Kopfschmerzen aus Angst Kopfschmerzen aus Angst: Psychosomatische Krankheiten bei Kindern

Berlin/dpa. - «Die häufigsten Symptome einer Erkrankung mit psychischemHintergrund sind Bauch- und Kopfschmerzen», sagt Ute McLean,klinische Psychologin an der Kinderklinik der DRK-Kliniken Westend inBerlin. «Manchmal haben Kinder auch starke Schmerzen in Arm, Knieoder Rücken, so dass sie sich gar nicht mehr richtig bewegen können.»Die kleinen Patienten müssten zunächst gründlich untersucht werden,um organische Ursachen für die Symptome auszuschließen.
«Wenn eine psychosomatischen Erkrankung vorliegt, muss nach denseelischen Ursachen gesucht werden», sagt McLean. Oft seien sie inder familiären Situation zu finden: «Die Kinder können zum Beispielgroße Angst vor der Trennung der Eltern haben, wenn in der Familieviel gestritten wird.» Der Loyalitätskonflikt zwischen Vater undMutter nach einer Scheidung könne Kinder ebenfalls stark belasten.«Einige Patienten sind auch in der Schule überfordert oder fühlensich von ihren Eltern unter Druck gesetzt.»
«Die unterschiedlichen Stressfaktoren oder Ängste können sich imLaufe der Zeit aufschaukeln», sagt Sabine Kienast, klinischePsychologin an der Klinik Schönsicht in Berchtesgaden. «Einevergleichsweise geringe Stresssituation genügt dann oft, um eineErkrankung auszulösen.»
Im Lauf der Zeit entwickelten psychosomatische Krankheiten einestarke Eigendynamik: «Der Kreislauf Stress - Schmerzen - Stressautomatisiert sich und die Erkrankten gewöhnen sich außerdem an dieFolgen», erklärt Kienast. «Oft erfahren Kinder eine stärkereZuwendung von ihren Eltern, wenn sie die Symptome zeigen.» Außerdemkönne es zu kurzfristig positiven Erlebnissen komme, wenn ein Kindzum Beispiel wegen akuter Kopf- oder Bauchschmerzen nicht in dieSchule gehen muss.
Klaus Seifried, Lehrer und Schulpsychologe in Berlin, glaubt, dassin fast jeder Klasse einzelne Kinder mit dem Leistungsdruck nichtklar kommen: «Einige Schüler werden dann aggressiv, andere ziehensich immer weiter in sich zurück.» Bauchschmerzen, Übelkeit odersogar Fieber könnten dann die Folge sein.
«Eltern können dem entgegenwirken, indem sie die Schwächen undMängel ihrer Kinder akzeptieren und sie nicht noch weiter unter Drucksetzen», sagt Seifried. Gleiches gelte für Lehrer: «Auch dieLeistungen schwächerer Schüler müssen anerkannt werden.» In jedemFall sollten Eltern wiederholt auftretende Schmerzen bei ihrenKindern ernst nehmen und nach den Ursachen suchen. «Dabei sollten siekonsequent handeln und ihre Kinder nicht einfach vor der Schule oderanderen Angst auslösenden Situationen bewahren.»
Wenn die Gründe für eine psychosomatische Erkrankung im privatenUmfeld liegen, hat die Psychologin McLean oft die Erfahrung gemacht,dass Eltern der richtigen Diagnose im Weg stehen: «Probleme werdenwie ein Geheimnis gehütet. Damit wird das Bild von der heilen Familieauf Kosten des Kindes aufrechterhalten.» Die Suche nach den Ursachenfür die Erkrankung werde dadurch viel schwieriger.
Michael Zinke, Kinderarzt in Hamburg und Mitglied im Vorstand desBerufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, erklärt die seelischenProbleme vieler Kinder mit einem veränderten Klima ihnen gegenüber:«Kinder sind heute oft nicht mehr der Mittelpunkt der Familie.» Wennzum Beispiel beide Elternteile arbeiteten und das Kind schon sehrfrüh auf sich allein gestellt sei, fühlten sich Kinder schnellvernachlässigt.