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Kita-Essen Kita-Essen: Geht es wirklich nur um den Preis?

Von Bärbel Böttcher 20.05.2016, 16:38
Der Koch Hans Heinrich erzählt den „kleinen Riesen“ in Teutschenthal, was es heißt, sich gesund zu ernähren.
Der Koch Hans Heinrich erzählt den „kleinen Riesen“ in Teutschenthal, was es heißt, sich gesund zu ernähren. Andreas Stedtler

Halle (Saale) - Wenn über Kita-Essen diskutiert wird, dann kommt Dirk Jürgens so richtig in Fahrt. Den Geschäftsführer der Volkssolidarität Saale-Kyffhäuser, die ihren Hauptsitz in Querfurt (Saalekreis) hat, ärgert es, dass im Zusammenhang damit immer nur über den Preis geredet wird, nicht aber über die Qualität.

Fehlernährung in der Kindheit hat Auswirkungen im Erwachsenenalter

Ihm ist es ein Anliegen, dass in den Kitas und Schulen, die die Volkssolidarität beliefert, gesunde Kost auf die Teller kommt. „Denn“, so sagt er, „Fehlernährung in der Kindheit hat Auswirkungen im Erwachsenenleben. Dazu braucht man kein Wissenschaftler zu sein.“ Dirk Jürgens und Küchenleiter Hans Heinrich lehnen Fertigprodukte ab. Auch die Soßen kommen nicht aus der Tüte. Frischeküche ist die Devise. Kartoffeln, Gemüse und Fleisch liefern regionale Produzenten. Und alles wird frisch verarbeitet. „Wir fangen früh um 6 Uhr an zu kochen, um 11 Uhr hat die letzte Portion die Küche verlassen“, unterstreicht der Geschäftsführer.

Qualität hat aber eben ihren Preis. 2,97 Euro bezahlen Eltern für ein Kita-Essen, das aus der Querfurter Küche kommt. Damit liegt der Caterer im oberen Bereich. Im Durchschnitt kostet ein Mittagessen in einer sachsen-anhaltischen Kita etwa zwei Euro - und damit wesentlich weniger als im Bundesdurchschnitt (2014: 2,40 Euro), wie Melanie Kahl von der Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung bei der Landesvereinigung für Gesundheit Sachsen-Anhalt sagt.

Wettbewerb kann Qualität drücken

„Wenn ich sauber und seriös kalkuliere, dann komme ich auf einen Preis, den ich gar nicht unterbieten kann“, betont Jürgens. Die Rahmenbedingungen, sprich: Kosten für Strom, Wasser, Mindestlohn, seien überall annähernd gleich. Wenn aber daran nicht gespart werden könne, dann doch höchsten an der Qualität der Produkte, meint er. Vor dem Hintergrund eines Wettbewerbs, der unter dem Motto laufe: Wer kann es billiger, brauche sich niemand zu wundern, wenn das Essen - wie in der Vergangenheit gelegentlich geschehen - den Kindern im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen schlage.

Dass es für das Kita-Essen keine Mindeststandards gibt, nach denen sich alle Caterer richten müssen, kann Dirk Jürgens nicht fassen. Er würde sich wünschen, dass eine neutrale Kommission nach sorgfältiger Kalkulation einen Mindestpreis errechnet, den niemand unterbieten darf. So geschehen in Berlin. Dort werde jetzt über Qualität geredet.

Frisch gekocht schmeckt einfach besser

Der Geschäftsführer erlebt häufig Diskussionen mit Eltern, in denen es um ein paar Cent mehr oder weniger geht. Melanie Kahl bestätigt, dass das auf Elternabenden oft ein großes Thema ist - obwohl sie bei den Eltern angesichts von gesellschaftlichen Debatten um Massentierhaltung oder von Lebensmittelskandalen langsam ein Umdenken wahrnimmt. Als Moderatorin dieser Konflikte sieht sie, wenn es um gesunde Ernährung geht, aber noch ein ganz anderes Problem. „Für viele Eltern gehört Fleisch zu einer vollwertigen Mahlzeit dazu. Sie befürchten, dass ihr Kind nicht satt wird, wenn nicht vier- oder fünfmal in der Woche Fleisch auf dem Speiseplan steht“, sagt sie. Das aber widerspreche den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) für gesundes Kita-Essen.

Geht es nach ihr, kommt binnen vier Wochen höchsten achtmal Fleisch oder Wurst auf den Teller, dafür aber mindestens viermal Seefisch. Zudem viel Obst und Gemüse sowie Vollkornprodukte. Und dann geht es doch wieder ums Geld. Würden alle diese Empfehlungen umgesetzt, müsste der Preis für das Essen erheblich steigen, sagt Melanie Kahl. Das sei derzeit in Sachsen-Anhalt nicht flächendeckend machbar.

Manches, so die Erfahrung von Küchenleiter Hans Heinrich, lehnten die Kinder auch ab. Vollkornnudeln zum Beispiel oder Rohkostsalat. „Was nutzt das gesündeste Essen, wenn es hinterher in der Tonne landet“, sagt er. Er nehme Rücksicht auf regionale Geschmäcker. Und probiere trotzdem in seinem Speiseplan, der sich übrigens nur alle acht Wochen wiederhole, neue Sachen aus.

Die Querfurter Küche ist Partner der Vernetzungsstelle. Zusammen haben beide Seiten versucht, die DGE-Empfehlungen der Realität einer Großküche anzupassen. Da waren etwa die Kohlrouladen. Welcher Caterer kann sie für 600 Kinder frisch zubereiten? „Ich kann aber aus den gleichen Zutaten eine Schichtkohlpfanne produzieren“, sagt der Koch. Es seien die gleichen Zutaten, nur ein anderer Name. 30 Gerichte wurden so begutachtet, 24 davon angepasst. In Arbeit ist ein Katalog, der bald allen Caterern zur Verfügung steht.

Die Kinder der Kita „Kleine Riesen“ in Teutschenthal (Saalekreis) profitieren derweil schon einmal davon. Sie werden vom Caterer aus Querfurt beliefert. Und ihnen schmeckt das Essen - ob Fischstäbchen mit Kartoffelbrei oder Milchreis mit Apfelmus. „Wir merken, dass es frisch gekocht ist“, sagt Kita-Leiterin Simone Linda. Vor einigen Jahren, so erzählt sie, habe die Einrichtung den Caterer gewechselt. Die Eltern seien nicht mehr zufrieden gewesen. Es wurden Angebote eingeholt, Testessen veranstaltet - schließlich fiel die Wahl auf Querfurt. „Das Essen ist zwar etwas teurer, aber die Eltern bezahlen gern mehr, wenn die Qualität stimmt“, sagt die Kita-Chefin. Eine Einstellung, die Dirk Jürgens freuen dürfte.

In der Kita geht es übrigens auch sonst gesund zu. So gibt es täglich ein Obstfrühstück und ein gesundes Vesper. Bei der Zubereitung helfen die Kinder entsprechend ihres Alter s mit. Und Simone Linda legt auch Wert auf Tischsitten. Denn die leckeren Fischstäbchen sollen schließlich in Ruhe und mit Genuss verzehrt werden. (mz)

An vielen Schulen und Kitas gibt es Trinkbrunnen.
An vielen Schulen und Kitas gibt es Trinkbrunnen.
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