Zufallsbefund Krebs Kampf gegen den Krebs - Gesundheitsserie: Wie Elke Bederke seit zehn Jahren gegen den Krebs kämpft

Köthen - Die Geschwulst ist so groß wie eine Mandarine. Elke Bederkes Urologe entdeckt sie im März 2009 während einer Routine-Untersuchung. Die Köthenerin konsultiert ihn regelmäßig wegen einer chronischen Blasenentzündung. Dieses Mal zeigt das Ultraschallbild in der Nähe der Blase etwas, was da nicht hingehört. Der Urologe vermutet einen Tumor am Eierstock. Für Elke Bederke ein Schock.
Die damals 44-Jährige folgt sofort dem Rat des niedergelassenen Arztes. Sie sucht ihre Gynäkologin auf. Die veranlasst eine Bauchspiegelung. Dabei wird die Bauchhöhle mit speziellen Instrumenten untersucht. Die Praxis, in der diese Schlüsselloch-OP vorgenommen wird, gibt Entwarnung. Es ist ein Myom, heißt es. Eine harmlose Wucherung. Also Aufatmen?
Krebs: Vom Verdacht zur Diagnose
Als die Gynäkologin das Foto, das bei der Untersuchung entstanden ist, anschaut, schüttelt sie den Kopf. „Das ist kein Myom“, befindet sie. Vielmehr sehe es aus wie ein Lymphom. Das ist ein in der Regel bösartiger Tumor des Lymphgewebes. Umgangssprachlich Lymphdrüsenkrebs genannt.
Erhärtet wird der Verdacht der Frauenärztin durch leichtes Fieber, das ihre Patientin vor allem nachts plagt. Sie weist sie in das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle ein. Dort wird aus dem Verdacht eine Diagnose. Und wieder steht Elke Bederke unter Schock.
Sie weiß zunächst nicht wohin mit ihren Ängsten. Ihren Ehemann und die drei Söhne - übrigens Drillinge und damals bereits 24 Jahre alt - will sie nicht gleich damit belasten. Aber in Schwester Magdalena, die zu den Schwestern von der Heiligen Elisabeth gehört und bis heute in der Klinik als Seelsorgerin tätig ist, findet sie eine gute Zuhörerin und Ratgeberin. „Bei ihr konnte ich alles rauslassen. Sie hat mich aufgefangen“, erzählt Elke Bederke.
Elke Berdecke kommt langsam mit der Dignose Krebs klar
Langsam sei sie dann mit der Krankheit klargekommen. „Es war schwierig, als relativ junge Frau, die sich supergesund fühlt, zu merken: Du bist gar nicht unverwundbar“, sagt sie. „Ich habe nicht geraucht, nicht getrunken, immer Sport getrieben - und dann so eine Diagnose.“
Schwester Magdalena ist es auch, die ihr vorschlägt, sich einer Selbsthilfegruppe für Leukämie- und Lymphompatienten anzuschließen. Dort bekommt Elke Bederke im Laufe der Jahre viele nützliche Tipps, kann die Leiterin Simone Pareigis-Hoppe zu jeder Zeit anrufen. Doch die ersten Besuche dort, schon bald nach der Diagnose, überfordern die Frau. Wahrscheinlich, weil die Krankengeschichten, die sie hört, ihr klarmachen, was alles auf sie zukommt. Und das ist einiges.
Chemotherapie gegen Krebs: Hunde als vierbeinige Helfer
Elke Bederkes erster Chemotherapie-Zyklus beginnt am 10. Mai 2009. Mehrere Monate lang erhält sie regelmäßig per Infusion Medikamente, die das Wachstum der Krebszellen stoppen sollen. Wie vielen Betroffenen geht es ihr dabei schlecht. Es sind vierbeinige Freunde, die ihr helfen, die Übelkeit zu überwinden. Sie und ihr Mann sind Hundeliebhaber. Und so gehören seit vielen Jahren auch zwei Bulldoggen zur Familie. Die bringen Frauchen wieder auf die Beine.
„Nach der Chemo habe ich oft gedacht, jetzt bleibe ich im Bett. Aber nein, es ging nicht. Die Hunde brauchten Auslauf“, sagt sie. „Mir selbst haben die Bewegung und die frische Luft gut getan.“ Auch wenn der innere Schweinehund, den es zu besiegen galt, größer war, als der Hund, der draußen auf sie gewartet hat. „Hinterher habe ich mich herrlich gefühlt.“
Mit den Hundeausflügen will Elke Bederke auch ihren Mann entlasten. Er ist ihr, wie die ganze Familie, die größte Stütze. Ja er macht ihr sogar noch Komplimente, als sie sich von ihren langen roten Haare verabschiedet. Die beginnen nach der ersten Chemo auszufallen. Die Köthenerin verabredet sich deshalb mit einer Bekannten, die Friseurin ist in deren Salon, setzt sich mit dem Rücken zum Spiegel und lässt sich die Haare abschneiden. „Als ich mich dann umgedreht habe, da musste ich erst mal schlucken und ein paar Tränchen kullerten“, erzählt sie. Ansonsten seien die Haare aber das geringste Problem gewesen. Eine Perücke trägt sie übrigens nur ungern.
