Gesundheit und Rauchen Gesundheit und Rauchen: Nikotin hat ein größeres Suchtpotenzial als Heroin

Berlin/ddp. - Denn: Von ihrer Droge sind viele Raucher schwerstabhängig.«Nikotin hat ein höheres Suchtpotenzial als Kokain und Heroin», sagtMichael Heidler, Diplompsychologe und Leiter der Institute fürTabakentwöhnung an den Vivantes-Kliniken Neukölln und Spandau sowieam Humboldt-Klinikum in Berlin.
Das ist der Grund, warum selbst gemeinhin als gebildet undintelligent geltende Leute wie Ärzte, Juristen oder Wissenschaftleroft ihr Leben lang an der Zigarette hängen. Sie wissen, dass Rauchentödlich sein kann, es steht ja sogar auf der Kippenpackung. 85Prozent aller Lungenkarzinome gehen auf jahrelanges Rauchen zurück.Rund 120 000 Deutsche sterben jedes Jahr vorzeitig an den Folgen desRauchens. Überdies altert die Haut schneller, die Libido kannnachlassen. Und die finanziellen Belastungen der Sucht gehen im Laufeder Jahre in die Tausende.
Dennoch kommen viele Betroffene einfach nicht weg vomGlimmstängel. Ihr Suchtzentrum im Gehirn will befriedigt werden. «Demfreien Willen zugänglich ist dieses Hirnareal dagegen nicht»,erläutert Heidler. Stattdessen ruft es nach immer mehr Nachschub.Zigarettenqualm regt im Gehirn die Neubildung von Rezeptoren an, wodas Nikotin andockt. Und mehr Rezeptoren verlangen nach mehrZigaretten - ein Teufelskreis.
So lange man die Rezeptoren bedient, wird Dopamin ausgeschüttet.Der Neurotransmitter wird im Volksmund auch Glückshormon genannt undführt zu dem wunderbaren Gefühl, das jeder Raucher kennt: Schon nachdem ersten Zug stellt sich dieses selige Gefühl der Entspannung undBefriedigung ein und die Zigarette schmeckt ganz toll. Junkies eben.
Bleibt dem Suchtzentrum dagegen die Zigarette verwehrt, reagiertes rasch mit Entzugserscheinungen. Schlafstörungen, Nervosität, jasogar Depressionen sind möglich - sieht so ein freier Wille aus?«Nein, und deshalb sind Werbeslogans der Zigarettenindustrie wie 'Ichrauche gern' auch infam», sagt Thomas Hering, Facharzt fürLungenheilkunde in Berlin und Vorstandsmitglied des Bundesverbandsder Pneumologen. Zwar rühmen sich viele Raucher, mit ein wenigDisziplin jederzeit mit ihrem Laster aufhören zu können. Die Realitätsieht aber in der Regel anders aus.
Immerhin hat die Akzeptanz des Nichtrauchens in den vergangenenJahren deutlich zugenommen. Gehörte es früher noch zu den allgemeinenGepflogenheiten, sich zum Kaffee oder nach dem Abendessen eineZigarette anzuzünden, wird Rauchen heute zunehmend als Belästigungempfunden. Mit dem neuen Qualmverbot in Kneipen werden Rauchererstmals sogar per Gesetz vor die Tür gesetzt. Viele nehmen dies zumAnlass, ein für allemal mit dem Rauchen aufzuhören.
«Den größten Erfolg versprechen Entwöhnungsstrategien, diemedikamentöse und verhaltenstherapeutische Maßnahmen miteinanderkombinieren», sagt Experte Hering. Um den Suchtkranken nicht zuüberfordern, beginnt man zunächst in Absprache mit einem Arzt mit derVerabreichung von Nikotinpflastern oder -pillen. Der Raucher stelltdas Qualmen ein, wird aber zunächst noch über die pharmakologischenErsatzpräparate mit Nikotin versorgt. «Wichtig ist, dass man nichtunterdosiert», betont Hering, denn daran scheiterten pharmakologischeEntwöhnungsstrategien am häufigsten.
Wenn sich der Zustand des Abhängigen unter Zuhilfenahmeverhaltenstherapeutischer Maßnahmen stabilisiert hat und er zwei bisdrei Monate keine Zigarette mehr angefasst hat, kann derNikotinersatz abgesetzt werden. Hering zufolge schaffen es mit dieserKombination 30 bis 35 Prozent der Patienten, in den ersten 12 Monatennach der letzten Zigarette abstinent zu bleiben. Zum Vergleich: Derberühmte Silvestervorsatz ohne pharmakologische und therapeutischeBegleitung führt in drei bis fünf Prozent zum Erfolg.
«Gleichwohl gibt es nicht den Königsweg, mit dem Rauchenaufzuhören», betont Suchtexperte Heidler. Wer sich allein auf seineneisernen Willen verlassen kann - auch gut. Klappt es nicht, findetman in praktisch allen größeren Städten Einrichtungen, dieTabakentwöhnungsprogramme anbieten. Heidler etwa bietet solcheProgramme regelmäßig an - mehrwöchige Gruppenseminare, in denen vomHartz-IV-Empfänger bis zum Universitätsprofessor alle Schichtenvertreten sind. «Die Kosten solcher Seminare betragen in Deutschlandetwa zwischen 150 und 400 Euro», sagt der Psychologe.
Angehenden Abstinenzlern rät er, auf zertifizierte Kurse zuachten. So ist gewährleistet, dass der Kursleiter eine qualifizierteAusbildung hat. «Darüber hinaus sollten in der Gruppe nicht mehr alsacht bis zwölf Personen sein», empfiehlt er. Das erhöhe dieErfolgschancen. Die gesetzlichen Krankenkassen übernähmen imEinzelfall bis zu 80 Prozent der Therapiekosten.