Lärm Lärm: Musik auf den Ohren birgt Gefahren

Halle (Saale)/MZ. - Mit Musik auf den Ohren ist der Weg zur Arbeit weniger langweilig, aber unter Umständen gefährlicher. Denn wer sich mit Kopfhörer-Musik regelrecht zudröhnt, riskiert nicht nur die Gesundheit seines Gehörs, sondern bemerkt auch andere herannahende Verkehrsteilnehmer nicht - oder erst viel zu spät. Experten empfehlen deshalb: Runter mit dem Lautstärkeregler und in bestimmten Situationen ganz auf mobile Beschallung verzichten.
Grenzwert klar definiert.
„Alles über 85 dBA ist schädlich“
Für gesundheitsgefährdenden Lärm gibt es eine klare Grenze: „Alles über 85 dBA ist schädlich“, sagt Prof. Roland Laszig, Ärztlicher Direktor der HNO-Universitätsklinik in Freiburg. Die Abkürzung dBA bezeichnet den wahrgenommenen Schalldruckpegel, gibt also Auskunft darüber, wie laut ein Geräusch im Ohr ankommt. Grundsätzlich gilt: Je näher Ohr und Lärmquelle aneinander sind, desto lauter. Sogenannte In-Ear-Kopfhörer, die ins Ohr gesteckt werden, hält der Arzt daher für gefährlicher als aufliegende - schließlich befinden sie sich deutlich näher am empfindlichen Trommelfell.
Kein Limit bei Kopfhörern an der Anlage
MP3-Player und Smartphones würden in Deutschland aber ohnehin nicht lauter als 85 Dezibel (dB), erklärt Michael Zirkel vom Branchenverband High End Society. Die Hersteller folgten damit einer EU-Richtlinie. Bei Geräten aus den USA sei dagegen oft erst bei 110 Dezibel Schluss. „Dem sollte man sich auf keinen Fall länger als 15 Minuten aussetzen“, warnt der Experte. Und bei Kopfhörern an der Anlage gibt es kaum ein Limit: „Da kann ich mir theoretisch die Ohren wegblasen, wenn ich das möchte.“
Verantwortlich fürs Hören sind sogenannte Haarzellen im Innenohr. Kommt bei diesen mehr Lärm an, als sie verarbeiten können, schalten sie automatisch herunter, der Mensch hört schlechter. „Den Effekt kennt jeder, zum Beispiel von einem Rockkonzert“, sagt Laszig und empfehlt belasteten Ohren eine Ruhepause. „Auf keinen Fall sollte man sich direkt nach dem Discobesuch wieder die Ohrstöpsel reinschieben.“ Denn werden die Ohren zu oft dem Lärm ausgesetzt, wird aus dem temporären ein dauerhafter Hörverlust. Eventuell droht auch ein Tinnitus. Wo das Limit für Dauerbeschallung liegt, könnten auch Fachleute nicht genau sagen, erklärt Laszig: „Das ist bei jedem Menschen individuell verschieden.“ Mit steigendem Alter wächst allerdings die Gefahr, dass das Ohr bereits vorgeschädigt und damit verwundbarer für einen Hörverlust wegen Lärms ist.
Beim Kauf vorbeugen
Vorbeugen kann solchen Effekten, wer die richtigen Kopfhörer kauft. „Bei manchen besseren Geräten muss ich die Lautstärke vielleicht nicht ganz so weit aufdrehen und verstehe trotzdem noch alles“, sagt Verbandsexperte Zirkel. Hilfreich ist auch, wenn die Kopfhörer Außengeräusche gut abschirmen. Manche Modelle arbeiten dabei mit einer aktiven Geräuschunterdrückung: Mikrofone in den Hörmuscheln ermitteln die Lautstärke der Umgebung und steuern gegen.
Die Abschirmung hat aber den Nachteil, dass neben störenden Außengeräuschen auch Wichtiges ausgeblendet wird. Gut abschirmende Kopfhörer senkten die Lautstärke der Außenwelt um 20 bis 25 dB, sagt Zirkel. Und das schon ohne Musik. „Im Wald joggen kann man damit vielleicht noch gefahrlos, aber aufs Rad würde ich damit auf keinen Fall steigen.“
Ähnlich sieht das Andreas Hölzel vom ADAC. „Kopfhörer bedeuten schon eine Ablenkung“, sagt er. Die sichere Teilnahme am Straßenverkehr sei so nicht mehr uneingeschränkt gegeben. Grundsätzlich gilt: Je schneller ein Verkehrsteilnehmer unterwegs ist, desto schwerer wiegt die Ablenkung. Ein Radfahrer ist mit Kopfhörern also gefährdeter als ein Fußgänger, weil er oft schneller reagieren muss. Allerdings kommt es auch darauf an, was aus dem Hörer schallt. „Musik ist oft eher Berieselung“, sagt Hölzel. „Aber in ein spannendes Hörbuch kann ich förmlich versinken.“
Akustische Abschottung verboten
Gesetzlich verboten sind Kopfhörer aber nicht. Nicht nur Fußgänger, auch Rad- und sogar Autofahrer dürfen durchaus etwas auf den Ohren tragen. „Was verboten ist, ist die akustische Abschottung“, erklärt ADAC-Verkehrsjurist Markus Schäpe. Die Musik auf den Ohren darf also auf keinen Fall lauter sein als die Klingel oder das Hupen anderer Verkehrsteilnehmer.