Kampf gegen Krebs geht nach Chemotherapie weiter
Dem Chemotherapie-Zyklus folgt eine zweijährige sogenannte Erhaltungstherapie mit Antikörpern, um einen Rückfall zu verhindern. Diese Immuntherapie richtet sich nicht gegen den Tumor selbst. Sie aktiviert das körpereigene Abwehrsystem, versetzt es in die Lage, Krebszellen quasi als „Feinde“ zu erkennen, was normalerweise nicht der Fall ist, um sie dann zu zerstören.
Während dieser Zeit geht Elke Bederke schon wieder arbeiten. Sie will nicht, so wie ihr von verschiedenen Seiten geraten wird, vorzeitig ihren Ruhestand antreten. Sie liebt ihre Arbeit und möchte ihren Traumberuf weiterhin ausüben. Elke Bederke ist die Leiterin des Standesamtes Köthen. „Es macht Spaß“, sagt sie, „dabei zu sein, wenn das Glück junger Brautleute geschmiedet wird.“
Zumindest was die Gesundheit anbelangt, hat Elke Bederke selbst nicht so viel Glück. Ein halbes Jahr nach Beendigung der Therapie heißt es bei einer Kontrolluntersuchung: Da wächst wieder etwas. Die Lymphknoten im Bauchraum sind vergrößert. Was also tun? Der Arzt rät zum Abwarten. Und Beobachten. Das neue Lymphom wächst nur langsam. Elke Bederke hat starke Nerven. „Ich habe es verdrängt“, sagt sie. Das hält sie von 2012 bis 2015 aus. Dann muss doch etwas geschehen.
Schock für Patientin: Krebs kehrte zurück
Die Köthenerin steht vor der Wahl: Entweder wieder eine normale Chemotherapie oder eine Transplantation von eigenen Stammzellen, die vor einer Hochdosis-Chemotherapie aus den Blutgefäßen oder dem Knochenmark der Patientin entnommen werden. Sie holt eine Zweitmeinung ein. Und entscheidet sich für die Transplantation an der Uni-Klinik in Leipzig.
Im November 2015 soll die Prozedur über die Bühne gehen. Elke Bederke verabschiedet sich zu Hause. Der Kontakt zu ihr bleibt für längere Zeit stark eingeschränkt. Vor der Transplantation wird durch Bestrahlung und die hochdosierte Chemo das Immunsystem, das Krankheiten abwehrt, auf Null gefahren. Um Infektionen zu vermeiden, werden die Patienten deshalb für etwa vier Wochen isoliert.
Als sie in Leipzig eintrifft ist jedoch kein Bett frei. „Wieder umdrehen zu müssen, das war ganz schlimm“, sagt sie. Einige Zeit später läuft dann alles glatt. Allerdings fällt der Klinikaufenthalt nun in die Weihnachtszeit. Weihnachten auf der Isolierstation. „Das fand ich schon sehr belastend. Aber ich habe mir gesagt: Du musst hier irgendwie durch. Das nächste Weihnachtsfest wird schön“, sagt sie.
Sie übersteht auch diese schwere Zeit. Nutzt Anschlussheilbehandlungen und Rehas, um wieder in Form zu kommen. Sie macht alles, was ihr gut tut: Autogenes Training und Yoga. Sie malt, strickt, lernt Klavierspielen. Auch die psychoonkologische Betreuung nimmt sie in Anspruch.
Kampf gegen den Krebs: Wieder eine Therapie
Schwer fällt es der inzwischen dreifachen Oma und der Hundeliebhaberin, als sie nach der Transplantation wieder zu Hause ist, das für einige Zeit bestehende Kontaktverbot zu Kindern und Vierbeinern einzuhalten. Elke Bederke nimmt es - bei aller Vorsicht - nicht gar zu ernst. Ihrem geliebten Standesamt muss sie jedoch fast anderthalb Jahre fernbleiben.
Anfang 2017 freut sie sich, endlich wieder arbeiten zu können. „Ich habe alles aufgearbeitet, mich wohlgefühlt“, sagt sie. Dann die Nachricht: „Es sieht so aus, als ob der Krebs nicht vollständig weg ist.“ Also noch mal eine Chemo. Wieder eine Immuntherapie, die noch läuft. Neben der Arbeit. „Jetzt hoffe ich, dass nicht noch mal irgendwas kommt“, sagt die 54-Jährige.
Elke Bederke hat ein Wechselbad der Gefühle erlebt: Angst, Ohnmacht, Hoffnung. Geblieben ist ihre Einstellung dem Krebs gegenüber: „Dir zeige ich es!“ (mz)
