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Irrtümer Irrtümer: Mundschutz schützt den Träger nicht vor Ansteckung

Von SIMON MÜLLER 18.08.2009, 20:11

HALLE/MZ. - Der H1N1-Virus ist das bestimmende Themadieses Sommers. Jeder weiß irgendwas darüber,aber richtig sicher ist sich niemand. HöchsteZeit, die größten Irrtümer über die Schweinegrippeaufzuklären:

Wenn ich den Verdacht habe,an Schweinegrippe erkrankt zu sein, sollteich sofort zum Arzt gehen.

Auf keinen Fall. Sie sollten nicht sofortzum Arzt gehen, sondern sofort einen Arztanrufen. Denn wenn Sie die Krankheit wirklichhaben, würden sie Gefahr laufen, schon aufdem Weg zum Arzt oder in der Arztpraxis andereMenschen anzustecken. Also: Ruhe bewahren,engen Kontakt zu anderen Menschen vermeiden,telefonisch mit einem Mediziner Kontakt aufnehmenund dann gemeinsam absprechen, was zu tunist.

Man sollte auf den Verzehr vonSchweinefleisch verzichten, weil das Fleischmit Schweinegrippe infiziert und dadurch ansteckendsein könnte.

Zwar haben kurz nach Bekanntwerden vonSchweinegrippe-Fällen in den USA und Mexikotatsächlich sechs Staaten, darunter Russlandund China, die Einfuhr von lebenden Schweinenund teilweise Schweinefleisch aus diesen beidenLändern verboten - doch ist dies eine völligübertriebene Reaktion. Denn selbst wer dasFleisch eines infizierten Schweines isst,kann sich nicht anstecken. Die Grippevirenvermehren sich nämlich in Nase, Rachen undLunge - aber nicht im Muskelfleisch. Darüberhinaussterben beim Braten des Fleisches (ab etwa72 Grad) sowieso alle Krankheitserreger ab.

Es ist empfehlenswert, einenMundschutz zu tragen, um sich erst gar nichtanzustecken.

"Mit Mundschutz herum zu laufen, wäreder gegenwärtigen Situation überhaupt nichtangemessen", sagt Wolfgang Büchel vom GesundheitsamtKöln. Völlige Sicherheit vor Ansteckung bietetein Mundschutz übrigens nicht, weil er anseinen Rändern am Gesicht des Trägers niemalsvollkommen dicht ist. Kleinste Tröpfchen,die Viren enthalten können, passieren dieseRänder praktisch ungehindert.

Schweinegrippenparties sindein guter Trick: Man infiziert sich absichtlichmit dem Virus, solange die Grippe noch relativharmlos verläuft, und ist danach immun.

Lieber jetzt krank als später tot? - Eingefährlicher Trugschluss. Es stimmt zwar,dass die Schweinegrippe bei den Infiziertenin Deutschland bisher vergleichsweise rechtmilde verläuft. Aber niemand weiß, wie langedas noch so ist. "Die Eigenschaften des Erregerskönnen sich laufend ändern. Der Virus kannganz plötzlich auch hierzulande schwere Verläufenach sich ziehen und für Entzündungen derLungen oder des Herzmuskels sorgen", sagtBüchel.

Herkömmliche Anti-Grippe-Medikamentesind eine gute Prophylaxe.

"Prophylaxe empfehlen wir überhaupt nicht",sagt Wolfgang Büchel. Die Hochsaison für Grippekrankheitendauere von Dezember bis April. Mindestensso lange müsste man die Mittel regelmäßigeinnehmen. Anti-Grippe-Mittel wie Tamifluund Relenza haben jedoch unangenehme Nebenwirkungenwie Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen."Und es ist nicht gesichert, dass solche Mittelin jedem Fall schützen", sagt Büchel. "Einbis fünf Prozent der Viren sind resistentgegen Tamiflu. Beim flächendeckenden vorsorglichenEinsatz des Medikaments würden genau dieseresistenten Viren übrig bleiben und sich weitläufigverbreiten." Anti-Grippe-Mittel sollten alsonur auf ärztliche Verordnung genommen undauch nur in seriösen Apotheken gekauft werden.Wo immer Tamiflu rezeptfrei angeboten wird,handelt es sich mit ziemlicher Sicherheitum - teils hochgefährliche - Fälschungen.

Orte, wo viele Menschen sind,wie Freibäder, Festivals oder Fußballstadien,sollte ich in diesen Zeiten meiden.

Laut Wolfgang Büchel besteht kein Grund,aus Angst vor der Schweinegrippe nicht mehrzu Massenveranstaltungen zu gehen. "Das istalles gegenwärtig überhaupt kein Thema, wennSie nicht gerade vorhaben, mit allen Leutendort aus einer Flasche zu trinken oder alleabzubützen."

Man kann sich gegen die Schweinegrippeimpfen lassen.

Noch nicht. Ein Impfstoff befindet sichin Vorbereitung. Es muss getestet werden,wie das Immunsystem auf den Impfstoff reagiert.Läuft alles nach Plan, soll eine Impfung gegendie Schweinegrippe im Herbst möglich sein.

Wenn ich in meinem Beruf mitvielen Menschen zu tun habe und fürchte, michwährend der Arbeit anzustecken, bleibe ichvorsichtshalber besser zu Hause.

"Selbst berechtigte Angst ist kein Grund,eigenmächtig zu Hause zu bleiben", sagt dieKölner Rechtsanwältin Nele Urban. "Das darfich nur, wenn ich tatsächlich beim Arzt warund krankgeschrieben wurde - auch, wenn ichvielleicht einen Beruf mit viel Publikumsverkehrund entsprechend höherem Ansteckungsrisikoausübe, zum Beispiel Busfahrer, oder Verkäuferinin einem Geschäft auf der Schildergasse bin."

Aber wenn ein Arbeitskollegekrank war oder sogar ein eigenes Familienmitglied?

Auch dann ist eine Krankschreibung vomArzt nötig. Einfach von der Arbeit wegzubleibenwäre Arbeitsverweigerung. "Und das könnteunter Umständen zur fristlosen Kündigung führen",sagt Urban.

Als Arbeitgeber muss ich michalso nicht um die Schweinegrippe kümmern,weil sie letztlich Privatsache meiner Mitarbeiterist.

Falsch. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflichtfür seine Angestellten, so Urban. "Auch einMittelständler sollte also ein paar Vorbereitungentreffen, etwa die Anweisung geben, sich häufigerdie Hände zu waschen und für den Fall, dassdie Zahl der Infektionen ansteigt, etwa mitDesinfektionsmittel ausgestattet sein."

Mehr im Internet unter:

www.bmg.bund.de