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Implantate Implantate: Wenn das Knie streikt

Von Iris Stein 20.09.2002, 16:24

Erst hat Ellen Dittrich das alles überspielt, wolltenicht wahrhaben, dass keine konventionelle Behandlung mehr helfen konnte. Dann ging sie doch zum Arzt.

Jetzt ist sie in der Orthopädischen Universitäts-Klinik in Halle. Morgen früh wird sie operiert, bekommt eine Kniegelenkprothese. Angst hat die 65-Jährige nicht. Sie gibt sich gelassen, weil sie das Prozedere kennt. ImMärz 2001 wurde ihr rechtes Kniegelenk mit einer Prothese versehen.

Fünf vor zwölf am nächsten Tag. Die Patientinliegt in tiefer Narkose vorbereitet auf demOP-Tisch. Es ist 12.08 Uhr, als Oberarzt Schietschdas Elektromesser ansetzt: Ein langer geraderSchnitt von oben nach unten über die Mittedes Knies - das ist der Start. Kniescheibeund Bänder werden zur Seite gedrückt, dannliegen die Knochen frei.

Unter Kollegen werden die Orthopäden scherzhaftals Handwerker in der Medizin bezeichnet.Diesem Namen machen sie nun alle Ehre: Eswird gehämmert, gesägt, gebohrt, dazwischenpiept der Kontrollton des Elektromessers,wenn Blutgefäße verödet werden müssen. Abund zu fliegt auch ein Knochensplitter durchden OP-Saal.

Kaum ein Wort fällt, die Handgriffe laufenab wie am Schnürchen. Oberarzt Ullrich Schietsch,so scheint es, könnte auch mit verbundenenAugen hantieren. Zuerst messen die Ärzte dasGelenk aus, dann bereiten sie den Knochenfür die Prothese vor. Beim Kniegelenkersatzwird nicht etwa der eigene Knochen entfernt,sondern nur seine Oberfläche zu einem Teilabgetragen. Auf dem verbleibenden Knochenist die zweiteilige Prothese befestigt - einTeil am Oberschenkel, eins am Unterschenkel.Die Kniescheibe wird an ihrer Rückseite geglättetund abgetragen und dort ein Polyäthylenteilangebracht, das dann sozusagen auf der Metall-Prothese"läuft". Die Bänder bleiben so erhalten, wiesie sind.

Die Prozedur zieht sich. Immer wieder probierendie Ärzte, passen an, messen nach, tragennoch einmal ab, bohren erneut. Sie hantierendabei mit einem Probeimplantat, erst wennsie mit dem Sitz zufrieden sind, wird dasfür Ellen Dittrich vorgesehene Exemplar zementiert.Der korrekte Sitz der Prothese ist entscheidendfür den Erfolg der Operation, für die angestrebteBeweglichkeit, Schmerzfreiheit und eine langeStandzeit.

"Diese Prothese", erläutert Ullrich Schietschmit Blick auf die Patientin, "erlaubt einenhohen Aktivitätsgrad. Das Knie kann bis maximal155 Grad gebeugt werden. Frau Dittrich isteine robuste, sehr aktive und sportliche Frau.Sie wollte ihre Aktivität möglichst nichtverlieren - und das können wir garantieren."13.15 Uhr ist es, als das Nähen beginnt, Kapsel,Muskel, Fettgewebe, zuletzt wird die Hautmit kleinen Klammern geschlossen. Um 13.42Uhr ist alles vorüber, Ellen Dittrich wirdin den Aufwachraum gebracht.

Am nächsten Morgen, 9 Uhr, sitzt sie ziemlichvergnügt in ihrem Bett und ist mit frühstückenbeschäftigt. Frau Dittrich ist zumindest ineiner Hinsicht die ideale Patientin: Sie willunbedingt so schnell wie möglich aufstehen,wieder laufen können und zu ihrem Alltagslebenzurückkehren. Deshalb verzieht sie auch keineMiene, als schon wenig später die Physiotherapeutinerscheint, um mit ihr die ersten Schrittezu üben. Nur dem Arzt, der sich nach ihremBefinden erkundigt, gesteht sie leise, dassdie Nacht grausam war und sie erhebliche Wundschmerzenhat.

"Alle Knieoperierten stehen am nächsten Tagauf", sagt die Physiotherapeutin Eva-MariaVogt, "sie können ihr Knie voll belasten.Wenn vom Kreislauf her alles in Ordnung ist,gibt es keine Einschränkungen. Manchmal schaffenPatienten schon am ersten Tag eine Beugungvon 90 Grad." Nach drei bis vier Tagen könnensogar schon die ersten Treppenstufen in Angriffgenommen werden. Ellen Dittrich hat aufmerksamzugehört und nickt: Sie will! Und so schafftsie es keine 24 Stunden nach ihrer Operationeinmal rund ums Bett. Dass sie bald wiederschwimmen und wandern kann - klare Sache.