Genie oder Wahnsinn? Genie oder Wahnsinn?: Forscher will kompletten Kopf transplantieren

Könnten Experimente wie die der Romanfigur des Dr. Frankenstein bald Realität werden? Der italienische Neurowissenschaftler Sergio Canavero hat ein gruselig klingendes Ziel: Er will zeigen, dass man schon bald den Kopf einer lebendigen Person auf einen funktionstüchtigen Körper transplantieren können wird. Was sich eher nach Horrorfilm als nach echter Medizin anhört, soll laut Canavero bereits in zwei Jahren möglich sein.
Die Operation sei dafür gedacht, etwa querschnittsgelähmten Menschen und Krebspatienten zu helfen. Wie eine solch gewagtes Unterfangen theoretisch von statten gehen soll, will der Forscher auf der Jahreskonferenz der American Academy of Neurological and Orthopaedic Surgeons (AANOS) im Juni präsentieren.
Zerstörtes Rückenmark muss sich verbinden
Die Idee, einen Kopf auf einen fremden Körper zu setzen, ist in der Medizin nichts Neues: 1970 verpflanzte der amerikanische Neurologe Robert White den Kopf eines Rhesus-Affen auf den Körper eines anderen Primaten. Das Tier konnte sich nach der OP allerdings nicht bewegen und verstarb nach etwa einer Woche.
Das von Canavero geplante Zusammenfügen zweier Organismen ist dann auch vor allem deshalb schwierig, weil der Kopf nach der OP den neuen Körper auch steuern können soll. Dafür muss sich allerdings das zerstörte Rückenmark von Kopf und Rumpf funktionsfähig verbinden. Cavaneros Ansatz, den er bereits jetzt in der Fachzeitschrift „Surgical Neurology International“ grob umriss, soll diese Problematik jedoch überwinden können.
Rückenmark gleicht Bündel Spaghetti
In dem Verfahren sollen der Kopf des Empfängers und der Körper des Spenders heruntergekühlt und dann komplett aboperiert werden. Das Rückenmark von Spender und Empfänger müsse dabei höchst präzise und sauber durchtrennt werden. Der Kopf würde dann auf den Spenderkörper gesetzt und die beiden Rückenmark-Stränge zusammengeführt. Canaveros Ansatz sieht vor, die beiden Enden daraufhin mit einer bestimmten Chemikalie zu fluten, die das Zusammenwachsen der Stränge begünstigt.
Das könne man sich vorstellen wie bei einem Bündel Spaghetti, erklärt er in einem Vortrag: So wie heißes Wasser Spaghetti zusammenklebt, könne die Chemikalie dazu beitragen, die einzelnen Nervenfasern der beiden Rückenmark-Enden besser miteinander zu verbinden.
„Derzeit noch Science Fiction“
Was zunächst plausibel klingt, sehen Experten jedoch kritisch. Dr. Uwe Meier, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN), hält vor allem Canaveros Zeitplan für unrealistisch: „Chirurgisch ist eine solche Operation möglicherweise machbar. Aber zwei unterschiedliche Organismen zu einem funktionierenden zu vereinen ist bisher auch mit Tiermodellen nicht einmal im Ansatz gelungen. In meinen Augen ist ein solches Unterfangen auch in den nächsten Jahren noch absolute Science Fiction.“
Doch auch wenn dieses Vorhaben tatsächlich gelingen sollte, kann die Wissenschaft nur raten, wie die beiden zusammengesetzten Organismen miteinander wirken: „Der Kopf ist auf einen bestimmten Körper geeicht“, sagt Neurologe Meier, „Gehirn und Körperfunktionen haben sich gemeinsam und im Einklang miteinander entwickelt. Ob und wie der Kopf in der Lage sein wird, einen Körper zu steuern, der Signale von einem anderen Gehirn gewöhnt ist – darüber kann man nur spekulieren.“
Kopf-Transplantation auch Frage der Ethik
Die Aussicht auf einen solchen Eingriff wirft darüber hinaus viele ethische Fragen auf. Ist nur das Hirn Träger einer Identität? Und: Wäre es fair, einem lebensfähigem Querschnittsgelähmten einen kompletten gesunden Körper zu geben, wenn einem totkranken Menschen mit einer Nieren- oder Herzspende aus demselben Körper das Leben gerettet werden könnte?
Bei dem Projekt stellt sich also nicht nur die Frage nach der Funktionalität, sondern auch danach, ob der Eingriff überhaupt jemals vertretbar sein wird.
