1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Kreißsaal oder Geburtshaus?: Kreißsaal oder Geburtshaus?: Schwangere bevorzugen meist die Klinik

Kreißsaal oder Geburtshaus? Kreißsaal oder Geburtshaus?: Schwangere bevorzugen meist die Klinik

Von Thomas Kärst 02.07.2003, 12:09
Qual der Wahl: Heute können sich werdende Eltern zwischen verschiedenen Einrichtungen als Geburtsort entscheiden. (Foto: dpa)
Qual der Wahl: Heute können sich werdende Eltern zwischen verschiedenen Einrichtungen als Geburtsort entscheiden. (Foto: dpa) Bund deutscher Hebammen (BDH)

Karlsruhe/Hamburg/dpa. - Lange Zeit war es keine Frage, wo Frauen ihre Kinder zur Welt bringen: Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurde der Nachwuchs zu Hause geboren, nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich die Geburt im Kreißsaal durch. Doch inzwischen haben die werdenden Mütter die Qual der Wahl zwischen der Entbindung im Krankenhaus, zu Hause oder im Geburtshaus - zumindest in der Theorie, denn in der Praxis vertrauen die meisten auf die Ausstattung und das Know-how der Kliniken. Rund 98 Prozent aller Neugeborenen in Deutschland kommen gegenwärtig im Krankenhaus zur Welt, heißt es beim Bund Deutscher Hebammen (BDH) in Karlsruhe.

Die Experten sind geteilter Meinung: Während Hebammen häufig für die Hausgeburt werben, empfehlen Ärzte eher das Krankenhaus. «Man sollte versuchen, Risiken auszuschließen», sagt Thomas Gehl, Landesverbandsvorsitzender des Berufsverbandes der Frauenärzte in Hamburg. Vor allem das erste Kind sollte demnach auf keinen Fall zu Hause zur Welt kommen. Schließlich seien Komplikationen wie eine Beckenlage des Kindes bei Erstgebärenden besonders häufig.

Doch auch generell hat Gehl Vorbehalte gegen die Hausgeburt: «Ich kann den Wunsch verstehen, aber in einer Klinik ist nun einmal alles für einen Notfall parat.» Löst sich der Mutterkuchen vorzeitig oder bleibt das Kind gar bei der Geburt stecken, kann ihm bei einer Hausgeburt nicht geholfen werden, so Gehls Argumentation. Bis zu einer Verlegung in die Klinik gingen wertvolle Minuten verloren. «Sie stehen dann zu Hause, sehen, wie das Kind abstirbt, und können nichts machen.»

Diese Vorbehalte teilen Hebammen nur begrenzt. «Eine unauffällige Geburt braucht keinen Arzt», sagt BDH-Sprecherin Edith Wolber. Zwar sei auch bei einer Hausgeburt ein Mediziner in Rufnähe. Er komme aber keinesfalls immer zum Einsatz, eine Schwangerschaft sei keine Krankheit. Wenn die Frau das Kind zu Hause, im Geburtshaus oder im Gebärzimmer der Hebamme zur Welt bringen will, sei das bei entsprechenden Vorbereitung kein Problem. Voraussetzung sei, dass die bevorstehende Entbindung nicht als Risikogeburt eingeschätzt wird.

«Manche Frauen wünschen sich Geborgenheit oder wollen selbstbestimmt gebären, andere brauchen mehr Sicherheit», so Wolber. Dabei kann es nicht schaden, sich möglichst früh um Geburtsvorsorge zu kümmern: «Schwangere sollten am besten vom ersten Tag der Schwangerschaft an mit einer Hebamme Kontakt aufnehmen», rät Wolber.

Ohne die Hebammen geht es auch im Krankenhaus nicht: Sie muss bei jeder Geburt hinzugezogen werden. Im Normalfall ist sie vom Krankenhaus angestellt, in bestimmten Krankenhäusern ist es nach Angaben der Experten auch möglich, eine selbst gewählte Hebamme mitzubringen.

Wer sich für ein Krankenhaus entscheidet, sollte zuvor auf bestimmte Punkte achten: «Es ist wichtig, dass es ein ruhiges Gebärzimmer gibt», sagt Wolber. Zudem sollte die Frau entscheiden können, ob sie das Kind liegend oder auf einem Gebärstuhl sitzend zur Welt bringen möchte. Auch sollte das Krankenhaus das Stillen fördern und die häufige Anwesenheit des Partners erlauben. Zeichnet sich eine Risikogeburt ab, kann es laut Frauenarzt Gehl wichtig sein, dass es in der Nähe des Kreißsaals eine Station für Neugeborenenmedizin gibt.

Neben Hausgeburt und Krankenhaus haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Alternativen etabliert. 1987 wurde in Berlin das erste deutsche Geburtshaus gegründet. Mittlerweile gibt es bundesweit zwischen 80 und 100 dieser von Hebammen geführten Einrichtungen, wie Karen Alscher, Geschäftsführerin des Netzwerkes der Geburtshäuser in Bad Vilbel (Hessen), erläutert. Wohnlich gestaltete Räume sollen Müttern und Babys den Stress nehmen und eine «sanfte Geburt» ermöglichen.

«In der Regel sind das ambulante Häuser», sagt Karen Alscher. Oft werden die Frauen schon vier bis fünf Stunden nach der Geburt wieder nach Hause entlassen und dort von einer Hebamme weiter betreut - im Idealfall sei dies diejenige, die auch bei der Geburt dabei war. Zudem bieten die Einrichtungen Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse an. Auch hier werden jedoch nur gesunde Schwangere aufgenommen. «Wenn es dennoch zu Komplikationen kommt, werden die Frauen in eine Klinik verlegt», so Alscher.

Mit dem ersten deutschen Hebammenkreißsaal im Zentralkrankenhaus Reinkenheide bei Bremerhaven gibt es seit Anfang Juni eine weitere Alternative. Dort sei «das Betreuungsangebot den Wünschen der Eltern angepasst», medizinische Eingriffe wie etwa die Gabe von Betäubungsmitteln gebe es selten, heißt es bei der zuständigen Projektgruppe des BDH. In Dänemark, Großbritannien und der Schweiz gebe es bereits zahlreiche Kreißsäle, die von Hebammen geleitet werden.

Während die Kosten für die Geburt im Krankenhaus oder bei der Hebamme von den Krankenkassen bezahlt werden, werden die Kosten für die Entbindung in Geburtshäusern nicht immer voll übernommen. Doch laufen Alscher zufolge gegenwärtig Gespräche mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen, die zum Teil schon jetzt die Geburtshäuser unterstützten: «Schließlich ist eine Geburt dort immer noch günstiger als eine Klinikgeburt.»

Informationen: Bund Deutscher Hebammen, Gartenstraße 26, 76133 Karlsruhe (Tel.: 0721/98 18 90, Fax: 0721/981 89 20); Netzwerk der Geburtshäuser, Otto-Fricke-Straße 77, 61118 Bad Vilbel (Tel.: 06101/82 57 11, Fax: 06101/81 32 87).