Gesundheit Gesundheit: Wenn Wohlstand krank macht

Ulm/Düsseldorf/dpa. - Morgens Weißbrot mit Butter, mittags Fleisch mit Soße und zum Fernsehen eine Tüte Chips - so oder ähnlich sieht der Speiseplan vieler Deutscher aus. Die Folgen sind kaum zu übersehen: Immer mehr Menschen plagen sich mit Übergewicht und Wohlstandskrankheiten. Eine davon ist der Diabetes Typ 2. Galt die Störung des Zuckerstoffwechsels früher als typische Alterskrankheit, breitet sie sich heute schon unter 30- bis 40-Jährigen - und mitunter auch Kindern - aus.
Auslöser der Krankheit ist meist eine falsche Ernährung: «Seit 20 Jahren beobachten wir in Deutschland eine dramatische Zunahme des Körpergewichts», sagt Martin Wabitsch, Diabetologe in Ulm und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter. «Fettreiche Nahrung gibt es an jeder Ecke.»
Mit Hilfe des Insulins nehmen die Zellen Zucker aus dem Blut auf. Je mehr jemand isst, desto mehr Insulin setzt die Bauchspeicheldrüse frei. Beim Typ-2-Diabetes erkennen die Zellen das Hormon nicht mehr richtig und reagieren nur noch schwach. Mit stärkerer Insulinproduktion versucht die Bauchspeicheldrüse dann, den vermeintlichen Mangel auszugleichen. Wird das Organ überlastet, bildet es jedoch immer weniger Insulin. Der Zuckerstoffwechsel gerät dann aus dem Gleichgewicht, der Blutzuckerspiegel steigt.
Der Diabetes ist eine heimtückische Krankheit, die der Betroffene selbst meist nicht bemerkt. «Mögliche Symptome sind starker Durst, Müdigkeit und häufiges Wasserlassen», sagt Monika Toeller, Diabetologin am Deutschen Diabetes Forschungsinstitut in Düsseldorf. «Aber wenn die sich bemerkbar machen, ist der Diabetes schon weit fortgeschritten.» Deshalb sollte jeder über 35-Jährige mindestens einmal im Jahr seinen Blutzuckerspiegel beim Arzt messen lassen.
Eine erfolgreiche Vorbeugung braucht vor allem Disziplin. «Mit fettarmer, ballaststoffreicher Kost und ausreichend Bewegung lässt sich das Gewicht gut kontrollieren», rät Monika Toeller. Zweimal in der Woche eine halbe Stunde Sport seien das Minimum. «Ideal ist ein tägliches Bewegungsprogramm.» Für Kinder sind gesunde Ernährung und Sport mindestens ebenso wichtig wie für Erwachsene. Doch in vielen Familien ist der Griff in den Süßigkeitenschrank üblicher als der Rohkostteller, beobachtet Ines Drewe von der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen. Wer sich schon als Kind ungesund ernährt, trägt als Erwachsener ein erhöhtes Diabetesrisiko.
«Um die Krankheit in den Griff zu bekommen, muss der Diabetiker abnehmen und seinen Lebensstil ändern», sagt Monika Toeller. Nach der Diagnose beim Arzt wird der Patient in einer Diabetesklinik oder einer spezialisierten Praxis geschult. «Wenn das konsequent gelingt, kann ein Diabetiker häufig noch sechs bis acht Jahre ohne Medikamente und Insulinspritzen auskommen», so die Expertin. Produziert die Bauchspeicheldrüse schließlich nicht mehr genug Insulin, sind meist Insulinspritzen nötig, um Gesundheitsschäden zu vermeiden. Spezielle Schulungen ermöglichen es Diabetikern, sich die Spritzen selbst zu geben und ihren normalen Tagesablauf beizubehalten.
Die Folgeerkrankungen seien das Gefährliche, sagt Toeller. «Bei ungenügender Behandlung kann die Netzhaut der Augen Schaden nehmen, was im schlimmsten Fall zur Erblindung führt.» Auch Nervenschäden und Durchblutungsstörungen an Beinen und Füßen können eine Folge ein. Im Extremfall steht am Ende die Amputation. Auch ein Nierenversagen droht. Angesichts solcher Risiken lohnt sich die Gewichtskontrolle: Wenn es zum Frühstück unbedingt das Brötchen mit Butter sein muss, sollte spätestens mittags ein Rohkostteller bereit stehen.