evolution - hat das Gehirn des Menschen Alarmmechanismen entwickelt, die dafür sorgen, dass wir in Gefahrensituationen hellwach sind. Wenn sich diese Alarmreaktionen verselbstständigen, entsteht eine Krankheit. Bemerkenswert dabei ist, dass die Patienten am Tag zwar müde sind. Sie können aber trotzdem nicht schlafen, weil sie sich 24 Stunden lang in erhöhter Alarmbereitschaft befinden.

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Wann sollte jemand, der unter Schlafstörungen leidet, zum Arzt gehen?

Zunächst sollte sich der Betroffene fragen, ob er die Situation vielleicht durch die Veränderung von Gewohnheiten verbessern kann. Wer zum Beispiel vor dem Schlafengehen rauche, müsse wissen, dass Nikotin ein Gift ist, das das zentrale Nervensystem aktiviert und damit schlaffeindlich ist, sagt Pillmann. Und auch Alkohol sei kein geeignetes Schlafmittel. „Erst wenn diese einfachen Methoden nicht helfen, wenn die Schlafstörungen über mehrere Wochen anhalten und der Betroffene merkt, dass er dadurch am Tage müde, gereizt und unkonzentriert ist, dann ist der Gang zum Arzt angesagt.“ Das gelte übrigen auch, wenn der Partner bemerke, dass der neben ihm Liegende Atemaussetzer hat. „Treten die häufig und intensiv auf, dann belasten sie den Kreislauf genauso wie beispielsweise hoher Blutdruck.“ Die Folge könne ein Schlaganfall sein. „Aber“, so beruhigt der Arzt, „es gibt auch gutartiges Schnarchen. Dann reicht es, wenn der Partner zu Ohropax greift.“

Was kann derjenige tun, der noch keine schwere Schlafstörungn entwickelt hat aber gelegentlich nachts wach liegt?

Der Schlafmediziner rät: Das Bett verlassen und einer ruhigen Tätigkeit nachgehen, bis wieder Bettschwere gefühlt wird - beispielsweise Lesen oder Musik hören. „Es gibt auch Menschen, die nachts regelmäßig aufstehen und an den Kühlschrank gehen. Sie wundern sich, dass der Körper sich daran gewöhnt und sie nachts immer wieder zur gleichen Stunde aufwachen“, erzählt Pillmann augenzwinkend.

Wer nachts nicht schlafen kann gönnt sich - soweit das möglich ist - vielleicht einen Mittagsschlaf. Ist das zu empfehlen?

„Ob ein längerer Mittagsschlaf nützlich oder schädlich ist, darüber streitet momentan die Wissenschaft“, sagt der Arzt. Er verweist auf Untersuchungen, die zeigen, dass Menschen, die sich mittags für längere Zeit hinlegen, ein erhöhtes Risiko haben, einen Herzinfarkt zu bekommen. Grund sei die Stressbelastung beim Aufwachen. Da steige der Blutdruck. Aber so richtig bewiesen sei das alles noch nicht. Dennoch scheut sich der Mediziner aufgrund dieser Tatsachen, den Mittagsschlaf zu empfehlen. Er drückt sich salomonisch aus: „Solange die Wissenschaft noch keine Entscheidung getroffen hat, soll das jeder so tun, wie es ihm gut tut.“ Allerdings, Menschen, die nachts schlecht schlafen, rät er kategorisch vom Mittagsschlaf ab. Denn die seien dann am Abend erst recht nicht müde.

Wie viel Schlaf braucht der Mensch eigentlich?

„Es gibt keine genormte Schlafzeit“, sagt Frank Pillmann. Das Schlafbedürfnis der Menschen sei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Untersuchungen zeigten, dass es bei der großen Mehrzahl zwischen sechs und acht Stunden liegt. Wenn jemand nur fünf Stunden brauche, sich am Tag aber fit fühle, dann sei das auch in Ordnung. „Wichtig ist, dass man sich den Schlaf gönnt, den man braucht. Und da muss man auf seinen Körper hören.“

Hierzulande gibt es viele Schichtarbeiter. Wie beeinflusst deren Arbeitsrhythmus den Schlaf?

„Ganz eindeutig ist zu sagen: Schichtarbeit ist der Gesundheit abträglich“, betont Pillmann. Sicher gebe es Bereiche, wo es dazu gar keine Alternative gebe. „Aber das hat seinen Preis“, unterstreicht er. „Unser Körper ist auf regelmäßigen biologischen Rhythmen aufgebaut. Diese werden durch Schichtarbeit durcheinandergebracht.“ Das könne gesundheitliche Folgen haben - angefangen bei Herz-Kreislauferproblemen bis hin zu Krebserkrankungen.

In Sachsen-Anhalt gilt das Motto: Wir stehen früher auf. Wie ist das aus schlafmedizinischer Sicht zu bewerten?

„Als Schlafforscher muss ich über das Motto schmunzeln“, sagt Frank Pillmann. Die Erkenntnis stamme aus der Umfrage eines Meinungsforschungsinstitutes und sei wissenschaftlich nicht gut untermauert. Dennoch zeige sie etwas Interessantes: Die Medizin unterscheidet zwischen sogenannten Chronotypen und nimmt dabei Anleihe in der Vogelwelt. Lerchen kommen morgens gut aus dem Bett und haben abends Probleme wach zu bleiben. Bei den Eulen ist es genau umgekehrt. Die Lerchen - sprich: Frühaufsteher - seien in unserer Leistungsgesellschaft wesentlich anerkannter und deshalb seien sie für eine Werbekampagne gut zu nutzen, meint Pillmann.

Kann durch sportliche Aktivitäten einer Schlafstörung eigentlich vorgebeugt werden?

Unter dem Blickwinkel von Schlafstörungen ist es nicht wichtig, welche Sportart ausgeübt wird, sondern zu welchem Zeitpunkt der Körper auf Touren gebracht wird. „Eine mäßige Ausdauersportart ist durchaus zu empfehlen, wenn sie nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen ausgeübt wird“, sagt Pillmann. Sport wirke kurzfristig aktivierend. Deshalb solle man drei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen damit aufhören.

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Was dem Schlafforscher aber gerade in der beginnenden dunklen Jahreszeit wichtig ist: „Der Mensch braucht Bewegung und Licht als Rhythmusgeber - für das Wachsein und für den Schlaf. Wenn die Tage kürzer werden gehen wir im Dunklen zur Arbeit und im Dunklen wieder nach Hause. Da ist es für den Organismus schwierig mitzukriegen, was die Stunde geschlagen hat“, erläutert Pillmann. Deshalb sollte jeder - so weit das möglich ist - versuchen, sich auch im Herbst und im Winter dem Tageslicht auszusetzen.

Im Schlaflabor wird der Patient verkabelt. Sein Schlaf wird aufgezeichnet.
Im Schlaflabor wird der Patient verkabelt. Sein Schlaf wird aufgezeichnet.
Stedtler Lizenz
Eine Krankenschwester überwacht die Monitore.
Eine Krankenschwester überwacht die Monitore.
Andreas Stedtler Lizenz