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Psychologie Ist das peinlich!? Das hilft gegen unnötige Scham

Peinliche Momente kennt jeder – aber wie geht man am besten damit um? Experten geben Tipps, wie sich Schamgefühle regulieren und souverän meistern lassen.

Von Sabine Maurer, dpa 13.11.2025, 00:05
Manche Missgeschicke oder Fehler sind so unangenehm, dass man sich am liebsten unsichtbar machen würde. Das hilft allerdings nicht.
Manche Missgeschicke oder Fehler sind so unangenehm, dass man sich am liebsten unsichtbar machen würde. Das hilft allerdings nicht. Nanitha/Westend61/dpa-tmn

Berlin/München - In der wichtigen Konferenz knurrt der Magen laut. Nach dem Flirt mit dem attraktiven Nachbarn sieht eine Frau beim Blick in den Spiegel Lippenstift auf ihren Zähnen. Im voll besetzten Restaurant stolpert eine Person und fällt der Länge nach hin. Es gibt unendlich viele Situationen, in denen Menschen am liebsten im Erdboden verschwinden möchten - so peinlich sind sie ihnen. „Wir wollen alle souverän und sicher sein“, erklärt dazu Monika Scheddin, Coach aus München. „Aber was uns verbindet, sind doch die kleinen Schwächen.“ 

Denn eigentlich ist das Gefühl von Scham etwas Gutes - es zeigt, dass uns etwas wichtig ist, wir soziale Wesen sind, die Normen der Gesellschaft kennen. Problematisch sind eher Menschen, denen nichts peinlich ist, wie etwa Narzissten. 

Peinlichkeit und Scham: annehmen und regulieren

Wie mit den meisten Gefühlen ist es auch hier so: eigentlich nützlich, aber wenn es zu viel wird, kann es Leidensdruck bedeuten - hier auch wortwörtlich. Schließlich kommt „peinlich“ von Pein, was Schmerz oder Qual bedeutet. 

Was kann man tun, damit Peinliches einem nicht unnötig zu schaffen macht oder gar das Leben behindert? Es gibt einige Strategien, mit denen sich unangenehme Situationen schnell in Luft auflösen - und manchmal können diese sogar zu eigenen Gunsten genutzt werden. 

Zunächst können peinliche Situationen in zwei Kategorien aufgeteilt werden, so Coach Ilja Grzeskowitz aus Berlin: Das sind zum einen Geschehen, die außer dem Betroffenen eigentlich keinen interessieren. Und zum anderen Entgleisungen mit Außenwirkung - also, die von anderen als unangenehm oder ärgerlich empfunden werden. 

Zur ersten Kategorie gehören die vielen Alltagspeinlichkeiten, die nur in unserer eigenen Wahrnehmung und Bewertung groß sind und vom Umfeld schnell vergessen oder erst gar nicht registriert werden. Etwa ein flapsiger Satz, ein Fleck auf der Bluse, der offene Hosenstall oder eben der knurrende Magen. „Das rattert dann lange in unserem Kopf und wir sagen uns, dass das jetzt ultrapeinlich war. Ein klassischer Fall von Overthinking“, so Grzeskowitz . 

In der akuten Situation gibt es je nach Lage zwei gute Möglichkeiten zu reagieren: Entweder man geht möglichst elegant darüber hinweg, indem man einfach weiterspricht oder etwa kommentarlos den Reißverschluss an der Hose schließt. Oder man sagt „Ups“ und lacht, vielleicht fällt einem auch noch ein passender Satz ein wie im Fall der fleckigen Bluse: „Ich finde, es steht mir.“ Oder nach einem flapsigen Spruch, der beim Gegenüber nicht gut ankommt: „Ich wollte lustig sein.“ Damit löst sich die peinliche Situation meist in Luft auf. 

Stichwort Humor: „Wer über Probleme lacht, schmust schon mit der Lösung“, sagt Monika Scheddin. Zudem wirke es souverän und entlaste die anderen Beteiligten: Sie können einfach mitlachen. 

Wer das Schamgefühl allerdings noch lange mit sich herumträgt, sollte sich Gedanken machen. „Viele Menschen haben noch aus ihrer Kindheit einen Glaubenssatz wie "Ich bin nicht gut genug" im Kopf“, erklärt Grzeskowitz. „Sie suchen stets Bestätigung von außen.“ Das Schamgefühl triggert dann immer wieder diesen Glaubenssatz - und er oder sie hat vielleicht generell Probleme mit dem Selbstwertgefühl.

Selbstwertgefühl gehört dazu

Das Selbstwertgefühl kommt im Erwachsenenalter nicht von allein, es muss erarbeitet werden. „Man kann es sich nicht anlesen, es ist eine Frage von Entscheidungen und Mutproben“, so Scheddin. Sie rät dazu, sich nach peinlichen Situationen bewusst zu verzeihen, innerlich in den Arm zu nehmen und zu fragen: Angenommen, das wäre der besten Freundin passiert, was würde ich ihr sagen, welcher Rat würde ihr helfen? Außerdem hilfreich: sich die Frage zu stellen, ob der Vorfall einen auch noch in drei Monaten oder gar drei Jahren beschäftigen wird. Falls nein: Was hindert einen daran, ihn sofort abzuhaken? 

Schwerwiegender sind peinliche Situationen, in denen andere Menschen durch das eigene Verhalten verletzt oder verärgert wurden; das ist die zweite Kategorie. „Ich habe mal bei einem Geschäftspartner ausdrücklich auf einen bestimmten Termin bestanden - und dann habe ich ihn verschwitzt“, erinnert sich Grzeskowitz an einen eigenen peinlichen Moment. Doch auch die meisten solcher Fälle können im Prinzip schnell aus der Welt geschafft werden - und zwar mit einer Entschuldigung. 

Wann eine Entschuldigung sein muss

Doch Worte wie „Das war meine Schuld, es tut mir leid“ fallen Menschen immer wieder schwer - vielleicht aus Angst vor negativen Konsequenzen, wenn sie einen Fehler zugeben. Eine häufig benutzte Strategie ist in solchen Fällen das Suchen nach Ausflüchten: Die Schuld wird auf die Umstände oder jemand anderen geschoben.

Das hilft allerdings niemandem. Meist merkt das Gegenüber in der Regel, dass es sich um Ausreden handelt und der andere nicht ehrlich ist. Das birgt die Gefahr: Das gegenseitige Vertrauen und der Respekt werden geschmälert oder gar nicht erst aufgebaut. Folglich ist „eine Entschuldigung die einzige gangbare Lösung“, so der Berliner Coach. 

Monika Scheddin rät als ersten „inneren“ Schritt, die peinliche Situation als solche zu akzeptieren. Dann sollte das Offensichtliche benannt und um Entschuldigung gebeten werden. Ein Beispiel: Zwei Kollegen lästern über einen Dritten, doch der steht hinter ihnen und hört alles mit. Wer aus einer solchen Situation halbwegs gut herauskommen möchte, sollte etwa sagen: „Verzeih mir, das war nicht in Ordnung und auch sonst nicht meine Art. Am liebsten würde ich mich jetzt in Luft auflösen.“