Kältekammer-Therapie Kältekammer-Therapie: Mit minus 110 Grad gegen Schmerzen und Depressionen

Halle (Saale) - Für viele Menschen ist es wohl kaum vorstellbar: freiwillig einige Minuten bei minus 110 Grad Celsius in Badekleidung herum zu laufen. Gemeint ist der Besuch einer Kältekammer.
Solche Kammern nutzen beispielsweise Leistungssportler zum Regenerieren und als Trainingsvorbereitung. Sie werden auch in Kliniken oder Praxen eingesetzt, um Rheuma- oder Schmerzpatienten Linderung zu verschaffen. Vereinzelt finden sie sich auch in Wellness-Hotels.
Als echten Kick mit Adrenalin- und Endorphinschub bezeichnen Kammergänger die Erfahrung bei diesen Temperaturen. Eine unklare Datenlage gibt es darüber, wie medizinisch wirksam das Verfahren ist.
„Die Methode kommt ursprünglich aus Japan, sie wurde dann für Rheumapatienten mit Schmerzen in den Gelenken entwickelt", sagt der Mediziner Markus de Marées von der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Kältekammer: Schnelle Bewegungen vermeiden
Die Kammern seien in der Regel zwei mal zwei Meter groß. Man nähere sich den minus 110 Grad bei den meisten Modellen über zwei Vorkammern mit zunächst minus 10, dann minus 60 Grad Celsius.
„In der kältesten Kammer selbst sollte man schnelle Bewegungen vermeiden. Die meisten gehen dabei langsam im Kreis herum." Immer bestehe Kontakt nach außen zu den Therapeuten, je nach Konzept blieben die Besucher ein bis drei Minuten in der Kälte.
Die Haut kühlt sich demnach auf etwa fünf Grad Celsius ab, die Körpertemperatur bleibt aber in der Regel stabil durch Gegenregulation. Durch die Kälte sollen schmerz- und entzündungshemmende Mechanismen in Gang gesetzt werden.
Kältekammer: Das alles müssen Nutzer beachten
Einiges müssen Nutzer beachten, bevor sie in die Kälte schreiten: Sie müssen die Ohren vor den Minusgraden schützen, Handschuhe und Mundschutz tragen. Anfassen dürfen sie nichts. Haare und Haut müssen komplett trocken sein.
Pflaster, Kontaktlinsen und Piercings müssen entfernt werden. Und das Herzkreislaufsystem sollte in Ordnung sein. Bluthochdruckpatienten beispielsweise werde von einem Besuch abgeraten, sagt de Marées.
Bundesligavereine wie Bayer Leverkusen haben solch eine Kammer in Betrieb genommen, auch das Bundesleistungszentrum Kienbaum im Umland von Berlin hat eine im Angebot. Dort regenerieren und trainieren Leistungssportler aller Art.
„Wenn Sportler 14 Tage bei uns verbringen, dann nutzen sie die Kammer durchschnittlich vier- bis fünfmal in dieser Zeit", sagt Kienbaum-Geschäftsführer Klaus-Peter Nowack.
Egal ob Sportler, Rheumapatient oder Wellness-Ulrauber
Empfohlen werde die Kältetherapie etwa nach einer intensiven Trainingseinheit, um Muskelbeschwerden zu vermeiden. Auch vor einer größeren Belastung nutzen die Sportler die Kälte, sie gilt laut de Marées als Möglichkeit zur kurzfristigen Leistungssteigerung. Immer wieder finden sich Berichte über Besucher solcher Kältekammern, etwa in Hotels in Österreich.
„In Wellness- und Spa-Einrichtungen in Deutschland kommen Kältekammern eher selten vor", sagt Lutz Hertel vom Deutschen Wellness Verband in Düsseldorf. Genaue Daten über die Häufigkeit lägen ihm nicht vor, in Polen aber seien wohl mehr Wellnesshotels mit Kältekammern ausgestattet.
Die Investitionskosten seien sehr hoch, sie betragen demnach mehrere hunderttausend Euro für die Betreiber. Er rate von einem Betrieb ohne fachärztliche Präsenz ab.
Kältetherapie: Auch für Menschen mit Burn-Out, Depression oder Schlafstörung
Mehr als 70.000 Kältetherapien hat das Immanuel Krankenhaus Berlin, eine Spezialklinik für Rheumaorthopädie, Rheumatologie und Naturheilkunde, seit 1989 bei ambulanten und stationären Patienten angewendet.
Infrage kommt das Verfahren laut Frank Ruppen- thal, Leiter der dortigen Physiotherapie, unter anderem für Rheuma- und Schmerzpatienten, Menschen mit Schlafstörungen, Depressionen oder Burn-Out-Syndrom sowie für Patienten mit Hauterkrankungen.
Bei stationärer Therapie sind die Kosten integriert in das Konzept, ambulante Patienten bezahlen in der Regel 20 Euro pro Sitzung selbst. Wo dies möglich ist, würden tägliche Gänge verordnet, etwa zehn bis 15 Mal gehören zu einem Behandlungszyklus. In der Zeit danach sollten sich die Patienten aktiv bewegen, in speziellen Fällen werde die Schmerzfreiheit zu Physiotherapie genutzt.
Studien haben Kältetherapie noch nicht faktisch belegt
Zur Kältetherapie gibt es eine Reihe von Studien, der Nutzen und die Wirkung sind jedoch nicht eindeutig. "Wissenschaftlich direkt mit Fakten ist wenig belegt zu dieser Form von Kältetherapie, die Studienergebnisse sind sehr heterogen", sagt Markus de Marées von der Sporthochschule Köln.
So sei die Zahl der Studienteilnehmer oft sehr niedrig, die Verweildauer in der Kammer unterschiedlich, und die Kältetherapie werde teils nicht isoliert angewendet, sondern beispielsweise mit Medikamenten oder anderen physikalischen Verfahren kombiniert. (mz)
